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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Dem Kurfürsten selbst, der die Einkünfte der rotcnburger Quart seit langen
Jahren bezogen hatte, indem den Ständen das Gericht verweigert wurde und
der von ihnen angerufene Bundestag sich für incompetent erklärte, wurden
alle diejenigen Einkünfte, die er schon bezogen hatte, zum Opfer gebracht.
So handelte das hessische Volt, obwol Nahrungslosigkeit überHand nahm,
obwol die Verwirrung der deutschen Verhältnisse auf den Gipfel stieg und
immer neuer Stoff zur Unzufriedenheit sich bot, obwol endlich das Haupt des
Staates selbst zur Befestigung des Vertrauens nichts beitrug.

Da erscheint Hassenpflug. der Verhaßteste, der ausgemachteste Feind con-
stiwtioneller Ordnung. Daß er überhaupt erscheinen konnte und zu erscheinen
wogte, beweist, wie der Kurfürst ebenso wie er selbst auf die Loyalität der Unter,
thauen baute; wahrhaftig, man wundert sich, wie es in jener aufgeregten
Zeit möglich war. daß ein Hasscnpflng über die Grenze hereinkommen und
>in Lande bleiben konnte! Er tritt auf mit vieldeutigen Erklärungen, ver¬
weigert alsbald einen bestimmten Nachweis über den Eid auf die Verfassung,
verbietet dem Landtagscommissar, das fast einstimmige Mißtrauensvotum der
Kammer an die Staatsregierung abzugeben, verlangt eine Geldbewilligung
von 644,000 Thlr. aus unveräußerlichen, zu besondern Zwecken bestimmten,
"und den Stantsgläubigern verpfändeten Geldern, den Laudcmialgeldern; den
Bedarf sucht er damit zu begründen, daß er den augenblicklichen Kassenbcstand
lohne Rücksicht auf die noch zufließenden Einnahmen) als unzureichend für die
^vorstehenden Ausgaben bezeichnet, während die Hauptstaatskasse selbst in
'i"er Berichten bemerkt, daß daraus kein Deficit folge, obgleich er selbst das
Budget des Ministeriums Eberhard, das noch Einnahmen nachwies, nicht zu¬
rückzieht und obgleich der Etat der Ausgaben noch nicht festgestellt ist. Natür¬
lich lehnt der Landtag, seiner Pflicht gemäß, die Forderung ab. Er wird per¬
iod. Als er wieder einberufen ist, verlangt man sofort, wiederum ohne
Nachweis eines Deficits (das in der That nicht vorhanden war), ohne Zurück¬
nahme des vom vorigen Ministerium vorgelegten Budgets, ohne Vorlegung
Niles andern und vor einer Feststellung der Etats, einen Credit von 760,000
5dir. Der Landtag wendet sich sofort zur Prüfung des Budgets und lehnt
^e Proposition ab! Da mit demselben Monat (Juni 1850) die sechs Mo-
"ale ablaufen, über die hinaus nach der Verfassung von 1831 die Steuern
nicht forterhoben werden dürfen, fordert Hassenpflug die Genehmigung zur
Torterhebung der Steuern. Die Stündeversammlung will darüber -- von der
^schnftsordnung zu Gunsten der Regierung abweichend -- sogleich in Be-
Eichung treten, sobald sie nur den eben im Druck befindlichen Bericht ihres
Ausschusses gelesen hat. da -- erfolgt die Auflösung. Nun hätten keine Steuern
'"ehr erhoben werden können, bis die neue Kammer zusammentrat. Deshalb
^"ehmigt der verfassungsmäßig bleibende ständische Ausschuß, obschon er dazu


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Dem Kurfürsten selbst, der die Einkünfte der rotcnburger Quart seit langen
Jahren bezogen hatte, indem den Ständen das Gericht verweigert wurde und
der von ihnen angerufene Bundestag sich für incompetent erklärte, wurden
alle diejenigen Einkünfte, die er schon bezogen hatte, zum Opfer gebracht.
So handelte das hessische Volt, obwol Nahrungslosigkeit überHand nahm,
obwol die Verwirrung der deutschen Verhältnisse auf den Gipfel stieg und
immer neuer Stoff zur Unzufriedenheit sich bot, obwol endlich das Haupt des
Staates selbst zur Befestigung des Vertrauens nichts beitrug.

Da erscheint Hassenpflug. der Verhaßteste, der ausgemachteste Feind con-
stiwtioneller Ordnung. Daß er überhaupt erscheinen konnte und zu erscheinen
wogte, beweist, wie der Kurfürst ebenso wie er selbst auf die Loyalität der Unter,
thauen baute; wahrhaftig, man wundert sich, wie es in jener aufgeregten
Zeit möglich war. daß ein Hasscnpflng über die Grenze hereinkommen und
>in Lande bleiben konnte! Er tritt auf mit vieldeutigen Erklärungen, ver¬
weigert alsbald einen bestimmten Nachweis über den Eid auf die Verfassung,
verbietet dem Landtagscommissar, das fast einstimmige Mißtrauensvotum der
Kammer an die Staatsregierung abzugeben, verlangt eine Geldbewilligung
von 644,000 Thlr. aus unveräußerlichen, zu besondern Zwecken bestimmten,
«und den Stantsgläubigern verpfändeten Geldern, den Laudcmialgeldern; den
Bedarf sucht er damit zu begründen, daß er den augenblicklichen Kassenbcstand
lohne Rücksicht auf die noch zufließenden Einnahmen) als unzureichend für die
^vorstehenden Ausgaben bezeichnet, während die Hauptstaatskasse selbst in
'i«er Berichten bemerkt, daß daraus kein Deficit folge, obgleich er selbst das
Budget des Ministeriums Eberhard, das noch Einnahmen nachwies, nicht zu¬
rückzieht und obgleich der Etat der Ausgaben noch nicht festgestellt ist. Natür¬
lich lehnt der Landtag, seiner Pflicht gemäß, die Forderung ab. Er wird per¬
iod. Als er wieder einberufen ist, verlangt man sofort, wiederum ohne
Nachweis eines Deficits (das in der That nicht vorhanden war), ohne Zurück¬
nahme des vom vorigen Ministerium vorgelegten Budgets, ohne Vorlegung
Niles andern und vor einer Feststellung der Etats, einen Credit von 760,000
5dir. Der Landtag wendet sich sofort zur Prüfung des Budgets und lehnt
^e Proposition ab! Da mit demselben Monat (Juni 1850) die sechs Mo-
"ale ablaufen, über die hinaus nach der Verfassung von 1831 die Steuern
nicht forterhoben werden dürfen, fordert Hassenpflug die Genehmigung zur
Torterhebung der Steuern. Die Stündeversammlung will darüber — von der
^schnftsordnung zu Gunsten der Regierung abweichend — sogleich in Be-
Eichung treten, sobald sie nur den eben im Druck befindlichen Bericht ihres
Ausschusses gelesen hat. da — erfolgt die Auflösung. Nun hätten keine Steuern
'"ehr erhoben werden können, bis die neue Kammer zusammentrat. Deshalb
^"ehmigt der verfassungsmäßig bleibende ständische Ausschuß, obschon er dazu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/175>, abgerufen am 15.06.2024.