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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Schos Burnet. Burnet hat sich als eifriger Parteimann große Verdienste um
die protestantische Sache erworben. Er ist aber eben darum ein schlechter
Historiker. Und wie hat er geschrieben? Neben seinen andern zahlreichen Ge¬
schichten hat er nicht weniger, als die fast fabelhafte Summe von 145 größe¬
ren und kleineren Werken verfaßt. Wie jsts da möglich, daß er die Wahrheit
gründlich abgewogen? Eine moderne Litpratur^eschichte nennt ihn den xennz^-
a-Iiuer im Großen. Wir glauben, das ist nicht richtig; denn der xenirz^-ii.-ljnöi'
ist nur unbekümmert um die Wahrheit dessen, was er berichtet, während Bi¬
schof Burnet sie nicht nur selbst im Interesse seiner Partei .absichtlich unterdrückte,
sondern auch andere zu verhindern suchte, nach ihrer Ueberzeugung zu schreiben.
Prof. R. wird uns das selbst bezeugen, da er jedenfalls das Gespräch in der
pariser Bibliothek und die darauf folgenden Intriguen kennt, heren Le Grand
im Anfange seiner Histviro 6u äivoree erwähnt. Ein anderer Schriftsteller
hat aber einen noch gefährlicheren Einfluß auf Prof. R. gewonnen. Wahr¬
scheinlich hatte dieser sein Werk bis zum Ende der Ehescheidung geschrieben,
als Fronds Historz-- ok ^nglauä erschien. Von da ab wenigstens ist Front
deutlich bei Prof. N. zu erkennen. Front ist ein merkwürdiger Mann. Er
hat ein entschiedenes Darstcllungstalent. Aus einer gewissen Schule in Ox¬
ford hervorgegangen, gehört er aber mehr in das sechzehnte als in das neun¬
zehnte Jahrhundert. Er könnte mit bestem Gewissen gleich um die Gunst von
Heinrich buhlen, um durch dessen Arm seine Feinde zu zerschlagen. Sein
moralisches Unterscheidungsvermögen gehört so sehr einer andern Zeit an, daß
er vieles erzählt, was selbst liberale Geschichtsschreiber, die aus Heinrich keinen
großen Mann machen, zur Ehre des Landes verschweigen. Prof. R. hätte
nun leicht nach der eignen Darstellung von Front dessen falsches Urtheil be¬
richtigen können. Er hat aber den andern Weg gewählt. Er ist dem Urtheile
gefolgt und hat die Thatsachen unterdrückt.

Wir fragen Professor R.: ist es wahr oder nicht, daß Heinrich der Achte die
Finanzen des Staates im blühendsten Zustande überkam und in bettelhafter
Verfassung hinterlassen hat? Ist es wahr oder nicht, daß sein Vater die
drückenden Gesetze gegen die Freiheit der Gewerb.e und der Arbeiter milderte
und nach dieser Verbesserung sogar die Strafen herabsetzen konnte, während
er den alten Zwang wiederherstellte und die Verschlechterung der Gesetzgebung
durch Vermehrung der Galgen gut zu machen suchte? Ist es wahr oder nicht,
daß sein Vater sich große Verdienste um die Sicherheit des Handels erworben,
den er wieder gänzlich vernachlässigt hat? Ist es wahr oder nicht, daß er
die Negierung in Frieden mit aller Welt überkam und in dem tödtlichstey Hasse
mit der mächtigsten Dynastie Europas hinterließ? Ist es wahr oder nicht,
daß er dessen ungeachtet zwar eine in Gold und Silber gekleidete Leibgarde
einrichtete (die jedoch wegen Mangels an Geld bald wieder auseinander ging),


Schos Burnet. Burnet hat sich als eifriger Parteimann große Verdienste um
die protestantische Sache erworben. Er ist aber eben darum ein schlechter
Historiker. Und wie hat er geschrieben? Neben seinen andern zahlreichen Ge¬
schichten hat er nicht weniger, als die fast fabelhafte Summe von 145 größe¬
ren und kleineren Werken verfaßt. Wie jsts da möglich, daß er die Wahrheit
gründlich abgewogen? Eine moderne Litpratur^eschichte nennt ihn den xennz^-
a-Iiuer im Großen. Wir glauben, das ist nicht richtig; denn der xenirz^-ii.-ljnöi'
ist nur unbekümmert um die Wahrheit dessen, was er berichtet, während Bi¬
schof Burnet sie nicht nur selbst im Interesse seiner Partei .absichtlich unterdrückte,
sondern auch andere zu verhindern suchte, nach ihrer Ueberzeugung zu schreiben.
Prof. R. wird uns das selbst bezeugen, da er jedenfalls das Gespräch in der
pariser Bibliothek und die darauf folgenden Intriguen kennt, heren Le Grand
im Anfange seiner Histviro 6u äivoree erwähnt. Ein anderer Schriftsteller
hat aber einen noch gefährlicheren Einfluß auf Prof. R. gewonnen. Wahr¬
scheinlich hatte dieser sein Werk bis zum Ende der Ehescheidung geschrieben,
als Fronds Historz-- ok ^nglauä erschien. Von da ab wenigstens ist Front
deutlich bei Prof. N. zu erkennen. Front ist ein merkwürdiger Mann. Er
hat ein entschiedenes Darstcllungstalent. Aus einer gewissen Schule in Ox¬
ford hervorgegangen, gehört er aber mehr in das sechzehnte als in das neun¬
zehnte Jahrhundert. Er könnte mit bestem Gewissen gleich um die Gunst von
Heinrich buhlen, um durch dessen Arm seine Feinde zu zerschlagen. Sein
moralisches Unterscheidungsvermögen gehört so sehr einer andern Zeit an, daß
er vieles erzählt, was selbst liberale Geschichtsschreiber, die aus Heinrich keinen
großen Mann machen, zur Ehre des Landes verschweigen. Prof. R. hätte
nun leicht nach der eignen Darstellung von Front dessen falsches Urtheil be¬
richtigen können. Er hat aber den andern Weg gewählt. Er ist dem Urtheile
gefolgt und hat die Thatsachen unterdrückt.

Wir fragen Professor R.: ist es wahr oder nicht, daß Heinrich der Achte die
Finanzen des Staates im blühendsten Zustande überkam und in bettelhafter
Verfassung hinterlassen hat? Ist es wahr oder nicht, daß sein Vater die
drückenden Gesetze gegen die Freiheit der Gewerb.e und der Arbeiter milderte
und nach dieser Verbesserung sogar die Strafen herabsetzen konnte, während
er den alten Zwang wiederherstellte und die Verschlechterung der Gesetzgebung
durch Vermehrung der Galgen gut zu machen suchte? Ist es wahr oder nicht,
daß sein Vater sich große Verdienste um die Sicherheit des Handels erworben,
den er wieder gänzlich vernachlässigt hat? Ist es wahr oder nicht, daß er
die Negierung in Frieden mit aller Welt überkam und in dem tödtlichstey Hasse
mit der mächtigsten Dynastie Europas hinterließ? Ist es wahr oder nicht,
daß er dessen ungeachtet zwar eine in Gold und Silber gekleidete Leibgarde
einrichtete (die jedoch wegen Mangels an Geld bald wieder auseinander ging),


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[0144] Schos Burnet. Burnet hat sich als eifriger Parteimann große Verdienste um die protestantische Sache erworben. Er ist aber eben darum ein schlechter Historiker. Und wie hat er geschrieben? Neben seinen andern zahlreichen Ge¬ schichten hat er nicht weniger, als die fast fabelhafte Summe von 145 größe¬ ren und kleineren Werken verfaßt. Wie jsts da möglich, daß er die Wahrheit gründlich abgewogen? Eine moderne Litpratur^eschichte nennt ihn den xennz^- a-Iiuer im Großen. Wir glauben, das ist nicht richtig; denn der xenirz^-ii.-ljnöi' ist nur unbekümmert um die Wahrheit dessen, was er berichtet, während Bi¬ schof Burnet sie nicht nur selbst im Interesse seiner Partei .absichtlich unterdrückte, sondern auch andere zu verhindern suchte, nach ihrer Ueberzeugung zu schreiben. Prof. R. wird uns das selbst bezeugen, da er jedenfalls das Gespräch in der pariser Bibliothek und die darauf folgenden Intriguen kennt, heren Le Grand im Anfange seiner Histviro 6u äivoree erwähnt. Ein anderer Schriftsteller hat aber einen noch gefährlicheren Einfluß auf Prof. R. gewonnen. Wahr¬ scheinlich hatte dieser sein Werk bis zum Ende der Ehescheidung geschrieben, als Fronds Historz-- ok ^nglauä erschien. Von da ab wenigstens ist Front deutlich bei Prof. N. zu erkennen. Front ist ein merkwürdiger Mann. Er hat ein entschiedenes Darstcllungstalent. Aus einer gewissen Schule in Ox¬ ford hervorgegangen, gehört er aber mehr in das sechzehnte als in das neun¬ zehnte Jahrhundert. Er könnte mit bestem Gewissen gleich um die Gunst von Heinrich buhlen, um durch dessen Arm seine Feinde zu zerschlagen. Sein moralisches Unterscheidungsvermögen gehört so sehr einer andern Zeit an, daß er vieles erzählt, was selbst liberale Geschichtsschreiber, die aus Heinrich keinen großen Mann machen, zur Ehre des Landes verschweigen. Prof. R. hätte nun leicht nach der eignen Darstellung von Front dessen falsches Urtheil be¬ richtigen können. Er hat aber den andern Weg gewählt. Er ist dem Urtheile gefolgt und hat die Thatsachen unterdrückt. Wir fragen Professor R.: ist es wahr oder nicht, daß Heinrich der Achte die Finanzen des Staates im blühendsten Zustande überkam und in bettelhafter Verfassung hinterlassen hat? Ist es wahr oder nicht, daß sein Vater die drückenden Gesetze gegen die Freiheit der Gewerb.e und der Arbeiter milderte und nach dieser Verbesserung sogar die Strafen herabsetzen konnte, während er den alten Zwang wiederherstellte und die Verschlechterung der Gesetzgebung durch Vermehrung der Galgen gut zu machen suchte? Ist es wahr oder nicht, daß sein Vater sich große Verdienste um die Sicherheit des Handels erworben, den er wieder gänzlich vernachlässigt hat? Ist es wahr oder nicht, daß er die Negierung in Frieden mit aller Welt überkam und in dem tödtlichstey Hasse mit der mächtigsten Dynastie Europas hinterließ? Ist es wahr oder nicht, daß er dessen ungeachtet zwar eine in Gold und Silber gekleidete Leibgarde einrichtete (die jedoch wegen Mangels an Geld bald wieder auseinander ging),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/144>, abgerufen am 04.06.2024.