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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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essen nach, denen nämlich der privilegirten Adligen und Standesherren und
des Regenten, dem er die rotenburger Quart zuwendete und dem er eine Er-
sparniß von 300,000 Thlr. etatswidrig zu militärischen Spielereien opferte.
Man fragt umsonst nach den tieferen Zwecken einer solchen Politik, man
müßte sie denn darin finden wollen, daß er schließlich den doppelten Minister¬
gehalt bezog und sogar 8000 Thlr. nachgezahlt verlangte.

War es möglich, daß ein Land vor einem solchen Negierungshaupt Achtung
oder Vertrauen zu ihm fühlte? Wäre es nicht vielmehr natürlich gewesen,
wenn es den Widerwillen gegen einen solchen Minister auf denjenigen, der
ihn berufen hatte, auf die Obrigkeit überhaupt, die er vertrat, übertrage"
hätte? Mußte nicht die dringendste Pflicht gebieten, dem vorzubeugen, den
bösen Eindruck jenes Regiments durch einen anderen erfreulichen zu entkräf¬
ten? Statt dessen wurde das Treiben Hassenpflugs auch nach seiner Entlas¬
sung bis 1848, zuletzt nur noch offener, man könnte beinahe sagen ehrlicher,
aber auch fanatischer sortgesetzt. E,s wäre nutzlos, diese Verwaltungsperiode
im Einzelnen zu verfolgen, genug, ihr Charakter war die vollständige Ver-
neinung jeder Bedeutung des Landtags, die offenbare Verhöhnung desselben
und das allgemeine Bestreben, jedes verfassungsmäßige Recht der .Kammer
und der Einzelnen zu umgehen, zu verkürzen und illusorisch zu machen.

Man hätte erwarten sollen, daß 1848, als die Regierungen ohnmächtig
und gelähmt waren, der Grimm der Kurhessen sich gewaltig erhoben, jeder
Obrigkeit Anerkennung verweigert, denjenigen, die das Land so lange alß'
handelt hatten, mit Schimpf und Gewalt vergolten hätte, daß der durch die Künste
der Regierungen herabgewürdigte Constitutionalismus. bei Seite geschoben wor¬
den wäre, um einer Republik, vielleicht wilder Anarchie Platz zu machen. Aber
von alle dem geschah nichts. Nur in einer Stadt, in Hanau. wo sich auch
aus den benachbarten Staaten bewaffnete Massen gesammelt hatten, schienen
Excesse zu drohen, allein auch diese Stadt kehrte schnell zu vollständiger Ord¬
nung zurück, als das Ministerium Eberhard an die Spitze trat. Selbst w
jenen bewegten Tagen hatte das Volk in seinen Petitionen keine anderen
Forderungen als: Entfernung der verhaßten Mitglieder der Negierung, Erlaß
lange versprochener Gesetze, Sicherung des öffentlichen Rechts und der Ein¬
zelnen gegen die polizeiliche Willkür der eben vergangenen Jahre. In einer
Ruhe und Loyalität, welche dem entsprach, wurden, fast wie im tiefsten Fne'
den, zahlreiche Gesetze berathen und erlassen, Gesetze so conservativ, wie sie
in andern Staaten nicht einmal zur Zeit der blühenden Reaction erschienen
sind, ein Ablösungsgcsetz. das den Berechtigten die abzulösenden Leistungen
zum zwanzigfachen Capitalbetrag vergütet, ja -- das einzige der Art in gM
Deutschland! -- ein Gesetz, durch welches den Jagdberechtigten sür die weg'
fallende Jagd eine, wenn auch geringe Entschädigung zugesprochen wird-


essen nach, denen nämlich der privilegirten Adligen und Standesherren und
des Regenten, dem er die rotenburger Quart zuwendete und dem er eine Er-
sparniß von 300,000 Thlr. etatswidrig zu militärischen Spielereien opferte.
Man fragt umsonst nach den tieferen Zwecken einer solchen Politik, man
müßte sie denn darin finden wollen, daß er schließlich den doppelten Minister¬
gehalt bezog und sogar 8000 Thlr. nachgezahlt verlangte.

War es möglich, daß ein Land vor einem solchen Negierungshaupt Achtung
oder Vertrauen zu ihm fühlte? Wäre es nicht vielmehr natürlich gewesen,
wenn es den Widerwillen gegen einen solchen Minister auf denjenigen, der
ihn berufen hatte, auf die Obrigkeit überhaupt, die er vertrat, übertrage»
hätte? Mußte nicht die dringendste Pflicht gebieten, dem vorzubeugen, den
bösen Eindruck jenes Regiments durch einen anderen erfreulichen zu entkräf¬
ten? Statt dessen wurde das Treiben Hassenpflugs auch nach seiner Entlas¬
sung bis 1848, zuletzt nur noch offener, man könnte beinahe sagen ehrlicher,
aber auch fanatischer sortgesetzt. E,s wäre nutzlos, diese Verwaltungsperiode
im Einzelnen zu verfolgen, genug, ihr Charakter war die vollständige Ver-
neinung jeder Bedeutung des Landtags, die offenbare Verhöhnung desselben
und das allgemeine Bestreben, jedes verfassungsmäßige Recht der .Kammer
und der Einzelnen zu umgehen, zu verkürzen und illusorisch zu machen.

Man hätte erwarten sollen, daß 1848, als die Regierungen ohnmächtig
und gelähmt waren, der Grimm der Kurhessen sich gewaltig erhoben, jeder
Obrigkeit Anerkennung verweigert, denjenigen, die das Land so lange alß'
handelt hatten, mit Schimpf und Gewalt vergolten hätte, daß der durch die Künste
der Regierungen herabgewürdigte Constitutionalismus. bei Seite geschoben wor¬
den wäre, um einer Republik, vielleicht wilder Anarchie Platz zu machen. Aber
von alle dem geschah nichts. Nur in einer Stadt, in Hanau. wo sich auch
aus den benachbarten Staaten bewaffnete Massen gesammelt hatten, schienen
Excesse zu drohen, allein auch diese Stadt kehrte schnell zu vollständiger Ord¬
nung zurück, als das Ministerium Eberhard an die Spitze trat. Selbst w
jenen bewegten Tagen hatte das Volk in seinen Petitionen keine anderen
Forderungen als: Entfernung der verhaßten Mitglieder der Negierung, Erlaß
lange versprochener Gesetze, Sicherung des öffentlichen Rechts und der Ein¬
zelnen gegen die polizeiliche Willkür der eben vergangenen Jahre. In einer
Ruhe und Loyalität, welche dem entsprach, wurden, fast wie im tiefsten Fne'
den, zahlreiche Gesetze berathen und erlassen, Gesetze so conservativ, wie sie
in andern Staaten nicht einmal zur Zeit der blühenden Reaction erschienen
sind, ein Ablösungsgcsetz. das den Berechtigten die abzulösenden Leistungen
zum zwanzigfachen Capitalbetrag vergütet, ja — das einzige der Art in gM
Deutschland! — ein Gesetz, durch welches den Jagdberechtigten sür die weg'
fallende Jagd eine, wenn auch geringe Entschädigung zugesprochen wird-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/174>, abgerufen am 14.06.2024.