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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Zur kurhessischen Verfassungsfrage.

Fragen wir uns einmal, was für ein Mann es war, mit dem sich die
Bundesversammlung vereinigte, als es die Vernichtung der verfassungsmäßigen
Rechte Hessens galt. Der Name Hassenpflug bedeutet langjährigen Vernich-
tungskampf gegen das Grundgesetz Kurhesseus, und nicht blos gegen dieses,
sondern gegen jede Freiheit, Selbstständigkeit, gesetzliche Ordnung, für boden¬
lose Willkür. Er hat diesen Kampf geführt mit so gänzlicher Gleichgiltigkeit
^gen die Güte der Mittel, mit so cynischer Dreistigkeit, daß wir um der
^hre des deutschen Namens willen hoffen, er wird einzig dastehen in der
^utschcn Geschichte. Hassenpflug begann seine Laufbahn mit der Beiziehung
^et berüchtigten Bundesbeschlüsse von 1332, Auslösung der Kammer und An-
Achtungen des bleibenden Ausschusses derselben, ja mit einem Verbot der Feier
^6 Jahrestags der Verfassung. Aus der neuen Kammer suchte er die Be-
"u>ten unter den seltsamsten Vorwänden zu entfernen,' hinterzog den Beginn
Sitzungen, untersagte eine kirchliche Eröffnungsfeier und kam einer An¬
lage durch abermalige Kammerauflösung schnell zuvor. Die Chikanen gegen
^ gewühlten Beamten wiederholten sich beim folgenden Landtag, es wurden
^'"selben die sonderbarsten Zumuthungen gestellt. Mit der Kammer von
^6 gi,^ ^ nachdem er das Seinige gethan, um alle Mißliebigen fern zu
^leer, noch weiter; zuletzt entließ er sie ohne Abschied. Das Recht der Ab-
Seordnetenversammlung zur Ausgabenbewilligung suchte er zu vereiteln, das
^ehe zur Initiative bei der Gesetzgebung zu bestreikn, ihr Recht zur Zu-
' unmung bei Gesetzen durch "Verordnungen" zu umgehen, ja ohne diese Zu-
unmung eine Steuer einzuführen (die Wegegeldsabgabe). Die Presse hielt er
^der, indem er selbst censirte, manche Kammerverhandlung ließ er nicht ver¬
deutlichen. Gegen Richter verfuhr er wegen von ihnen ausgesprochener rieb-
^'"cher Ueberzeugungen mit Rügen und Versetzungen; politische Gegner wie
rü Professor Jordan ließ er auf die gehässigste Weise verfolgen. Manches
^potische Regiment rühmt sich besonderer Fürsorge für die materielle Landes-
°hlfahrt und sucht sich wol damit zu rechtfertigen. Bei Hassenpflug war dies
M der Fall, er setzte die öffentliche Wohlfahrt fast unverhüllt andern Jnter-


Grcnzboten IV. 1LSS. 21
Zur kurhessischen Verfassungsfrage.

Fragen wir uns einmal, was für ein Mann es war, mit dem sich die
Bundesversammlung vereinigte, als es die Vernichtung der verfassungsmäßigen
Rechte Hessens galt. Der Name Hassenpflug bedeutet langjährigen Vernich-
tungskampf gegen das Grundgesetz Kurhesseus, und nicht blos gegen dieses,
sondern gegen jede Freiheit, Selbstständigkeit, gesetzliche Ordnung, für boden¬
lose Willkür. Er hat diesen Kampf geführt mit so gänzlicher Gleichgiltigkeit
^gen die Güte der Mittel, mit so cynischer Dreistigkeit, daß wir um der
^hre des deutschen Namens willen hoffen, er wird einzig dastehen in der
^utschcn Geschichte. Hassenpflug begann seine Laufbahn mit der Beiziehung
^et berüchtigten Bundesbeschlüsse von 1332, Auslösung der Kammer und An-
Achtungen des bleibenden Ausschusses derselben, ja mit einem Verbot der Feier
^6 Jahrestags der Verfassung. Aus der neuen Kammer suchte er die Be-
"u>ten unter den seltsamsten Vorwänden zu entfernen,' hinterzog den Beginn
Sitzungen, untersagte eine kirchliche Eröffnungsfeier und kam einer An¬
lage durch abermalige Kammerauflösung schnell zuvor. Die Chikanen gegen
^ gewühlten Beamten wiederholten sich beim folgenden Landtag, es wurden
^'»selben die sonderbarsten Zumuthungen gestellt. Mit der Kammer von
^6 gi,^ ^ nachdem er das Seinige gethan, um alle Mißliebigen fern zu
^leer, noch weiter; zuletzt entließ er sie ohne Abschied. Das Recht der Ab-
Seordnetenversammlung zur Ausgabenbewilligung suchte er zu vereiteln, das
^ehe zur Initiative bei der Gesetzgebung zu bestreikn, ihr Recht zur Zu-
' unmung bei Gesetzen durch „Verordnungen" zu umgehen, ja ohne diese Zu-
unmung eine Steuer einzuführen (die Wegegeldsabgabe). Die Presse hielt er
^der, indem er selbst censirte, manche Kammerverhandlung ließ er nicht ver¬
deutlichen. Gegen Richter verfuhr er wegen von ihnen ausgesprochener rieb-
^'"cher Ueberzeugungen mit Rügen und Versetzungen; politische Gegner wie
rü Professor Jordan ließ er auf die gehässigste Weise verfolgen. Manches
^potische Regiment rühmt sich besonderer Fürsorge für die materielle Landes-
°hlfahrt und sucht sich wol damit zu rechtfertigen. Bei Hassenpflug war dies
M der Fall, er setzte die öffentliche Wohlfahrt fast unverhüllt andern Jnter-


Grcnzboten IV. 1LSS. 21
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[0173] Zur kurhessischen Verfassungsfrage. Fragen wir uns einmal, was für ein Mann es war, mit dem sich die Bundesversammlung vereinigte, als es die Vernichtung der verfassungsmäßigen Rechte Hessens galt. Der Name Hassenpflug bedeutet langjährigen Vernich- tungskampf gegen das Grundgesetz Kurhesseus, und nicht blos gegen dieses, sondern gegen jede Freiheit, Selbstständigkeit, gesetzliche Ordnung, für boden¬ lose Willkür. Er hat diesen Kampf geführt mit so gänzlicher Gleichgiltigkeit ^gen die Güte der Mittel, mit so cynischer Dreistigkeit, daß wir um der ^hre des deutschen Namens willen hoffen, er wird einzig dastehen in der ^utschcn Geschichte. Hassenpflug begann seine Laufbahn mit der Beiziehung ^et berüchtigten Bundesbeschlüsse von 1332, Auslösung der Kammer und An- Achtungen des bleibenden Ausschusses derselben, ja mit einem Verbot der Feier ^6 Jahrestags der Verfassung. Aus der neuen Kammer suchte er die Be- "u>ten unter den seltsamsten Vorwänden zu entfernen,' hinterzog den Beginn Sitzungen, untersagte eine kirchliche Eröffnungsfeier und kam einer An¬ lage durch abermalige Kammerauflösung schnell zuvor. Die Chikanen gegen ^ gewühlten Beamten wiederholten sich beim folgenden Landtag, es wurden ^'»selben die sonderbarsten Zumuthungen gestellt. Mit der Kammer von ^6 gi,^ ^ nachdem er das Seinige gethan, um alle Mißliebigen fern zu ^leer, noch weiter; zuletzt entließ er sie ohne Abschied. Das Recht der Ab- Seordnetenversammlung zur Ausgabenbewilligung suchte er zu vereiteln, das ^ehe zur Initiative bei der Gesetzgebung zu bestreikn, ihr Recht zur Zu- ' unmung bei Gesetzen durch „Verordnungen" zu umgehen, ja ohne diese Zu- unmung eine Steuer einzuführen (die Wegegeldsabgabe). Die Presse hielt er ^der, indem er selbst censirte, manche Kammerverhandlung ließ er nicht ver¬ deutlichen. Gegen Richter verfuhr er wegen von ihnen ausgesprochener rieb- ^'"cher Ueberzeugungen mit Rügen und Versetzungen; politische Gegner wie rü Professor Jordan ließ er auf die gehässigste Weise verfolgen. Manches ^potische Regiment rühmt sich besonderer Fürsorge für die materielle Landes- °hlfahrt und sucht sich wol damit zu rechtfertigen. Bei Hassenpflug war dies M der Fall, er setzte die öffentliche Wohlfahrt fast unverhüllt andern Jnter- Grcnzboten IV. 1LSS. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/173>, abgerufen am 15.06.2024.