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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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im Mittelalter verbreitete irrthümliche Meinung, daß es eine Statue des Kon¬
stantin, des christlichen Kaisers sei, vor dem Schicksal des Einschmelzens be¬
wahrt. --

Mit der Rückkehr des damals unermeßlich reichen päpstlichen Hofes nach
Rom (1447) beginnt freilich für die Stadt ein neues Leben; die wieder zu¬
nehmende Bevölkerung machte das Bedürfniß von Wohnungen fühlbar, und
alle jetzt bewohnten Stadttheile sind erst seit jener Zeit und namentlich erst
seit dem 16. Jahrhundert entstanden. Aber da die Römer damals im hoch'
sten Grade barbarisch waren, so ward die Herstellung des Verfallenen wieder
eine neue Ursache der Zerstörung. Nämlich man benutzte jetzt wieder die an¬
tiken Bauwerke einfach als Baumaterial. Um zu zeigen, in'welchem Umfange
dies geschah, genügt es die eine Thatsache anzuführen, daß in der nächst'
folgenden Zeit drei der größten Paläste des gegenwärtigen Rom zum großen
Theil aus Steinen gebaut sind, die man vom Colosseum weggenommen
hatte, nämlich der venetianische Palast, die von Bramante gebaute Cancel-
leria Necchia und der Palast Farnese. Um bei dieser Gelegenheit die Ge'
schichte des Colosseums gleich zu Ende zu führen, will ich noch erwähnen,
daß Sixtus V. in demselben eine Tuchfabrik anlegen wollte, eine Absicht, an
deren Ausführung ihn nur der Tod hinderte. Im Anfange des vorigen Jahr'
Hunderts kam Clemens XI. auf den Einfall, das alte Mauerwerk des Colos¬
seums zur Gewinnung von Salpeter zu benutzen; er ließ deshalb die unteren
Bogengänge zumauern und zur Erzeugung des Salpeters mit Mist anfüllen-
Auch wurden die Steine des Colosseums noch zum Bau des Hafens an der
Nipetta verwandt. Erst dem gelehrten Papst Benedict XIV. gebührt der
Ruhm, die trotz aller Verwüstung noch gewaltigen Trümmer dieses riesenhaf'
ten Baues vor weiterer Zerstörung bewahrt zu haben. Aehnliche Züge von
Barbarei, wie die eben erwähnten, ließen sich noch manche einzelne aus den
letzten Jahrhunderten anführen. So ist z. B. das Pantheon, der schöne und
in der Hauptsache gut erhaltene Bau des Agrippa, noch im 17. Jahrhundert
unter Papst Urban VIII. schmählich verunstaltet und beraubt. Dieser Papst
nämlich ließ vorn an beiden Seiten der Kuppel die beiden geschmacklosen
Glockenthürme aufführen, deren Angabe von Bernini herrührt, und die der
römische Volkswitz deshalb die Eselsohren des Bernini nennt. Ebenderselbe
Urban VIII. ließ aus der Vorhalle des Pantheon den aus mächtigen Balken
von vergoldeter Bronze gebildeten Dachstuhl -- etwa 450,000 Pfund Mta"
-- wegnehmen, um daraus theils Kanonen für die Engelsburg zu gieße"
und theils daraus das ebenso kolossale als geschmacklose Tabernakel über den'
Hauptaltar der Peterskirche zu verfertigen. Dieser am Pantheon verübte
Raub gab zu dem noch jetzt im Munde der Römer lebenden Spottverse de ^
Pasquiuo Veranlassung "Huvd non t'eeerunt. Lardari, leevrunt LarverllU


im Mittelalter verbreitete irrthümliche Meinung, daß es eine Statue des Kon¬
stantin, des christlichen Kaisers sei, vor dem Schicksal des Einschmelzens be¬
wahrt. —

Mit der Rückkehr des damals unermeßlich reichen päpstlichen Hofes nach
Rom (1447) beginnt freilich für die Stadt ein neues Leben; die wieder zu¬
nehmende Bevölkerung machte das Bedürfniß von Wohnungen fühlbar, und
alle jetzt bewohnten Stadttheile sind erst seit jener Zeit und namentlich erst
seit dem 16. Jahrhundert entstanden. Aber da die Römer damals im hoch'
sten Grade barbarisch waren, so ward die Herstellung des Verfallenen wieder
eine neue Ursache der Zerstörung. Nämlich man benutzte jetzt wieder die an¬
tiken Bauwerke einfach als Baumaterial. Um zu zeigen, in'welchem Umfange
dies geschah, genügt es die eine Thatsache anzuführen, daß in der nächst'
folgenden Zeit drei der größten Paläste des gegenwärtigen Rom zum großen
Theil aus Steinen gebaut sind, die man vom Colosseum weggenommen
hatte, nämlich der venetianische Palast, die von Bramante gebaute Cancel-
leria Necchia und der Palast Farnese. Um bei dieser Gelegenheit die Ge'
schichte des Colosseums gleich zu Ende zu führen, will ich noch erwähnen,
daß Sixtus V. in demselben eine Tuchfabrik anlegen wollte, eine Absicht, an
deren Ausführung ihn nur der Tod hinderte. Im Anfange des vorigen Jahr'
Hunderts kam Clemens XI. auf den Einfall, das alte Mauerwerk des Colos¬
seums zur Gewinnung von Salpeter zu benutzen; er ließ deshalb die unteren
Bogengänge zumauern und zur Erzeugung des Salpeters mit Mist anfüllen-
Auch wurden die Steine des Colosseums noch zum Bau des Hafens an der
Nipetta verwandt. Erst dem gelehrten Papst Benedict XIV. gebührt der
Ruhm, die trotz aller Verwüstung noch gewaltigen Trümmer dieses riesenhaf'
ten Baues vor weiterer Zerstörung bewahrt zu haben. Aehnliche Züge von
Barbarei, wie die eben erwähnten, ließen sich noch manche einzelne aus den
letzten Jahrhunderten anführen. So ist z. B. das Pantheon, der schöne und
in der Hauptsache gut erhaltene Bau des Agrippa, noch im 17. Jahrhundert
unter Papst Urban VIII. schmählich verunstaltet und beraubt. Dieser Papst
nämlich ließ vorn an beiden Seiten der Kuppel die beiden geschmacklosen
Glockenthürme aufführen, deren Angabe von Bernini herrührt, und die der
römische Volkswitz deshalb die Eselsohren des Bernini nennt. Ebenderselbe
Urban VIII. ließ aus der Vorhalle des Pantheon den aus mächtigen Balken
von vergoldeter Bronze gebildeten Dachstuhl — etwa 450,000 Pfund Mta»
— wegnehmen, um daraus theils Kanonen für die Engelsburg zu gieße"
und theils daraus das ebenso kolossale als geschmacklose Tabernakel über den'
Hauptaltar der Peterskirche zu verfertigen. Dieser am Pantheon verübte
Raub gab zu dem noch jetzt im Munde der Römer lebenden Spottverse de ^
Pasquiuo Veranlassung „Huvd non t'eeerunt. Lardari, leevrunt LarverllU


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[0236] im Mittelalter verbreitete irrthümliche Meinung, daß es eine Statue des Kon¬ stantin, des christlichen Kaisers sei, vor dem Schicksal des Einschmelzens be¬ wahrt. — Mit der Rückkehr des damals unermeßlich reichen päpstlichen Hofes nach Rom (1447) beginnt freilich für die Stadt ein neues Leben; die wieder zu¬ nehmende Bevölkerung machte das Bedürfniß von Wohnungen fühlbar, und alle jetzt bewohnten Stadttheile sind erst seit jener Zeit und namentlich erst seit dem 16. Jahrhundert entstanden. Aber da die Römer damals im hoch' sten Grade barbarisch waren, so ward die Herstellung des Verfallenen wieder eine neue Ursache der Zerstörung. Nämlich man benutzte jetzt wieder die an¬ tiken Bauwerke einfach als Baumaterial. Um zu zeigen, in'welchem Umfange dies geschah, genügt es die eine Thatsache anzuführen, daß in der nächst' folgenden Zeit drei der größten Paläste des gegenwärtigen Rom zum großen Theil aus Steinen gebaut sind, die man vom Colosseum weggenommen hatte, nämlich der venetianische Palast, die von Bramante gebaute Cancel- leria Necchia und der Palast Farnese. Um bei dieser Gelegenheit die Ge' schichte des Colosseums gleich zu Ende zu führen, will ich noch erwähnen, daß Sixtus V. in demselben eine Tuchfabrik anlegen wollte, eine Absicht, an deren Ausführung ihn nur der Tod hinderte. Im Anfange des vorigen Jahr' Hunderts kam Clemens XI. auf den Einfall, das alte Mauerwerk des Colos¬ seums zur Gewinnung von Salpeter zu benutzen; er ließ deshalb die unteren Bogengänge zumauern und zur Erzeugung des Salpeters mit Mist anfüllen- Auch wurden die Steine des Colosseums noch zum Bau des Hafens an der Nipetta verwandt. Erst dem gelehrten Papst Benedict XIV. gebührt der Ruhm, die trotz aller Verwüstung noch gewaltigen Trümmer dieses riesenhaf' ten Baues vor weiterer Zerstörung bewahrt zu haben. Aehnliche Züge von Barbarei, wie die eben erwähnten, ließen sich noch manche einzelne aus den letzten Jahrhunderten anführen. So ist z. B. das Pantheon, der schöne und in der Hauptsache gut erhaltene Bau des Agrippa, noch im 17. Jahrhundert unter Papst Urban VIII. schmählich verunstaltet und beraubt. Dieser Papst nämlich ließ vorn an beiden Seiten der Kuppel die beiden geschmacklosen Glockenthürme aufführen, deren Angabe von Bernini herrührt, und die der römische Volkswitz deshalb die Eselsohren des Bernini nennt. Ebenderselbe Urban VIII. ließ aus der Vorhalle des Pantheon den aus mächtigen Balken von vergoldeter Bronze gebildeten Dachstuhl — etwa 450,000 Pfund Mta» — wegnehmen, um daraus theils Kanonen für die Engelsburg zu gieße" und theils daraus das ebenso kolossale als geschmacklose Tabernakel über den' Hauptaltar der Peterskirche zu verfertigen. Dieser am Pantheon verübte Raub gab zu dem noch jetzt im Munde der Römer lebenden Spottverse de ^ Pasquiuo Veranlassung „Huvd non t'eeerunt. Lardari, leevrunt LarverllU

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/236>, abgerufen am 23.05.2024.