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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Die Phönizier mögen frühzeitig auch Glas gemacht haben, sicher aber
handelten sie mehr damit, als sie es erzeugten. Sehr wahrscheinlich sind die
farbigen Glasperlen und Amulete, die man aus den britischen Inseln, in
vorchristlichen Grabmälern in Ostpreußen, in Gottland und auf Bornholm
gefunden hat, durch jenes semitische Handelsvolk oder seine Verwandten, die
Karthager dorthin gelangt. Aber ebenso wahrscheinlich ist es, daß sie nicht
sowol eignes Fabrikat, sondern Crzeugniß ägyptischer Arbeit waren. Auf¬
fallend ist, daß die Griechen erst um die Zeit Alexanders des Großen mit dem
Glas bekannter wurden. Wenigstens muß es früher sehr selten gewesen sein,
weil es sonst unerklärlich bliebe, wenn die Gesandten, die Athen an den Hof
des persischen Großkönigs schickte, es als einen Beweis der Herrlichkeit des
Hofhalts anführten, daß sie dort aus gläsernen Pokalen getrunken.

Die Römer wurden wahrscheinlich erst zu Ciceros Zeit mit dem Glase
bekannt. Die erste römische Glasfabrik wurde unter Tiberius in der Nähe
des flaminianischcn Circus augelegt, aber noch zur Zeit des Plinius war das
Glas kostbarer als Gold. Die unermeßlichen Reichthümer, die aus der ganzen
Welt zusammenflossen, ließen drohten die Römer dasselbe sehr häufig und im
ausgedehntesten Maßstab anwenden. So.ließ, --wir folgen von seht an den Mit¬
theilungen eines Technologen in Abels "Aus der Natur"*) -- z. B. Marcus Scau-
rus zur Zeit des Pompejus einen Theil des Theaters in Rom mit bunten Glas¬
massen auslegen. In der spätern Zeit war freilich diese Ausschmückung, namentlich
in den Badezimmern und Büchersälen eine allgemeine. Nicht allein der Fu߬
boden, sondern auch die Wände wurden mit marmorartigen Glastafeln belegt.
Dergleichen Glasplatten sind auch bei den Ausgrabungen von Herculanum.
und Pompeji aufgefunden worden. Die Fenster der Badezimmer versah man mit
mattweißem, gepreßtem Glase, während die Wohnungen, selbst die Paläste der
Cäsaren immer noch der Glasfenster, die heute dem gewöhnlichsten Hause ein
nothwendiges Bedürfniß sind, entbehrten. Ebenso wenig war zu jener Zeit an
Glasspiegel zu denken. Diese fehlten zwar nicht in dem Boudoir der elegan¬
ten Römerinnen, aber sie waren von polirtem Silber angefertigt und zwar
von einem solchen Umfange, daß die ganze Gestalt in Lebensgröße darin sicht¬
bar war.

Man verstand es in jener Zeit die verschieden gefärbten Schalen, Becher
und sonstigen Trinkgeräthe mit aufgeschmolzenen erhabenen Figuren zu ver¬
zieren. Außerdem hatte man Bälle. Thräuenurnen, Schachspiele u. s. w. von
Glas. Hierauf war so ziemlich die ganze Kunst der Glasfabrikation viele



') Aus der Natur. Die "cucsten Entdeckungen aus dem Gebiet der Naturwissenschaften-
12. Band. Leipzig, Verlag von Ambrostus Abel. 1359- Dieser Theil enthält cmsier dein Auf¬
satz über das Glas eine Abhandlung über künstliche Edelsteine und eine andere über das Herz
und seine Functionen. Das ganze Unternehmen verdient als durchaus gediegen warme Em¬
pfehlung.

Die Phönizier mögen frühzeitig auch Glas gemacht haben, sicher aber
handelten sie mehr damit, als sie es erzeugten. Sehr wahrscheinlich sind die
farbigen Glasperlen und Amulete, die man aus den britischen Inseln, in
vorchristlichen Grabmälern in Ostpreußen, in Gottland und auf Bornholm
gefunden hat, durch jenes semitische Handelsvolk oder seine Verwandten, die
Karthager dorthin gelangt. Aber ebenso wahrscheinlich ist es, daß sie nicht
sowol eignes Fabrikat, sondern Crzeugniß ägyptischer Arbeit waren. Auf¬
fallend ist, daß die Griechen erst um die Zeit Alexanders des Großen mit dem
Glas bekannter wurden. Wenigstens muß es früher sehr selten gewesen sein,
weil es sonst unerklärlich bliebe, wenn die Gesandten, die Athen an den Hof
des persischen Großkönigs schickte, es als einen Beweis der Herrlichkeit des
Hofhalts anführten, daß sie dort aus gläsernen Pokalen getrunken.

Die Römer wurden wahrscheinlich erst zu Ciceros Zeit mit dem Glase
bekannt. Die erste römische Glasfabrik wurde unter Tiberius in der Nähe
des flaminianischcn Circus augelegt, aber noch zur Zeit des Plinius war das
Glas kostbarer als Gold. Die unermeßlichen Reichthümer, die aus der ganzen
Welt zusammenflossen, ließen drohten die Römer dasselbe sehr häufig und im
ausgedehntesten Maßstab anwenden. So.ließ, —wir folgen von seht an den Mit¬
theilungen eines Technologen in Abels „Aus der Natur"*) — z. B. Marcus Scau-
rus zur Zeit des Pompejus einen Theil des Theaters in Rom mit bunten Glas¬
massen auslegen. In der spätern Zeit war freilich diese Ausschmückung, namentlich
in den Badezimmern und Büchersälen eine allgemeine. Nicht allein der Fu߬
boden, sondern auch die Wände wurden mit marmorartigen Glastafeln belegt.
Dergleichen Glasplatten sind auch bei den Ausgrabungen von Herculanum.
und Pompeji aufgefunden worden. Die Fenster der Badezimmer versah man mit
mattweißem, gepreßtem Glase, während die Wohnungen, selbst die Paläste der
Cäsaren immer noch der Glasfenster, die heute dem gewöhnlichsten Hause ein
nothwendiges Bedürfniß sind, entbehrten. Ebenso wenig war zu jener Zeit an
Glasspiegel zu denken. Diese fehlten zwar nicht in dem Boudoir der elegan¬
ten Römerinnen, aber sie waren von polirtem Silber angefertigt und zwar
von einem solchen Umfange, daß die ganze Gestalt in Lebensgröße darin sicht¬
bar war.

Man verstand es in jener Zeit die verschieden gefärbten Schalen, Becher
und sonstigen Trinkgeräthe mit aufgeschmolzenen erhabenen Figuren zu ver¬
zieren. Außerdem hatte man Bälle. Thräuenurnen, Schachspiele u. s. w. von
Glas. Hierauf war so ziemlich die ganze Kunst der Glasfabrikation viele



') Aus der Natur. Die »cucsten Entdeckungen aus dem Gebiet der Naturwissenschaften-
12. Band. Leipzig, Verlag von Ambrostus Abel. 1359- Dieser Theil enthält cmsier dein Auf¬
satz über das Glas eine Abhandlung über künstliche Edelsteine und eine andere über das Herz
und seine Functionen. Das ganze Unternehmen verdient als durchaus gediegen warme Em¬
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[0524] Die Phönizier mögen frühzeitig auch Glas gemacht haben, sicher aber handelten sie mehr damit, als sie es erzeugten. Sehr wahrscheinlich sind die farbigen Glasperlen und Amulete, die man aus den britischen Inseln, in vorchristlichen Grabmälern in Ostpreußen, in Gottland und auf Bornholm gefunden hat, durch jenes semitische Handelsvolk oder seine Verwandten, die Karthager dorthin gelangt. Aber ebenso wahrscheinlich ist es, daß sie nicht sowol eignes Fabrikat, sondern Crzeugniß ägyptischer Arbeit waren. Auf¬ fallend ist, daß die Griechen erst um die Zeit Alexanders des Großen mit dem Glas bekannter wurden. Wenigstens muß es früher sehr selten gewesen sein, weil es sonst unerklärlich bliebe, wenn die Gesandten, die Athen an den Hof des persischen Großkönigs schickte, es als einen Beweis der Herrlichkeit des Hofhalts anführten, daß sie dort aus gläsernen Pokalen getrunken. Die Römer wurden wahrscheinlich erst zu Ciceros Zeit mit dem Glase bekannt. Die erste römische Glasfabrik wurde unter Tiberius in der Nähe des flaminianischcn Circus augelegt, aber noch zur Zeit des Plinius war das Glas kostbarer als Gold. Die unermeßlichen Reichthümer, die aus der ganzen Welt zusammenflossen, ließen drohten die Römer dasselbe sehr häufig und im ausgedehntesten Maßstab anwenden. So.ließ, —wir folgen von seht an den Mit¬ theilungen eines Technologen in Abels „Aus der Natur"*) — z. B. Marcus Scau- rus zur Zeit des Pompejus einen Theil des Theaters in Rom mit bunten Glas¬ massen auslegen. In der spätern Zeit war freilich diese Ausschmückung, namentlich in den Badezimmern und Büchersälen eine allgemeine. Nicht allein der Fu߬ boden, sondern auch die Wände wurden mit marmorartigen Glastafeln belegt. Dergleichen Glasplatten sind auch bei den Ausgrabungen von Herculanum. und Pompeji aufgefunden worden. Die Fenster der Badezimmer versah man mit mattweißem, gepreßtem Glase, während die Wohnungen, selbst die Paläste der Cäsaren immer noch der Glasfenster, die heute dem gewöhnlichsten Hause ein nothwendiges Bedürfniß sind, entbehrten. Ebenso wenig war zu jener Zeit an Glasspiegel zu denken. Diese fehlten zwar nicht in dem Boudoir der elegan¬ ten Römerinnen, aber sie waren von polirtem Silber angefertigt und zwar von einem solchen Umfange, daß die ganze Gestalt in Lebensgröße darin sicht¬ bar war. Man verstand es in jener Zeit die verschieden gefärbten Schalen, Becher und sonstigen Trinkgeräthe mit aufgeschmolzenen erhabenen Figuren zu ver¬ zieren. Außerdem hatte man Bälle. Thräuenurnen, Schachspiele u. s. w. von Glas. Hierauf war so ziemlich die ganze Kunst der Glasfabrikation viele ') Aus der Natur. Die »cucsten Entdeckungen aus dem Gebiet der Naturwissenschaften- 12. Band. Leipzig, Verlag von Ambrostus Abel. 1359- Dieser Theil enthält cmsier dein Auf¬ satz über das Glas eine Abhandlung über künstliche Edelsteine und eine andere über das Herz und seine Functionen. Das ganze Unternehmen verdient als durchaus gediegen warme Em¬ pfehlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/524>, abgerufen am 06.06.2024.