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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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aus Zufall, sondern durch innere Nothwendigkeit. Ceremoniell und Etiquette
sind nicht den Monarchien' allein eigen, obgleich sie hier vorzugsweise feste
und sorgfältige Ausbildung erlangt haben. Es gehört zu den Pflichten des
höchsten Erdcnamtcs, edel, stattlich, würdevoll zu repräsentiren, die erhabene
Stellung auch durch äußern Glanz zu schmücken. Die Zeiten sind für Deutsch¬
land längst vorbei, wo der wüste Luxus eines zügellosen Hofes die Gcldkraft
des Volkes vorzugsweise sür sich in Anspruch nahm. Seitdem die höhere Cultur
des modernen Staates gesetzlich geregelt hat, welcher Theil der Staats¬
einnahmen den Regierenden selbst und ihrem Hoshalt zu gute kommen soll,
vermag auch der bescheidene Bürger mit Behagen auf die erleuchteten Fenster
des Fürstenschlosscs zu sehen, und mit Selbstgefühl liest er von glänzen¬
den Festen, in denen sein Souverän einen fremden Herrscher oder seine Gela¬
denen stattlich bewirthet hat, sich selbst zur Freude, den Andern zur Ehre.

Auch darüber wird kein Streit sein dürfen,, daß im Allgemeinen die
Staatsangehörigen, mit denen sich ein Souverän umgibt, oder die er für ge¬
sellschaftlichen Verkehr zu sich fordert, aus den höchsten Kreisen zu wählen
sind, welche die Organisation des Staates, die nationale Bildung empor¬
gehoben hat. Wieweit der Blick eines regierenden Fürsten reiche, er kann doch
nur einen sehr kleinen Theil seiner Millionen persönlich kennen, zunächst Solche,
welche ihm sein Privatleben menschlich nahe gebracht hat, dann die Vielen,
welche die höchsten Interessen des Staates vertreten, die ersten Beamten in
Civil und Militär, große Grundbesitzer, dazu die ständigen Gäste jedes Hofes, die
Diplomatie der befreundeten Regierungen, u. f. w. Ja noch mehr. Der Fürst kann
bei größeren Festen nur ausnahmsweise die Einzelnen auswählen, welche er
bei sich sehen will; denn da einer großen Zahl von Menschen als Vorzug
gilt, in seine Nähe zu kommen, so würden die widerwärtigsten Empfindungen
aufgeregt werden und kleinliche Kritik den Regenten selbst berühren, wenn
nicht auch im Allgemeinen die Kategorien der Einzuladenden nach gewissen
verständigen Gesichtspunkten vorher festgestellt wären. Auch hier wird
der äußere Rang immer noch den sichersten Anhalt geben. Ohne solche
gemeingültige Regeln wäre kaum ein Hoflager in Ordnung zu erhalten.

Wenn es aber nothwendig ist, daß der Verkehr sowohl der Staats¬
angehörigen als aller Fremden unter den Augen des Souveräns .durch an¬
gemessenes Ceremoniell und feste Convenienz bestimmt wird, so ist anderer¬
seits eben so vernunftgemäß, daß dem Souverän frei stehen muß, vor 'sein
Angesicht zu laden, wen er will, und eben so vernunftgemäß ist, daß es ein
Ehrenrecht jedes unbescholtenen Mannes sein muß, am Hoflager seines Sou¬
veräns zugelassen zu werden, wenn er die humane und gesellschaftliche Bil¬
dung besitzt, welche gegenwärtig in der ganzen Welt zu dem macht, was wir
Deutsche mit fremdem Wort einen Gentleman nennen.


aus Zufall, sondern durch innere Nothwendigkeit. Ceremoniell und Etiquette
sind nicht den Monarchien' allein eigen, obgleich sie hier vorzugsweise feste
und sorgfältige Ausbildung erlangt haben. Es gehört zu den Pflichten des
höchsten Erdcnamtcs, edel, stattlich, würdevoll zu repräsentiren, die erhabene
Stellung auch durch äußern Glanz zu schmücken. Die Zeiten sind für Deutsch¬
land längst vorbei, wo der wüste Luxus eines zügellosen Hofes die Gcldkraft
des Volkes vorzugsweise sür sich in Anspruch nahm. Seitdem die höhere Cultur
des modernen Staates gesetzlich geregelt hat, welcher Theil der Staats¬
einnahmen den Regierenden selbst und ihrem Hoshalt zu gute kommen soll,
vermag auch der bescheidene Bürger mit Behagen auf die erleuchteten Fenster
des Fürstenschlosscs zu sehen, und mit Selbstgefühl liest er von glänzen¬
den Festen, in denen sein Souverän einen fremden Herrscher oder seine Gela¬
denen stattlich bewirthet hat, sich selbst zur Freude, den Andern zur Ehre.

Auch darüber wird kein Streit sein dürfen,, daß im Allgemeinen die
Staatsangehörigen, mit denen sich ein Souverän umgibt, oder die er für ge¬
sellschaftlichen Verkehr zu sich fordert, aus den höchsten Kreisen zu wählen
sind, welche die Organisation des Staates, die nationale Bildung empor¬
gehoben hat. Wieweit der Blick eines regierenden Fürsten reiche, er kann doch
nur einen sehr kleinen Theil seiner Millionen persönlich kennen, zunächst Solche,
welche ihm sein Privatleben menschlich nahe gebracht hat, dann die Vielen,
welche die höchsten Interessen des Staates vertreten, die ersten Beamten in
Civil und Militär, große Grundbesitzer, dazu die ständigen Gäste jedes Hofes, die
Diplomatie der befreundeten Regierungen, u. f. w. Ja noch mehr. Der Fürst kann
bei größeren Festen nur ausnahmsweise die Einzelnen auswählen, welche er
bei sich sehen will; denn da einer großen Zahl von Menschen als Vorzug
gilt, in seine Nähe zu kommen, so würden die widerwärtigsten Empfindungen
aufgeregt werden und kleinliche Kritik den Regenten selbst berühren, wenn
nicht auch im Allgemeinen die Kategorien der Einzuladenden nach gewissen
verständigen Gesichtspunkten vorher festgestellt wären. Auch hier wird
der äußere Rang immer noch den sichersten Anhalt geben. Ohne solche
gemeingültige Regeln wäre kaum ein Hoflager in Ordnung zu erhalten.

Wenn es aber nothwendig ist, daß der Verkehr sowohl der Staats¬
angehörigen als aller Fremden unter den Augen des Souveräns .durch an¬
gemessenes Ceremoniell und feste Convenienz bestimmt wird, so ist anderer¬
seits eben so vernunftgemäß, daß dem Souverän frei stehen muß, vor 'sein
Angesicht zu laden, wen er will, und eben so vernunftgemäß ist, daß es ein
Ehrenrecht jedes unbescholtenen Mannes sein muß, am Hoflager seines Sou¬
veräns zugelassen zu werden, wenn er die humane und gesellschaftliche Bil¬
dung besitzt, welche gegenwärtig in der ganzen Welt zu dem macht, was wir
Deutsche mit fremdem Wort einen Gentleman nennen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/14>, abgerufen am 14.05.2024.