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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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wurden dieselben vom Könige empfangen. Er antwortete ihnen ungefähr
wie den Toscanern. Er dankte für diese Beschlüsse und fügte hinzu, daß die
Bevölkerungen von Parma und Modena begreifen würden, in welcher Weise
er ihren Wünschen nachkommen würde. Er werde dieselben, gestützt auf die
Rechte, welche ihm die Beschlüsse der Nepäsentantenversammlnngen gäben,
bei den Großmächten kräftig unterstützen. Der König fügte hinzu, die Modc-
ncsen und Parmesaner sollten auf Europa vertrauen, welches ihren Wünschen
ohne Zweifel werde Gerechtigkeit angedeihen lassen. Er wolle sie nicht be-
sonders auffordern, auf dem einmal eingeschlagenen Wege auszuharren.
Was bis jetzt in Parma und Modena geschehen sei, bürge dafür, daß dies
sich von selbst verstehe. Bei der Rückkehr der Deputation ordnete Farini so¬
fort an. daß in Parma und Modena nunmehr alle notariellen Acte und ähn¬
lichen Documente im Kopf die Formel tragen sollten: Unter der Regierung
seiner Majestät des Königs Victor Emanuel II. Die Zehn-Millionen-Anleihe,
welche von den Nepräsentantenversanunluiigen von Modena und von Parma
beschlossen war, wurde hier wie dort in wenigen Wochen gezeichnet. Auch
von Parma sollte endlich eine Deputation an den Kaiser Napoleon entsendet
werden. Der wirkliche Abgang derselben verzögerte sich indeß, da Napoleon
eben im Bade Biarriz war, bis gegen die Mitte des October.

Von dem Kirchenstaate hatte sich seit Mitte Juni nicht blos die Ro-
magna, das heißt die vier nordöstlichen Legationen Ferrara. Bologna, Ra-
venna und Forli für die nationale Sache erhoben, auch weiter südwärts über
Urbino, Perugia, die Mark Ancona breitete die Jnsurrection sich aus. Aber
im Süden ward von den päpstlichen Truppen die Ordnung noch im Lause
des Juni wieder hergestellt. In den Norden, wohin Piemont einen Commis-
sär sendete, drangen die Päpstlichen nicht hinauf. Thatsächlich sonderten sich
die Romagnolen auf diese Weise von dem übrigen Körper des Kirchenstaa¬
tes ab und forderten Vereinigung mit Piemont. Der heilige Vater, obwohl
er gegen alle diese Dinge protestirte und die Häupter der Bewegung in der
Nomcigna mit dem Kirchenbann belegte, fühlte doch so lebhaft das weltliche
Bedürfniß einer Steuererhebung an der Grenze seiner Staaten, daß ihn dieses
zu der Inconsequenz verführte, die Unabhängigkeit der Romagna insofern
anzuerkennen, als er eine neue Zolllinic längs der Südgrenze der Provinz
Forli von Cattolica gegen Mcrcato-Seraceno herstellen ließ. Pesaro ward die
Hauptgrenzstadt des Papstes gegen die Romagna. Nach dem Frieden von
Villafranca ward, wie aus den Herzogtümern, so auch aus der Romagna
der sardinische Commissär abberufen. Die Romagnolen waren also auf sich
gestellt und gehorchten für jetzt der in Bologna zusammengetretenen proviso¬
rischen Negierung; diese erließ alsbald eine Proclamation, durch welche die
Einsetzung des Obersten Cipnani zum Chef der Regierung und die Einberuft


wurden dieselben vom Könige empfangen. Er antwortete ihnen ungefähr
wie den Toscanern. Er dankte für diese Beschlüsse und fügte hinzu, daß die
Bevölkerungen von Parma und Modena begreifen würden, in welcher Weise
er ihren Wünschen nachkommen würde. Er werde dieselben, gestützt auf die
Rechte, welche ihm die Beschlüsse der Nepäsentantenversammlnngen gäben,
bei den Großmächten kräftig unterstützen. Der König fügte hinzu, die Modc-
ncsen und Parmesaner sollten auf Europa vertrauen, welches ihren Wünschen
ohne Zweifel werde Gerechtigkeit angedeihen lassen. Er wolle sie nicht be-
sonders auffordern, auf dem einmal eingeschlagenen Wege auszuharren.
Was bis jetzt in Parma und Modena geschehen sei, bürge dafür, daß dies
sich von selbst verstehe. Bei der Rückkehr der Deputation ordnete Farini so¬
fort an. daß in Parma und Modena nunmehr alle notariellen Acte und ähn¬
lichen Documente im Kopf die Formel tragen sollten: Unter der Regierung
seiner Majestät des Königs Victor Emanuel II. Die Zehn-Millionen-Anleihe,
welche von den Nepräsentantenversanunluiigen von Modena und von Parma
beschlossen war, wurde hier wie dort in wenigen Wochen gezeichnet. Auch
von Parma sollte endlich eine Deputation an den Kaiser Napoleon entsendet
werden. Der wirkliche Abgang derselben verzögerte sich indeß, da Napoleon
eben im Bade Biarriz war, bis gegen die Mitte des October.

Von dem Kirchenstaate hatte sich seit Mitte Juni nicht blos die Ro-
magna, das heißt die vier nordöstlichen Legationen Ferrara. Bologna, Ra-
venna und Forli für die nationale Sache erhoben, auch weiter südwärts über
Urbino, Perugia, die Mark Ancona breitete die Jnsurrection sich aus. Aber
im Süden ward von den päpstlichen Truppen die Ordnung noch im Lause
des Juni wieder hergestellt. In den Norden, wohin Piemont einen Commis-
sär sendete, drangen die Päpstlichen nicht hinauf. Thatsächlich sonderten sich
die Romagnolen auf diese Weise von dem übrigen Körper des Kirchenstaa¬
tes ab und forderten Vereinigung mit Piemont. Der heilige Vater, obwohl
er gegen alle diese Dinge protestirte und die Häupter der Bewegung in der
Nomcigna mit dem Kirchenbann belegte, fühlte doch so lebhaft das weltliche
Bedürfniß einer Steuererhebung an der Grenze seiner Staaten, daß ihn dieses
zu der Inconsequenz verführte, die Unabhängigkeit der Romagna insofern
anzuerkennen, als er eine neue Zolllinic längs der Südgrenze der Provinz
Forli von Cattolica gegen Mcrcato-Seraceno herstellen ließ. Pesaro ward die
Hauptgrenzstadt des Papstes gegen die Romagna. Nach dem Frieden von
Villafranca ward, wie aus den Herzogtümern, so auch aus der Romagna
der sardinische Commissär abberufen. Die Romagnolen waren also auf sich
gestellt und gehorchten für jetzt der in Bologna zusammengetretenen proviso¬
rischen Negierung; diese erließ alsbald eine Proclamation, durch welche die
Einsetzung des Obersten Cipnani zum Chef der Regierung und die Einberuft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/108>, abgerufen am 29.05.2024.