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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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das Innere des Hauptgebäudes und später auf das platte Dach führte. Als
er hörte, daß wir Deutsche seien, verließ er uns einen Augenblick, und ein
We neben darauf erschien ein andrer Fvatcr, der uns zu unsrer nicht geringen
Verwunderung in gutem Oestvcichisch anredete. Wir fragten nach seinem Namen
und erfuhren, daß er hier nur Giovanni genannt werde, aber früher -- "in
der Welt" sagte er -- Johann Zwittlinger geheißen habe. Er war aus
Böhmen gebürtig und, wenn ich mich recht entsinne, seines Zeichens Tischler.
Schon sechs Jahr lebte er hier auf dem Berg des Elias, und nnr selten hatte
er in dieser Zeit seine Muttersprache gehört, auch hatte er leine Hoffnung, die
Heimath wiederzusehen, da es in Deutschland leine Karmeliter gibt. Indeß
sollte er wenigstens nach Europa zurückkehren, da der Prior ihn im nächsten
Jahr nach Rom zu schicken beabsichtigte. Er führte uns, nachdem wir die
herrliche Aussicht von der Plattform des Klosters genossen, zunächst über'lange
Korridore, dann Treppe auf Treppe hinab in die Kirche. Dieselbe ist mit
einer Kuppel überdacht, an den Wänden herrscht ein grelles Gelb und Blau
vor. der Fußboden besteht aus Marmortafeln. Man fragte uns, ob wir das
Altarbild zu sehen wünschten, und als wir dies bejahten, zündete ein andrer
Mönch die Kerzen auf dem Altar an und zog an einer Schnur den seidnen
Vorhang aus, welcher das Bild verhüllte. Ich hatte ein Gemälde erwartet
und sah eine große Pappe mit einem nichtssagenden Gesicht und einem wei¬
ßen goldgestickten Seidenkleid vor mir, die eine ebenso angeputzte kleine Puppe
auf dem Arm hatte. Es war die heilige Jungfrau mit dem Jesuskind.
Beide Puppen trugen große plumpe, von Edelsteinen strahlende Kronen. Unter
dem Altar zeigte man uns die Grotte, in welcher Elias gewohnt haben und von
Jehovas Naben mit Speise versehen worden sein soll. Auch Mohammedaner
Wallfahrten zu gewissen Zeiten hierher, indem sie glauben, daß ein Gebet in
der Höhle heilsame Wirkung hat. Interessant war der Besuch in der Apotheke
des Klosters, mit dem wir unsre Wanderung durch das Gebäude beschlossen.
Der Vorstand erwies sich als lustiger Patron, der die spaßhaften Streiche, die
^ als Offizier der römischen Schweizergarde getrieben, nicht vergessen hatte,
uns die Hände voll wohlriechenden Karmelitergeist goß und uns dann einen
frommen Grog bereitete, bei dem wir ihm von europäischer Politik. Oest¬
reichern, Franzosen und Sardiniern erzählen mußten.

Nachdem wir im Garten des Klosters noch die kleine Pyramide in Augenschein
genommen, welche sich über der Asche der 1799 hier ermordeten Franzosen erhebt,
nahmen wir Abschied von unserm freundlichen Fratcr Giovanni und gingen
hinaus vor das Thor, um noch einmal die Aussicht zu genießen, welche das Vor¬
gebirge gewährt. Man steht hier gegen sechshundert Fuß hoch über der See
und etwa fünfzehnhundert über dem höchsten Gipfel des Karmel. Auf dem
Meer bemerkten wir nur die Segel einiger Küstenschiffe. Im Süden fesselten


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das Innere des Hauptgebäudes und später auf das platte Dach führte. Als
er hörte, daß wir Deutsche seien, verließ er uns einen Augenblick, und ein
We neben darauf erschien ein andrer Fvatcr, der uns zu unsrer nicht geringen
Verwunderung in gutem Oestvcichisch anredete. Wir fragten nach seinem Namen
und erfuhren, daß er hier nur Giovanni genannt werde, aber früher — „in
der Welt" sagte er — Johann Zwittlinger geheißen habe. Er war aus
Böhmen gebürtig und, wenn ich mich recht entsinne, seines Zeichens Tischler.
Schon sechs Jahr lebte er hier auf dem Berg des Elias, und nnr selten hatte
er in dieser Zeit seine Muttersprache gehört, auch hatte er leine Hoffnung, die
Heimath wiederzusehen, da es in Deutschland leine Karmeliter gibt. Indeß
sollte er wenigstens nach Europa zurückkehren, da der Prior ihn im nächsten
Jahr nach Rom zu schicken beabsichtigte. Er führte uns, nachdem wir die
herrliche Aussicht von der Plattform des Klosters genossen, zunächst über'lange
Korridore, dann Treppe auf Treppe hinab in die Kirche. Dieselbe ist mit
einer Kuppel überdacht, an den Wänden herrscht ein grelles Gelb und Blau
vor. der Fußboden besteht aus Marmortafeln. Man fragte uns, ob wir das
Altarbild zu sehen wünschten, und als wir dies bejahten, zündete ein andrer
Mönch die Kerzen auf dem Altar an und zog an einer Schnur den seidnen
Vorhang aus, welcher das Bild verhüllte. Ich hatte ein Gemälde erwartet
und sah eine große Pappe mit einem nichtssagenden Gesicht und einem wei¬
ßen goldgestickten Seidenkleid vor mir, die eine ebenso angeputzte kleine Puppe
auf dem Arm hatte. Es war die heilige Jungfrau mit dem Jesuskind.
Beide Puppen trugen große plumpe, von Edelsteinen strahlende Kronen. Unter
dem Altar zeigte man uns die Grotte, in welcher Elias gewohnt haben und von
Jehovas Naben mit Speise versehen worden sein soll. Auch Mohammedaner
Wallfahrten zu gewissen Zeiten hierher, indem sie glauben, daß ein Gebet in
der Höhle heilsame Wirkung hat. Interessant war der Besuch in der Apotheke
des Klosters, mit dem wir unsre Wanderung durch das Gebäude beschlossen.
Der Vorstand erwies sich als lustiger Patron, der die spaßhaften Streiche, die
^ als Offizier der römischen Schweizergarde getrieben, nicht vergessen hatte,
uns die Hände voll wohlriechenden Karmelitergeist goß und uns dann einen
frommen Grog bereitete, bei dem wir ihm von europäischer Politik. Oest¬
reichern, Franzosen und Sardiniern erzählen mußten.

Nachdem wir im Garten des Klosters noch die kleine Pyramide in Augenschein
genommen, welche sich über der Asche der 1799 hier ermordeten Franzosen erhebt,
nahmen wir Abschied von unserm freundlichen Fratcr Giovanni und gingen
hinaus vor das Thor, um noch einmal die Aussicht zu genießen, welche das Vor¬
gebirge gewährt. Man steht hier gegen sechshundert Fuß hoch über der See
und etwa fünfzehnhundert über dem höchsten Gipfel des Karmel. Auf dem
Meer bemerkten wir nur die Segel einiger Küstenschiffe. Im Süden fesselten


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[0521] das Innere des Hauptgebäudes und später auf das platte Dach führte. Als er hörte, daß wir Deutsche seien, verließ er uns einen Augenblick, und ein We neben darauf erschien ein andrer Fvatcr, der uns zu unsrer nicht geringen Verwunderung in gutem Oestvcichisch anredete. Wir fragten nach seinem Namen und erfuhren, daß er hier nur Giovanni genannt werde, aber früher — „in der Welt" sagte er — Johann Zwittlinger geheißen habe. Er war aus Böhmen gebürtig und, wenn ich mich recht entsinne, seines Zeichens Tischler. Schon sechs Jahr lebte er hier auf dem Berg des Elias, und nnr selten hatte er in dieser Zeit seine Muttersprache gehört, auch hatte er leine Hoffnung, die Heimath wiederzusehen, da es in Deutschland leine Karmeliter gibt. Indeß sollte er wenigstens nach Europa zurückkehren, da der Prior ihn im nächsten Jahr nach Rom zu schicken beabsichtigte. Er führte uns, nachdem wir die herrliche Aussicht von der Plattform des Klosters genossen, zunächst über'lange Korridore, dann Treppe auf Treppe hinab in die Kirche. Dieselbe ist mit einer Kuppel überdacht, an den Wänden herrscht ein grelles Gelb und Blau vor. der Fußboden besteht aus Marmortafeln. Man fragte uns, ob wir das Altarbild zu sehen wünschten, und als wir dies bejahten, zündete ein andrer Mönch die Kerzen auf dem Altar an und zog an einer Schnur den seidnen Vorhang aus, welcher das Bild verhüllte. Ich hatte ein Gemälde erwartet und sah eine große Pappe mit einem nichtssagenden Gesicht und einem wei¬ ßen goldgestickten Seidenkleid vor mir, die eine ebenso angeputzte kleine Puppe auf dem Arm hatte. Es war die heilige Jungfrau mit dem Jesuskind. Beide Puppen trugen große plumpe, von Edelsteinen strahlende Kronen. Unter dem Altar zeigte man uns die Grotte, in welcher Elias gewohnt haben und von Jehovas Naben mit Speise versehen worden sein soll. Auch Mohammedaner Wallfahrten zu gewissen Zeiten hierher, indem sie glauben, daß ein Gebet in der Höhle heilsame Wirkung hat. Interessant war der Besuch in der Apotheke des Klosters, mit dem wir unsre Wanderung durch das Gebäude beschlossen. Der Vorstand erwies sich als lustiger Patron, der die spaßhaften Streiche, die ^ als Offizier der römischen Schweizergarde getrieben, nicht vergessen hatte, uns die Hände voll wohlriechenden Karmelitergeist goß und uns dann einen frommen Grog bereitete, bei dem wir ihm von europäischer Politik. Oest¬ reichern, Franzosen und Sardiniern erzählen mußten. Nachdem wir im Garten des Klosters noch die kleine Pyramide in Augenschein genommen, welche sich über der Asche der 1799 hier ermordeten Franzosen erhebt, nahmen wir Abschied von unserm freundlichen Fratcr Giovanni und gingen hinaus vor das Thor, um noch einmal die Aussicht zu genießen, welche das Vor¬ gebirge gewährt. Man steht hier gegen sechshundert Fuß hoch über der See und etwa fünfzehnhundert über dem höchsten Gipfel des Karmel. Auf dem Meer bemerkten wir nur die Segel einiger Küstenschiffe. Im Süden fesselten , 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/521>, abgerufen am 13.05.2024.