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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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wachen, trennte sie von ihrem Manne und von ihren Kindern, hielt sie in
enger Gefangenschaft und ruhte nicht eher, als bis sie dieselbe durch Leiden
und Schimpf ins Grab gebracht hatte. Die jüngste Schwester wurde dadurch
beseitigt, daß sie an einen ganz niedern Mann, einen gewissen Henry Keys,
verheirathet wurde, der Portier war. Dies Benehmen von Elisabeth, das
mit seltener Roheit und Grausamkeit Jahre lang fortgesetzt wurde, ist einer
der häßlichsten Flecken in ihrem Charakter. Kennt Prof. R. diesen Umsturz
der ganzen Erbfolge nicht? Wir können es nicht verlangen, daß er die Ur¬
kunden selbst eingesehen. Er hätte aber wenigstens die (ücmstitutivM Liswr?
ok LnKlanä von Hallam lesen sollen. Nachdem nun die Linie Suffolk be¬
seitigt und die Ausführung des Testaments unmöglich gemacht war, was
Anderes konnte geschehen, als auf die natürliche Erbfolge zurückzugehen? Und
danach war Maria Stuart die Erbin, wie denn auch trotz ihrer Hinrichtung
ihr Sohn auf den Thron gekommen ist.

Was nun den zweiten Punkt, nämlich die Hilfe, betrifft, die Elisabeth
den Protestanten auf dem Kontinente gewährt, so stellt Professor R. sie wie
eine Beschirmerin der Reformation dar. Daß sie Hilfe geleistet, ist gewiß.
Aber in welcher Weise und in welchem Umfange? Sie lieh den Hugenotten einige
Male unbeträchtliche Summen, wofür ihr Coligny den Schmuck der Königin
von Navarra verpfänden mußte. Im Jahre 1561 besetzte sie Dieppe und
Havre, das sie aber 1563 wieder aufgab. Außerdem sandte sie in den Jah-
ren 1589 und 1591 noch unbeträchtliche Hilfe für Heinrich den Vierten; für die
Niederländer, deren Aufstand ihr so sehr zu Statten kam. hatte sie lange
nichts als Predigten darüber, was Unterthanen ihrem Könige schuldig sind.
Endlich als die Revolution besseren Fortgang hatte, schickte sie 1585 ihren
Grafen Leicester mit einigen Hilfstruppen hinüber. Leicester zeigte sich indessen
so untüchtig, daß die Niederländer, die wahrlich nicht in der Lage waren,
brauchbare Hilfe zu verschmähen, um seine Abberufung baten. Und doch
hat Elisabeth wesentlich den Abfall der Niederlande befördert und zwar in
einer Weise, die charakteristisch ist. Ludwig von Oranien hatte bereits den
Sieg bei Gröningen erfochten. Wilhelm von Oranien war mit einem be¬
deutenden Heere bis nach Lüttich und Se. Trüben vorgedrungen. Egmont
und Hoorn waren hingerichtet. Die Masse des Volks regte sich aber nicht.
Unterdessen waren Schiffe, die dem Herzog Alba 400,000 Scudi nach Ant¬
werpen bringen sollten, durch einen Sturm gezwungen worden, in England
anzulegen. Die Königin, die auch ihre Freunde, wie Drake und Raleigh auszu¬
plündern wußte, bemächtigte sich sogleich des Geldes und behielt es unter verschie¬
denen Vorwänden zurück. Die Folge davon war eine große Geldverlegenheit von
Alba, die ihn veranlaßte trotz der Abmahnung von Vighlio, der die Folgen
voraussah, harte Abgaben auszuschreiben. Diese Abgaben, die allerdings


wachen, trennte sie von ihrem Manne und von ihren Kindern, hielt sie in
enger Gefangenschaft und ruhte nicht eher, als bis sie dieselbe durch Leiden
und Schimpf ins Grab gebracht hatte. Die jüngste Schwester wurde dadurch
beseitigt, daß sie an einen ganz niedern Mann, einen gewissen Henry Keys,
verheirathet wurde, der Portier war. Dies Benehmen von Elisabeth, das
mit seltener Roheit und Grausamkeit Jahre lang fortgesetzt wurde, ist einer
der häßlichsten Flecken in ihrem Charakter. Kennt Prof. R. diesen Umsturz
der ganzen Erbfolge nicht? Wir können es nicht verlangen, daß er die Ur¬
kunden selbst eingesehen. Er hätte aber wenigstens die (ücmstitutivM Liswr?
ok LnKlanä von Hallam lesen sollen. Nachdem nun die Linie Suffolk be¬
seitigt und die Ausführung des Testaments unmöglich gemacht war, was
Anderes konnte geschehen, als auf die natürliche Erbfolge zurückzugehen? Und
danach war Maria Stuart die Erbin, wie denn auch trotz ihrer Hinrichtung
ihr Sohn auf den Thron gekommen ist.

Was nun den zweiten Punkt, nämlich die Hilfe, betrifft, die Elisabeth
den Protestanten auf dem Kontinente gewährt, so stellt Professor R. sie wie
eine Beschirmerin der Reformation dar. Daß sie Hilfe geleistet, ist gewiß.
Aber in welcher Weise und in welchem Umfange? Sie lieh den Hugenotten einige
Male unbeträchtliche Summen, wofür ihr Coligny den Schmuck der Königin
von Navarra verpfänden mußte. Im Jahre 1561 besetzte sie Dieppe und
Havre, das sie aber 1563 wieder aufgab. Außerdem sandte sie in den Jah-
ren 1589 und 1591 noch unbeträchtliche Hilfe für Heinrich den Vierten; für die
Niederländer, deren Aufstand ihr so sehr zu Statten kam. hatte sie lange
nichts als Predigten darüber, was Unterthanen ihrem Könige schuldig sind.
Endlich als die Revolution besseren Fortgang hatte, schickte sie 1585 ihren
Grafen Leicester mit einigen Hilfstruppen hinüber. Leicester zeigte sich indessen
so untüchtig, daß die Niederländer, die wahrlich nicht in der Lage waren,
brauchbare Hilfe zu verschmähen, um seine Abberufung baten. Und doch
hat Elisabeth wesentlich den Abfall der Niederlande befördert und zwar in
einer Weise, die charakteristisch ist. Ludwig von Oranien hatte bereits den
Sieg bei Gröningen erfochten. Wilhelm von Oranien war mit einem be¬
deutenden Heere bis nach Lüttich und Se. Trüben vorgedrungen. Egmont
und Hoorn waren hingerichtet. Die Masse des Volks regte sich aber nicht.
Unterdessen waren Schiffe, die dem Herzog Alba 400,000 Scudi nach Ant¬
werpen bringen sollten, durch einen Sturm gezwungen worden, in England
anzulegen. Die Königin, die auch ihre Freunde, wie Drake und Raleigh auszu¬
plündern wußte, bemächtigte sich sogleich des Geldes und behielt es unter verschie¬
denen Vorwänden zurück. Die Folge davon war eine große Geldverlegenheit von
Alba, die ihn veranlaßte trotz der Abmahnung von Vighlio, der die Folgen
voraussah, harte Abgaben auszuschreiben. Diese Abgaben, die allerdings


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[0147] wachen, trennte sie von ihrem Manne und von ihren Kindern, hielt sie in enger Gefangenschaft und ruhte nicht eher, als bis sie dieselbe durch Leiden und Schimpf ins Grab gebracht hatte. Die jüngste Schwester wurde dadurch beseitigt, daß sie an einen ganz niedern Mann, einen gewissen Henry Keys, verheirathet wurde, der Portier war. Dies Benehmen von Elisabeth, das mit seltener Roheit und Grausamkeit Jahre lang fortgesetzt wurde, ist einer der häßlichsten Flecken in ihrem Charakter. Kennt Prof. R. diesen Umsturz der ganzen Erbfolge nicht? Wir können es nicht verlangen, daß er die Ur¬ kunden selbst eingesehen. Er hätte aber wenigstens die (ücmstitutivM Liswr? ok LnKlanä von Hallam lesen sollen. Nachdem nun die Linie Suffolk be¬ seitigt und die Ausführung des Testaments unmöglich gemacht war, was Anderes konnte geschehen, als auf die natürliche Erbfolge zurückzugehen? Und danach war Maria Stuart die Erbin, wie denn auch trotz ihrer Hinrichtung ihr Sohn auf den Thron gekommen ist. Was nun den zweiten Punkt, nämlich die Hilfe, betrifft, die Elisabeth den Protestanten auf dem Kontinente gewährt, so stellt Professor R. sie wie eine Beschirmerin der Reformation dar. Daß sie Hilfe geleistet, ist gewiß. Aber in welcher Weise und in welchem Umfange? Sie lieh den Hugenotten einige Male unbeträchtliche Summen, wofür ihr Coligny den Schmuck der Königin von Navarra verpfänden mußte. Im Jahre 1561 besetzte sie Dieppe und Havre, das sie aber 1563 wieder aufgab. Außerdem sandte sie in den Jah- ren 1589 und 1591 noch unbeträchtliche Hilfe für Heinrich den Vierten; für die Niederländer, deren Aufstand ihr so sehr zu Statten kam. hatte sie lange nichts als Predigten darüber, was Unterthanen ihrem Könige schuldig sind. Endlich als die Revolution besseren Fortgang hatte, schickte sie 1585 ihren Grafen Leicester mit einigen Hilfstruppen hinüber. Leicester zeigte sich indessen so untüchtig, daß die Niederländer, die wahrlich nicht in der Lage waren, brauchbare Hilfe zu verschmähen, um seine Abberufung baten. Und doch hat Elisabeth wesentlich den Abfall der Niederlande befördert und zwar in einer Weise, die charakteristisch ist. Ludwig von Oranien hatte bereits den Sieg bei Gröningen erfochten. Wilhelm von Oranien war mit einem be¬ deutenden Heere bis nach Lüttich und Se. Trüben vorgedrungen. Egmont und Hoorn waren hingerichtet. Die Masse des Volks regte sich aber nicht. Unterdessen waren Schiffe, die dem Herzog Alba 400,000 Scudi nach Ant¬ werpen bringen sollten, durch einen Sturm gezwungen worden, in England anzulegen. Die Königin, die auch ihre Freunde, wie Drake und Raleigh auszu¬ plündern wußte, bemächtigte sich sogleich des Geldes und behielt es unter verschie¬ denen Vorwänden zurück. Die Folge davon war eine große Geldverlegenheit von Alba, die ihn veranlaßte trotz der Abmahnung von Vighlio, der die Folgen voraussah, harte Abgaben auszuschreiben. Diese Abgaben, die allerdings

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/147>, abgerufen am 31.05.2024.