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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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lustig zu erklären. Der Berichterstatter über diese" Antrag. Advocat Ferdinand
Andrenucci motivirte denselben damit, daß der Großherzig 1849 gegen die
Verfassung die Oestreicher ins Land gerufen, daß er die Verfassung ab¬
geschafft, sich geweigert habe, mit seinem Volke den nationalen Krieg zu
führen und endlich in das Lager der Feinde Italiens übergegangen sei.
Der Antrag ward darauf am 16. von der Versammlung einstimmig an¬
genommen, ihm folgte auf dem Fuße der zweite, der auf Anschluß Toscanas an
Piemont, der sofort für erheblich erklärt und am 20. August zum Beschlusse
erhoben ward. Am 22. August gab darauf die Regierung durch ein Circular-
schreiben allen weltlichen, geistlichen, politischen und militärischen Behörden von
diesen wichtigen Beschlüssen Kunde; die Wappen des Großherzogs wurden sogleich
von allen öffentlichen Gebäuden entfernt, und am 25. verließ eine Deputation von
5 Männern, aus den Repräsentanten der wichtigsten Landcsstädte zusammengesetzt,
den Fürsten Strozzi an ihrer Spitze, Florenz, um sich nach Turin zu begeben
und hier dem König Victor Emanuel den Bericht über die Beschlüsse vom 16. und
20. August zu überbringen. Die Deputation von Toscana. welche über Li-
vorno und Genua, an welchem letzteren Orte sie jubelnd empfangen ward,
nach Turin ging, traf hier am 3. September ein und begab sich am selben
Tage zum König Victor Emanuel. In seiner ziemlich vorsichtig gehaltenen
Antwort versprach dieser, bei den stattfindenden Congreßverhandlungen die
Wünsche Toscanas kräftig vertreten zu wollen, und äußerte die sichre Hoffnung,
daß Europa denselben Gerechtigkeit wiederfahren lassen werde. In Folge
dieser Antwort ward von der Regierung Toscanas der Anschluß an Piemont
als eine abgemachte Sache angenommen; an den Palästen der früheren Groß-
Herzöge ward unverweilt das Wappen von Savoyen angebracht, und daran
gearbeitet, durch die Einführung des piemontesischen Münzfußes, Ge¬
wichts und Maßes, durch die Erleichterung der Communication zwischen den
beiden Ländern die Schwierigkeiten der definitiven Vereinigung zu beseitigen.
Durch eine Proclamation vom 30. September zeigte die Negierung an, daß
von jetzt ab die öffentliche Gewalt im Namen des erwählten Königs Victor
Emanuel gehandhabt werde, und durch eine zweite verkündete sie die Ein¬
führung der piemontesischen Münze mit dem Bilde des Königs. Es ward
alsbald mit der Umprägung des alten toscanischen Geldes in piemontesisches
der Anfang gemacht. Als charakteristisch müssen wir hierbei erwähnen, daß
später die Volksschullehrer in allen Gemeinden Toscanas den Austrag erhielten,
an den Sonntagen und an zwei Abenden jeder Woche vom 15. November ab
auf sechs Monate den Erwachsenen Unterricht über das neue Decimalsystem
zu ertheilen, welches mit diesem Beschlusse im Lande eingeführt ward. Neben
diesen Maßregeln hatte die Regierung schon am 24. August ein Memorandum
an alle europäischen Regierungen erlassen, in welchem sie die Unmöglichkeit


lustig zu erklären. Der Berichterstatter über diese» Antrag. Advocat Ferdinand
Andrenucci motivirte denselben damit, daß der Großherzig 1849 gegen die
Verfassung die Oestreicher ins Land gerufen, daß er die Verfassung ab¬
geschafft, sich geweigert habe, mit seinem Volke den nationalen Krieg zu
führen und endlich in das Lager der Feinde Italiens übergegangen sei.
Der Antrag ward darauf am 16. von der Versammlung einstimmig an¬
genommen, ihm folgte auf dem Fuße der zweite, der auf Anschluß Toscanas an
Piemont, der sofort für erheblich erklärt und am 20. August zum Beschlusse
erhoben ward. Am 22. August gab darauf die Regierung durch ein Circular-
schreiben allen weltlichen, geistlichen, politischen und militärischen Behörden von
diesen wichtigen Beschlüssen Kunde; die Wappen des Großherzogs wurden sogleich
von allen öffentlichen Gebäuden entfernt, und am 25. verließ eine Deputation von
5 Männern, aus den Repräsentanten der wichtigsten Landcsstädte zusammengesetzt,
den Fürsten Strozzi an ihrer Spitze, Florenz, um sich nach Turin zu begeben
und hier dem König Victor Emanuel den Bericht über die Beschlüsse vom 16. und
20. August zu überbringen. Die Deputation von Toscana. welche über Li-
vorno und Genua, an welchem letzteren Orte sie jubelnd empfangen ward,
nach Turin ging, traf hier am 3. September ein und begab sich am selben
Tage zum König Victor Emanuel. In seiner ziemlich vorsichtig gehaltenen
Antwort versprach dieser, bei den stattfindenden Congreßverhandlungen die
Wünsche Toscanas kräftig vertreten zu wollen, und äußerte die sichre Hoffnung,
daß Europa denselben Gerechtigkeit wiederfahren lassen werde. In Folge
dieser Antwort ward von der Regierung Toscanas der Anschluß an Piemont
als eine abgemachte Sache angenommen; an den Palästen der früheren Groß-
Herzöge ward unverweilt das Wappen von Savoyen angebracht, und daran
gearbeitet, durch die Einführung des piemontesischen Münzfußes, Ge¬
wichts und Maßes, durch die Erleichterung der Communication zwischen den
beiden Ländern die Schwierigkeiten der definitiven Vereinigung zu beseitigen.
Durch eine Proclamation vom 30. September zeigte die Negierung an, daß
von jetzt ab die öffentliche Gewalt im Namen des erwählten Königs Victor
Emanuel gehandhabt werde, und durch eine zweite verkündete sie die Ein¬
führung der piemontesischen Münze mit dem Bilde des Königs. Es ward
alsbald mit der Umprägung des alten toscanischen Geldes in piemontesisches
der Anfang gemacht. Als charakteristisch müssen wir hierbei erwähnen, daß
später die Volksschullehrer in allen Gemeinden Toscanas den Austrag erhielten,
an den Sonntagen und an zwei Abenden jeder Woche vom 15. November ab
auf sechs Monate den Erwachsenen Unterricht über das neue Decimalsystem
zu ertheilen, welches mit diesem Beschlusse im Lande eingeführt ward. Neben
diesen Maßregeln hatte die Regierung schon am 24. August ein Memorandum
an alle europäischen Regierungen erlassen, in welchem sie die Unmöglichkeit


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[0102] lustig zu erklären. Der Berichterstatter über diese» Antrag. Advocat Ferdinand Andrenucci motivirte denselben damit, daß der Großherzig 1849 gegen die Verfassung die Oestreicher ins Land gerufen, daß er die Verfassung ab¬ geschafft, sich geweigert habe, mit seinem Volke den nationalen Krieg zu führen und endlich in das Lager der Feinde Italiens übergegangen sei. Der Antrag ward darauf am 16. von der Versammlung einstimmig an¬ genommen, ihm folgte auf dem Fuße der zweite, der auf Anschluß Toscanas an Piemont, der sofort für erheblich erklärt und am 20. August zum Beschlusse erhoben ward. Am 22. August gab darauf die Regierung durch ein Circular- schreiben allen weltlichen, geistlichen, politischen und militärischen Behörden von diesen wichtigen Beschlüssen Kunde; die Wappen des Großherzogs wurden sogleich von allen öffentlichen Gebäuden entfernt, und am 25. verließ eine Deputation von 5 Männern, aus den Repräsentanten der wichtigsten Landcsstädte zusammengesetzt, den Fürsten Strozzi an ihrer Spitze, Florenz, um sich nach Turin zu begeben und hier dem König Victor Emanuel den Bericht über die Beschlüsse vom 16. und 20. August zu überbringen. Die Deputation von Toscana. welche über Li- vorno und Genua, an welchem letzteren Orte sie jubelnd empfangen ward, nach Turin ging, traf hier am 3. September ein und begab sich am selben Tage zum König Victor Emanuel. In seiner ziemlich vorsichtig gehaltenen Antwort versprach dieser, bei den stattfindenden Congreßverhandlungen die Wünsche Toscanas kräftig vertreten zu wollen, und äußerte die sichre Hoffnung, daß Europa denselben Gerechtigkeit wiederfahren lassen werde. In Folge dieser Antwort ward von der Regierung Toscanas der Anschluß an Piemont als eine abgemachte Sache angenommen; an den Palästen der früheren Groß- Herzöge ward unverweilt das Wappen von Savoyen angebracht, und daran gearbeitet, durch die Einführung des piemontesischen Münzfußes, Ge¬ wichts und Maßes, durch die Erleichterung der Communication zwischen den beiden Ländern die Schwierigkeiten der definitiven Vereinigung zu beseitigen. Durch eine Proclamation vom 30. September zeigte die Negierung an, daß von jetzt ab die öffentliche Gewalt im Namen des erwählten Königs Victor Emanuel gehandhabt werde, und durch eine zweite verkündete sie die Ein¬ führung der piemontesischen Münze mit dem Bilde des Königs. Es ward alsbald mit der Umprägung des alten toscanischen Geldes in piemontesisches der Anfang gemacht. Als charakteristisch müssen wir hierbei erwähnen, daß später die Volksschullehrer in allen Gemeinden Toscanas den Austrag erhielten, an den Sonntagen und an zwei Abenden jeder Woche vom 15. November ab auf sechs Monate den Erwachsenen Unterricht über das neue Decimalsystem zu ertheilen, welches mit diesem Beschlusse im Lande eingeführt ward. Neben diesen Maßregeln hatte die Regierung schon am 24. August ein Memorandum an alle europäischen Regierungen erlassen, in welchem sie die Unmöglichkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/102>, abgerufen am 29.05.2024.