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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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das Erstere unterlassen und das Letztere gethan, müssen wir eine Stelle we¬
nigstens genauer untersuchen. Wir bitten den Leser, uns zu entschuldigen,
daß wir ihn mit Details belästigen. Wir glauben es Professor N. schuldig
zu sein. Wir geben einen Abschnitt auf Seite 94 vor vielen ähnlichen Stel¬
len den Vorzug, weil der Gegenstand von größter Wichtigkeit ist und die
Darstellung den Anschein besonderer Gründlichkeit hat. Es handelt sich näm¬
lich um die Frage, ob die Kronen von England und Frankreich aus einem
Haupte vereinigt werden sollten. England hatte lange darunter gelitten, daß
seine Könige im französischen Vasallen-Verbände standen und dadurch in die
kontinentale Politik verwickelt wurden. Als daher Eduard der Dritte Kronpräten¬
dent von Frankreich wurde, war das der großen Mehrheit der Nation keines¬
wegs erwünscht. Das Parlament von 1331 bat ihn einstimmig, wegen sei¬
nes Anspruches keinen Krieg zu beginnen, d. h. mit andern Worten ihn auf¬
zugeben (Rolls ot°I^rinnend. II. 61 a,). Als dessen ungeachtet der Krieg be¬
gonnen hatte, forderte das Parlament von dem Könige die Erklärung, daß
sie, die Barone und Gemeinen, ihm als König von Frankreich keinen Gehorsam
schuldig seien, auch England nicht Frankreich Unterthan gemacht werden solle
(ü. ok ?. II. 212, 213). Davon finden wir nichts bei Prof. R. . Statt
dessen erzählt er uns: "Im Jahre 1337 billigte das Parlament das Vorha¬
ben des Königs, das Recht, das er durch seine Mutter auf den Thron von
Frankreich habe, auszuführen, und bewilligte ihm Geldunterstützung." Wenn
wir die Parlaments-Rollen von 1337 einsehen, so finden wir des Rechtes
auf die Krone von Frankreich mit keinem Worte erwähnt und keine Geld¬
bewilligung verzeichnet. Es ist aber - eben so wahrscheinlich, daß Shylock
den Verfalltag des Wechsels von Antonio gemüthlich verträumt, als daß
Eduard und sein Kanzler es unterlassen hätten, eine gemachte Geldbewilli¬
gung gehörig zu Buch zu bringen. In der Parlamentsrolle sind nur vier
unbedeutende Privcitgcschichtcn verzeichnet, und darum wurde ein Parlament
zusammenberufen? Das ist unwahrscheinlich. Knyghton löset das Räthsel:
'"Lelohi'atoHuiz axuä I^onäonios xarlmmeutv, aliis^us luzgotÜL üisxositis, rex
mstruxit ^ngliMvi.-; tridutum etc." Also nachdem die Parlaments-Geschäfte
abgemacht waren, legte der König, nicht das Parlament, den Engländern
einen Tribut auf. Es wird jetzt klar, warum das Parlament versammelt
wurde und warum keine Geldbewilligung verzeichnet ist. Adam v. Munmuth.
Knyghton und Wellington führen bittere Klage über das Verfahren des Kö¬
nigs. Nachdem indessen die Kriege längst vorüber waren und die National¬
eitelkeit ein steigendes Gefallen an ihnen fand, nahm der unerfreuliche Vor¬
gang, namentlich seit der Revolution im 17. Jahrhunderte, in den Erzählungen
der Geschichtschreiber immer angenehmere Formen an, bis Cobbct in seiner
Parlaments Geschichte uns versichert, daß das Parlament mit "freudiger Hin-


das Erstere unterlassen und das Letztere gethan, müssen wir eine Stelle we¬
nigstens genauer untersuchen. Wir bitten den Leser, uns zu entschuldigen,
daß wir ihn mit Details belästigen. Wir glauben es Professor N. schuldig
zu sein. Wir geben einen Abschnitt auf Seite 94 vor vielen ähnlichen Stel¬
len den Vorzug, weil der Gegenstand von größter Wichtigkeit ist und die
Darstellung den Anschein besonderer Gründlichkeit hat. Es handelt sich näm¬
lich um die Frage, ob die Kronen von England und Frankreich aus einem
Haupte vereinigt werden sollten. England hatte lange darunter gelitten, daß
seine Könige im französischen Vasallen-Verbände standen und dadurch in die
kontinentale Politik verwickelt wurden. Als daher Eduard der Dritte Kronpräten¬
dent von Frankreich wurde, war das der großen Mehrheit der Nation keines¬
wegs erwünscht. Das Parlament von 1331 bat ihn einstimmig, wegen sei¬
nes Anspruches keinen Krieg zu beginnen, d. h. mit andern Worten ihn auf¬
zugeben (Rolls ot°I^rinnend. II. 61 a,). Als dessen ungeachtet der Krieg be¬
gonnen hatte, forderte das Parlament von dem Könige die Erklärung, daß
sie, die Barone und Gemeinen, ihm als König von Frankreich keinen Gehorsam
schuldig seien, auch England nicht Frankreich Unterthan gemacht werden solle
(ü. ok ?. II. 212, 213). Davon finden wir nichts bei Prof. R. . Statt
dessen erzählt er uns: „Im Jahre 1337 billigte das Parlament das Vorha¬
ben des Königs, das Recht, das er durch seine Mutter auf den Thron von
Frankreich habe, auszuführen, und bewilligte ihm Geldunterstützung." Wenn
wir die Parlaments-Rollen von 1337 einsehen, so finden wir des Rechtes
auf die Krone von Frankreich mit keinem Worte erwähnt und keine Geld¬
bewilligung verzeichnet. Es ist aber - eben so wahrscheinlich, daß Shylock
den Verfalltag des Wechsels von Antonio gemüthlich verträumt, als daß
Eduard und sein Kanzler es unterlassen hätten, eine gemachte Geldbewilli¬
gung gehörig zu Buch zu bringen. In der Parlamentsrolle sind nur vier
unbedeutende Privcitgcschichtcn verzeichnet, und darum wurde ein Parlament
zusammenberufen? Das ist unwahrscheinlich. Knyghton löset das Räthsel:
'„Lelohi'atoHuiz axuä I^onäonios xarlmmeutv, aliis^us luzgotÜL üisxositis, rex
mstruxit ^ngliMvi.-; tridutum etc." Also nachdem die Parlaments-Geschäfte
abgemacht waren, legte der König, nicht das Parlament, den Engländern
einen Tribut auf. Es wird jetzt klar, warum das Parlament versammelt
wurde und warum keine Geldbewilligung verzeichnet ist. Adam v. Munmuth.
Knyghton und Wellington führen bittere Klage über das Verfahren des Kö¬
nigs. Nachdem indessen die Kriege längst vorüber waren und die National¬
eitelkeit ein steigendes Gefallen an ihnen fand, nahm der unerfreuliche Vor¬
gang, namentlich seit der Revolution im 17. Jahrhunderte, in den Erzählungen
der Geschichtschreiber immer angenehmere Formen an, bis Cobbct in seiner
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[0136] das Erstere unterlassen und das Letztere gethan, müssen wir eine Stelle we¬ nigstens genauer untersuchen. Wir bitten den Leser, uns zu entschuldigen, daß wir ihn mit Details belästigen. Wir glauben es Professor N. schuldig zu sein. Wir geben einen Abschnitt auf Seite 94 vor vielen ähnlichen Stel¬ len den Vorzug, weil der Gegenstand von größter Wichtigkeit ist und die Darstellung den Anschein besonderer Gründlichkeit hat. Es handelt sich näm¬ lich um die Frage, ob die Kronen von England und Frankreich aus einem Haupte vereinigt werden sollten. England hatte lange darunter gelitten, daß seine Könige im französischen Vasallen-Verbände standen und dadurch in die kontinentale Politik verwickelt wurden. Als daher Eduard der Dritte Kronpräten¬ dent von Frankreich wurde, war das der großen Mehrheit der Nation keines¬ wegs erwünscht. Das Parlament von 1331 bat ihn einstimmig, wegen sei¬ nes Anspruches keinen Krieg zu beginnen, d. h. mit andern Worten ihn auf¬ zugeben (Rolls ot°I^rinnend. II. 61 a,). Als dessen ungeachtet der Krieg be¬ gonnen hatte, forderte das Parlament von dem Könige die Erklärung, daß sie, die Barone und Gemeinen, ihm als König von Frankreich keinen Gehorsam schuldig seien, auch England nicht Frankreich Unterthan gemacht werden solle (ü. ok ?. II. 212, 213). Davon finden wir nichts bei Prof. R. . Statt dessen erzählt er uns: „Im Jahre 1337 billigte das Parlament das Vorha¬ ben des Königs, das Recht, das er durch seine Mutter auf den Thron von Frankreich habe, auszuführen, und bewilligte ihm Geldunterstützung." Wenn wir die Parlaments-Rollen von 1337 einsehen, so finden wir des Rechtes auf die Krone von Frankreich mit keinem Worte erwähnt und keine Geld¬ bewilligung verzeichnet. Es ist aber - eben so wahrscheinlich, daß Shylock den Verfalltag des Wechsels von Antonio gemüthlich verträumt, als daß Eduard und sein Kanzler es unterlassen hätten, eine gemachte Geldbewilli¬ gung gehörig zu Buch zu bringen. In der Parlamentsrolle sind nur vier unbedeutende Privcitgcschichtcn verzeichnet, und darum wurde ein Parlament zusammenberufen? Das ist unwahrscheinlich. Knyghton löset das Räthsel: '„Lelohi'atoHuiz axuä I^onäonios xarlmmeutv, aliis^us luzgotÜL üisxositis, rex mstruxit ^ngliMvi.-; tridutum etc." Also nachdem die Parlaments-Geschäfte abgemacht waren, legte der König, nicht das Parlament, den Engländern einen Tribut auf. Es wird jetzt klar, warum das Parlament versammelt wurde und warum keine Geldbewilligung verzeichnet ist. Adam v. Munmuth. Knyghton und Wellington führen bittere Klage über das Verfahren des Kö¬ nigs. Nachdem indessen die Kriege längst vorüber waren und die National¬ eitelkeit ein steigendes Gefallen an ihnen fand, nahm der unerfreuliche Vor¬ gang, namentlich seit der Revolution im 17. Jahrhunderte, in den Erzählungen der Geschichtschreiber immer angenehmere Formen an, bis Cobbct in seiner Parlaments Geschichte uns versichert, daß das Parlament mit „freudiger Hin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/136>, abgerufen am 10.06.2024.