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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Daß ihm dies gelang bleibt ein Meisterstück seiner Macchiavellistischcn Politik.
Die richtige Schätzung seiner Gegner ist eine der bedeutendsten Eigenschaften
dieses merkwürdigen Mannes; so wie er seinen Kriegsplan darauf baute, daß
man in der Hofburg nicht nachgeben werde, während ein weises Einlenken
'hin das Schwert aus der Hand gewunden hätte, so war sein Friedensplan
darauf berechnet, daß die Hartnäckigkeit nach den ersten Niederlagen in Klein¬
muth umschlagen, und der Haß gegen Frankreich der Eifersucht gegen Preußen
weichen werde, welches im Begriff stand eine selbständigere Stellung einzu¬
nehmen. Wir wollen hier auf das Jmbroglio des Vermittlungsprojectes nicht
wieder eingehen, genug. Oestreich, das gleichzeitig in Berlin erklären ließ, es
werde nicht weichen und wanken von seinen heiligen Rechten, schloß einen
Frieden, der ihm eine reiche Provinz nahm.

Man wird sich nicht darüber wundern dürfen, daß dieses Werk der Noth
und List viele Fragen ungelöst ließ, sondern wird zugeben, daß der Moniteur
Recht hatte, wenn er später behauptete, der Kaiser habe durch den Frieden von
Lillafranca ebenso viel und vielleicht mehr erhalten als durch die Waffen.
Eine nähere Betrachtung des Inhaltes und der Consequenzen jener Stipu-
lation wird dies beweisen helfen.

Der einfachste Punkt ist die Abtretung der Lombardei, die Grenzregulirung
und Uebernahme der Schuldenquote mögen den Commissarien die größten
Schwierigkeiten bereitet haben, die Sache an sich ist klar. Oestreich tritt das
^chint ab und Frankreich übergibt es Sardinien, die erste Bedingung, die
völkerrechtliche Erwerbung des Eroberten war gelöst. Die zweite sollte die
^sser hartnäckig verweigerte Anerkennung der italienischen Nationalität von
Zeiten Oestreichs sein; das Project eines italienischen Bundes sollte verwirk¬
et werden, und als Bürgschaft seiner Aufrichtigkeit versprach der Kaiser Franz
Joseph für das ihm verbleibende Venetien die größten Concessionen, es sollte
National organisirt ein Glied des Bundes werden, als eoncMio sin" pu-i
U"n ward dafür die Rückkehr der Erzherzöge aufgestellt. Es konnte scheinen,
">s ob dies ein Aequivalent für den Gebietsverlust sei; nahmen die geflohenen
Ersten ihre Throne wieder ein, so hatte Oestreich in der zu errichtenden Con-
s°deration schon drei Stimmen. Venetien. Modena. Toscana. Dazu mußten
^ der Natur der Dinge nach der Papst und Neapel zu ihm neigen und so
^im es. daß sich dasselbe Uebergewicht des Einflusses im italienischen Bunde
würde erreichen lassen, welches Oestreich in Deutschland übt; während früher
^ Staaten der Halbinsel durch specielle diplomatische und militärische
^Nrüge vom Wiener Cabinet gefesselt werden mußten, war es künftig als
Bundesglied berechtigt in allen Angelegenheiten mitzusprechen, und der Druck.
Eichen sein hinter Venetien liegendes Reich auf die italienischen Verhältnisse
ausüben mußte, ließ gewiß keinen Vergleich mit dem Einfluß Hollands oder


Daß ihm dies gelang bleibt ein Meisterstück seiner Macchiavellistischcn Politik.
Die richtige Schätzung seiner Gegner ist eine der bedeutendsten Eigenschaften
dieses merkwürdigen Mannes; so wie er seinen Kriegsplan darauf baute, daß
man in der Hofburg nicht nachgeben werde, während ein weises Einlenken
'hin das Schwert aus der Hand gewunden hätte, so war sein Friedensplan
darauf berechnet, daß die Hartnäckigkeit nach den ersten Niederlagen in Klein¬
muth umschlagen, und der Haß gegen Frankreich der Eifersucht gegen Preußen
weichen werde, welches im Begriff stand eine selbständigere Stellung einzu¬
nehmen. Wir wollen hier auf das Jmbroglio des Vermittlungsprojectes nicht
wieder eingehen, genug. Oestreich, das gleichzeitig in Berlin erklären ließ, es
werde nicht weichen und wanken von seinen heiligen Rechten, schloß einen
Frieden, der ihm eine reiche Provinz nahm.

Man wird sich nicht darüber wundern dürfen, daß dieses Werk der Noth
und List viele Fragen ungelöst ließ, sondern wird zugeben, daß der Moniteur
Recht hatte, wenn er später behauptete, der Kaiser habe durch den Frieden von
Lillafranca ebenso viel und vielleicht mehr erhalten als durch die Waffen.
Eine nähere Betrachtung des Inhaltes und der Consequenzen jener Stipu-
lation wird dies beweisen helfen.

Der einfachste Punkt ist die Abtretung der Lombardei, die Grenzregulirung
und Uebernahme der Schuldenquote mögen den Commissarien die größten
Schwierigkeiten bereitet haben, die Sache an sich ist klar. Oestreich tritt das
^chint ab und Frankreich übergibt es Sardinien, die erste Bedingung, die
völkerrechtliche Erwerbung des Eroberten war gelöst. Die zweite sollte die
^sser hartnäckig verweigerte Anerkennung der italienischen Nationalität von
Zeiten Oestreichs sein; das Project eines italienischen Bundes sollte verwirk¬
et werden, und als Bürgschaft seiner Aufrichtigkeit versprach der Kaiser Franz
Joseph für das ihm verbleibende Venetien die größten Concessionen, es sollte
National organisirt ein Glied des Bundes werden, als eoncMio sin« pu-i
U»n ward dafür die Rückkehr der Erzherzöge aufgestellt. Es konnte scheinen,
">s ob dies ein Aequivalent für den Gebietsverlust sei; nahmen die geflohenen
Ersten ihre Throne wieder ein, so hatte Oestreich in der zu errichtenden Con-
s°deration schon drei Stimmen. Venetien. Modena. Toscana. Dazu mußten
^ der Natur der Dinge nach der Papst und Neapel zu ihm neigen und so
^im es. daß sich dasselbe Uebergewicht des Einflusses im italienischen Bunde
würde erreichen lassen, welches Oestreich in Deutschland übt; während früher
^ Staaten der Halbinsel durch specielle diplomatische und militärische
^Nrüge vom Wiener Cabinet gefesselt werden mußten, war es künftig als
Bundesglied berechtigt in allen Angelegenheiten mitzusprechen, und der Druck.
Eichen sein hinter Venetien liegendes Reich auf die italienischen Verhältnisse
ausüben mußte, ließ gewiß keinen Vergleich mit dem Einfluß Hollands oder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/153>, abgerufen am 15.06.2024.