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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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gebrochenen eisernen Klammern entstanden, und es war das Natürlichste, hier¬
mit das glücklicherweise nicht vollendete Zerstörungswerk zu beginnen.
(Jedenfalls nicht die Gothen und Vandalen). Am tiefsten ist Rom gesunken
Und verödet in dem Jahrhundert von der Verlegung des päpstlichen Stuhls
nach Avignon (1305) bis zum Ende des großen Schisma (1417). " Die an¬
schaulichste Schilderung des damaligen Zustandes der Stadt finden wir in den
Ehrenden Klagen Petrarcas, der im Jahr 1335 nach Rom kam. Er hatte
^es schon in früher Jugend mit feuriger Begeisterung dem Alterthum zuge¬
wandt. Wie sein Geist hingerissen war von der Sprache und Denkweise der
Rassischer Schriftsteller, so erhob sich derselbe auch von der Zerrissenheit, der
^erderbtheit, dem Elend und der Schwäche der Gegenwart über Jahrhun¬
derte hinweg in das Gebiet des Alterthums, wo er mächtige Thatkraft und
die edelsten Tugenden der Großmuth, des Edelsinns und der Vaterlandsliebe,
welche in dem damaligen Italien erstorben zu sein schienen, erblickte. Aus den
Schilderungen in den Briefen Petrarcas und den Darstellungen der Revo¬
lution des Coka ti Nienzo läßt sich annäherungsweise ein Bild des dcuna-
u^en Rom gewinnen. Die Stadt schien einer völligen Entvölkerung entgegen-
üUgehn; ^se alle Kirchen waren verlassen und standen mit eingestürzten Dach
Und sinkenden Mauern da; unregelmäßig zerstreute Hütten bildeten den be¬
lohnten Theil von Rom; nach einer Notiz, deren Glaubwürdigkeit freilich be¬
ritten ist, betrug die Einwohnerzahl von Rom kurz vor der Rückkehr der
^"pste von Avignon nur 17,000. Mit Ausnahme des Capitols. wo schon
damals der Sitz der Municipalität war, waren die andern Hügel des alten
N'ins gänzlich verödet, besonders auch wol infolge der Zerstörung der Wasser-
Zungen, welche früher das Wasser auf die Höhen geführt hatten. -- So
man auch wol behaupten, daß damals die Denkmäler des Alterthums
'w Wesentlichen denselben Zustand der Verlassenheit und Zerstörung zeigten,
^ welchem wir sie bei der Wiederherstellung der Päpste im 15. Jahrhundert
luden. Petrarca hat keine andern hervorragenden Gebäude des Alterthums
lehr gesehn, als die auch noch jetzt existiren; wenigstens nennt er keine mit
usnahme des Septizonium des Septimius Severus. welches erst Sixtus zer-
hat. Auch an Bildwerken hatte sich nur weniges über der Erde erbat¬
en; die Bronzestatuen waren längst eingeschmolzen; die Marmorwerke waren
on Kalk verbrannt, oder in Stücke geschlagen und als Bausteine verbraucht,
""d die Sarkophage dienten als Wassertröge für das Vieh. Die Meister¬
werke der Sculptur. welche wir jetzt in Rom bewundern, hatte damals zum
^"ßten Theil ein günstiges Geschick unter der Erde vergraben. Von bedeu-
enderen Kunstwerken wird aus jener Zeit nur die schöne bronzene Reitersta-
Ue des Marc Aurel erwähnt, welche jetzt auf dem Platze des Capitols steht,
'"d die damals beim Lateran stand. Und diese hat wahrscheinlich nur die


^renzdoten I. 1859. 29

gebrochenen eisernen Klammern entstanden, und es war das Natürlichste, hier¬
mit das glücklicherweise nicht vollendete Zerstörungswerk zu beginnen.
(Jedenfalls nicht die Gothen und Vandalen). Am tiefsten ist Rom gesunken
Und verödet in dem Jahrhundert von der Verlegung des päpstlichen Stuhls
nach Avignon (1305) bis zum Ende des großen Schisma (1417). « Die an¬
schaulichste Schilderung des damaligen Zustandes der Stadt finden wir in den
Ehrenden Klagen Petrarcas, der im Jahr 1335 nach Rom kam. Er hatte
^es schon in früher Jugend mit feuriger Begeisterung dem Alterthum zuge¬
wandt. Wie sein Geist hingerissen war von der Sprache und Denkweise der
Rassischer Schriftsteller, so erhob sich derselbe auch von der Zerrissenheit, der
^erderbtheit, dem Elend und der Schwäche der Gegenwart über Jahrhun¬
derte hinweg in das Gebiet des Alterthums, wo er mächtige Thatkraft und
die edelsten Tugenden der Großmuth, des Edelsinns und der Vaterlandsliebe,
welche in dem damaligen Italien erstorben zu sein schienen, erblickte. Aus den
Schilderungen in den Briefen Petrarcas und den Darstellungen der Revo¬
lution des Coka ti Nienzo läßt sich annäherungsweise ein Bild des dcuna-
u^en Rom gewinnen. Die Stadt schien einer völligen Entvölkerung entgegen-
üUgehn; ^se alle Kirchen waren verlassen und standen mit eingestürzten Dach
Und sinkenden Mauern da; unregelmäßig zerstreute Hütten bildeten den be¬
lohnten Theil von Rom; nach einer Notiz, deren Glaubwürdigkeit freilich be¬
ritten ist, betrug die Einwohnerzahl von Rom kurz vor der Rückkehr der
^"pste von Avignon nur 17,000. Mit Ausnahme des Capitols. wo schon
damals der Sitz der Municipalität war, waren die andern Hügel des alten
N'ins gänzlich verödet, besonders auch wol infolge der Zerstörung der Wasser-
Zungen, welche früher das Wasser auf die Höhen geführt hatten. — So
man auch wol behaupten, daß damals die Denkmäler des Alterthums
'w Wesentlichen denselben Zustand der Verlassenheit und Zerstörung zeigten,
^ welchem wir sie bei der Wiederherstellung der Päpste im 15. Jahrhundert
luden. Petrarca hat keine andern hervorragenden Gebäude des Alterthums
lehr gesehn, als die auch noch jetzt existiren; wenigstens nennt er keine mit
usnahme des Septizonium des Septimius Severus. welches erst Sixtus zer-
hat. Auch an Bildwerken hatte sich nur weniges über der Erde erbat¬
en; die Bronzestatuen waren längst eingeschmolzen; die Marmorwerke waren
on Kalk verbrannt, oder in Stücke geschlagen und als Bausteine verbraucht,
""d die Sarkophage dienten als Wassertröge für das Vieh. Die Meister¬
werke der Sculptur. welche wir jetzt in Rom bewundern, hatte damals zum
^»ßten Theil ein günstiges Geschick unter der Erde vergraben. Von bedeu-
enderen Kunstwerken wird aus jener Zeit nur die schöne bronzene Reitersta-
Ue des Marc Aurel erwähnt, welche jetzt auf dem Platze des Capitols steht,
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[0235] gebrochenen eisernen Klammern entstanden, und es war das Natürlichste, hier¬ mit das glücklicherweise nicht vollendete Zerstörungswerk zu beginnen. (Jedenfalls nicht die Gothen und Vandalen). Am tiefsten ist Rom gesunken Und verödet in dem Jahrhundert von der Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon (1305) bis zum Ende des großen Schisma (1417). « Die an¬ schaulichste Schilderung des damaligen Zustandes der Stadt finden wir in den Ehrenden Klagen Petrarcas, der im Jahr 1335 nach Rom kam. Er hatte ^es schon in früher Jugend mit feuriger Begeisterung dem Alterthum zuge¬ wandt. Wie sein Geist hingerissen war von der Sprache und Denkweise der Rassischer Schriftsteller, so erhob sich derselbe auch von der Zerrissenheit, der ^erderbtheit, dem Elend und der Schwäche der Gegenwart über Jahrhun¬ derte hinweg in das Gebiet des Alterthums, wo er mächtige Thatkraft und die edelsten Tugenden der Großmuth, des Edelsinns und der Vaterlandsliebe, welche in dem damaligen Italien erstorben zu sein schienen, erblickte. Aus den Schilderungen in den Briefen Petrarcas und den Darstellungen der Revo¬ lution des Coka ti Nienzo läßt sich annäherungsweise ein Bild des dcuna- u^en Rom gewinnen. Die Stadt schien einer völligen Entvölkerung entgegen- üUgehn; ^se alle Kirchen waren verlassen und standen mit eingestürzten Dach Und sinkenden Mauern da; unregelmäßig zerstreute Hütten bildeten den be¬ lohnten Theil von Rom; nach einer Notiz, deren Glaubwürdigkeit freilich be¬ ritten ist, betrug die Einwohnerzahl von Rom kurz vor der Rückkehr der ^"pste von Avignon nur 17,000. Mit Ausnahme des Capitols. wo schon damals der Sitz der Municipalität war, waren die andern Hügel des alten N'ins gänzlich verödet, besonders auch wol infolge der Zerstörung der Wasser- Zungen, welche früher das Wasser auf die Höhen geführt hatten. — So man auch wol behaupten, daß damals die Denkmäler des Alterthums 'w Wesentlichen denselben Zustand der Verlassenheit und Zerstörung zeigten, ^ welchem wir sie bei der Wiederherstellung der Päpste im 15. Jahrhundert luden. Petrarca hat keine andern hervorragenden Gebäude des Alterthums lehr gesehn, als die auch noch jetzt existiren; wenigstens nennt er keine mit usnahme des Septizonium des Septimius Severus. welches erst Sixtus zer- hat. Auch an Bildwerken hatte sich nur weniges über der Erde erbat¬ en; die Bronzestatuen waren längst eingeschmolzen; die Marmorwerke waren on Kalk verbrannt, oder in Stücke geschlagen und als Bausteine verbraucht, ""d die Sarkophage dienten als Wassertröge für das Vieh. Die Meister¬ werke der Sculptur. welche wir jetzt in Rom bewundern, hatte damals zum ^»ßten Theil ein günstiges Geschick unter der Erde vergraben. Von bedeu- enderen Kunstwerken wird aus jener Zeit nur die schöne bronzene Reitersta- Ue des Marc Aurel erwähnt, welche jetzt auf dem Platze des Capitols steht, '"d die damals beim Lateran stand. Und diese hat wahrscheinlich nur die ^renzdoten I. 1859. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/235>, abgerufen am 16.06.2024.