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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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oder gänzliche Uuzukömmlichkeit einer Restauration des Hauses Lothringen
nachwies. Würde diese Restauration durchgesetzt, so hieß es in diesem
Memorandum, dann können nur Haß und Mißtrauen von beiden
Seiten fortan in Toscana regieren; Ruhe sei nicht möglich, beständiger Un¬
frieden werde das Land durchwühlen; die Armee, welche sonst in Ländern,
wo revolutionäre Bewegungen zu fürchten seien, der natürliche Wächter der
öffentlichen Ruhe, der natürliche Vertheidiger der Regierung sei, könne in
Toscana diese Rolle nicht übernehmen, sie grade sei gegenüber der alten Re¬
gierung am meisten compromittirt. am entschiedensten gegen diese aufgetreten.
Also nur auf fremde Intervention, auf fremde Truppen würde die
Restauration des Hauses Lothringen sich stützen können. Und was sei
Gutes in diesem Falle zu erwarten? Man solle auch nicht übersehen, daß
Oestreich nur widerwillig den Frieden von Villafranca angenommen habe,
und jede Gelegenheit, welche die Lage Europas biete, benutzen werde, um
sich wieder in den Besitz der Lombardei zu setzen. Würde nun das Haus
Lothringen in Toscana restaurirt. so würde dieses Land in jedem solchen
Falle genau wieder in dieselbe Lage kommen, wie im Jahre , 1859. Korne
Europa einen Zustand verewigen wollen, bei welchem Toscana fortwährend
gezwungen sei. all sein Glück auf eine Revolution zu setzen, um es schließlich
wieder an die Restauration zu verlieren? Der Großherzog hatte schon Ende
Juli zu Gunsten seines 1835 gebornen Sohnes Ferdinand dem Throne von
Toscana entsagt, und diese Thronentsagung gegen Mitte August dem Kaiser
Napoleon angezeigt. Dieser Anzeige folgte der junge Großherzog persönlich
auf dem Fuße. Schön am 16. August traf er in Paris ein, um hier selbst
seine Sache bei Napoleon zu vertreten. Oestreich, welches über das bekannte
Auftreten der mittelitalicnischcn Bevölkerungen im beständigen Einklang mit
Piemont von Anbeginn nicht wenig betroffen war. hatte alsbald den Fürsten
Richard Metternich nach Paris gesendet, um sich wenigstens dessen zu versichern,
daß der Kaiser Napoleon an den Bedingungen des Friedens von Villafranca,
also ein der Restauration, festhalte, und womöglich denselben zu einem kräf¬
tigen Einschreiten behufs dieser Restauration zu bestimmen; Oestreich hatte
dann auch wohl dem Großherzog Leopold die Thronentsagung zu Gunsten
seines Sohnes angerathen. Während das Volk in Florenz die Nachricht von
dieser Thronentsagung mit Spottliedcrn aus den Erbgvoßherzog Ferdinand be¬
grüßte, in welchen ihm vorgeworfen ward, er habe Florenz wollen bombar-
diren lassen, drückt sich das Memorandum der Negierung von Toscana über
diesen Act etwa folgendermaßen aus: Die Regierung von Toscana begreife
recht wohl, daß andere Mächte geneigt sein möchten, dem Act der Thronent¬
sagung, namentlich, wenn der Erzherzog Ferdinand ihr ein constitutionelles
und liberales Programm folgen ließe, ein großes Gewicht beizulegen; dies


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oder gänzliche Uuzukömmlichkeit einer Restauration des Hauses Lothringen
nachwies. Würde diese Restauration durchgesetzt, so hieß es in diesem
Memorandum, dann können nur Haß und Mißtrauen von beiden
Seiten fortan in Toscana regieren; Ruhe sei nicht möglich, beständiger Un¬
frieden werde das Land durchwühlen; die Armee, welche sonst in Ländern,
wo revolutionäre Bewegungen zu fürchten seien, der natürliche Wächter der
öffentlichen Ruhe, der natürliche Vertheidiger der Regierung sei, könne in
Toscana diese Rolle nicht übernehmen, sie grade sei gegenüber der alten Re¬
gierung am meisten compromittirt. am entschiedensten gegen diese aufgetreten.
Also nur auf fremde Intervention, auf fremde Truppen würde die
Restauration des Hauses Lothringen sich stützen können. Und was sei
Gutes in diesem Falle zu erwarten? Man solle auch nicht übersehen, daß
Oestreich nur widerwillig den Frieden von Villafranca angenommen habe,
und jede Gelegenheit, welche die Lage Europas biete, benutzen werde, um
sich wieder in den Besitz der Lombardei zu setzen. Würde nun das Haus
Lothringen in Toscana restaurirt. so würde dieses Land in jedem solchen
Falle genau wieder in dieselbe Lage kommen, wie im Jahre , 1859. Korne
Europa einen Zustand verewigen wollen, bei welchem Toscana fortwährend
gezwungen sei. all sein Glück auf eine Revolution zu setzen, um es schließlich
wieder an die Restauration zu verlieren? Der Großherzog hatte schon Ende
Juli zu Gunsten seines 1835 gebornen Sohnes Ferdinand dem Throne von
Toscana entsagt, und diese Thronentsagung gegen Mitte August dem Kaiser
Napoleon angezeigt. Dieser Anzeige folgte der junge Großherzog persönlich
auf dem Fuße. Schön am 16. August traf er in Paris ein, um hier selbst
seine Sache bei Napoleon zu vertreten. Oestreich, welches über das bekannte
Auftreten der mittelitalicnischcn Bevölkerungen im beständigen Einklang mit
Piemont von Anbeginn nicht wenig betroffen war. hatte alsbald den Fürsten
Richard Metternich nach Paris gesendet, um sich wenigstens dessen zu versichern,
daß der Kaiser Napoleon an den Bedingungen des Friedens von Villafranca,
also ein der Restauration, festhalte, und womöglich denselben zu einem kräf¬
tigen Einschreiten behufs dieser Restauration zu bestimmen; Oestreich hatte
dann auch wohl dem Großherzog Leopold die Thronentsagung zu Gunsten
seines Sohnes angerathen. Während das Volk in Florenz die Nachricht von
dieser Thronentsagung mit Spottliedcrn aus den Erbgvoßherzog Ferdinand be¬
grüßte, in welchen ihm vorgeworfen ward, er habe Florenz wollen bombar-
diren lassen, drückt sich das Memorandum der Negierung von Toscana über
diesen Act etwa folgendermaßen aus: Die Regierung von Toscana begreife
recht wohl, daß andere Mächte geneigt sein möchten, dem Act der Thronent¬
sagung, namentlich, wenn der Erzherzog Ferdinand ihr ein constitutionelles
und liberales Programm folgen ließe, ein großes Gewicht beizulegen; dies


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/103>, abgerufen am 04.06.2024.