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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Theilungslinie, welche der Schweiz die im westlichen AbHange der Dole sich
hinziehende Hügelkette entzieht, zu wählen, sondern eine solche Linie zu be¬
stimmen, die der Schweiz eine Beherrschung der Straße von les Rousses nach
Gcx möglich macht. Die Eisenbahnanlagen in Frankreich und der Schweiz
verminderten die Bedeutung des Dappenthales keineswegs, und die Festung les
Nousses mache es für die Schweiz um so dringender, nicht dazu beizutragen, daß
gegen ihr Gebiet zu die Festungswerke noch ausgedehnter angelegt werden können.

An dieses Urtheil reihen wir ein Rasnu6 der Denkschrift des eidgenössi¬
schen Majors Girard an. Herr Girard spricht sich sehr entschieden gegen
jede Abtretung irgend eines Theiles des Dappenthales an Frankreich aus;
eine solche Abtretung würde Frankreich die Durchbrechung der vordersten Kette
des Jura gegen die Schweiz zu auf einem der wichtigsten Punkte sehr erleichtern,
so wie auch die weitere Entwicklung der Festung les Nousses.

Ueber diese Festung, deren Bau unter Louis Philipp im Jahr 1841 be¬
gonnen ward, bemerkt Herr Girard, daß ihre Anlage wesentlich einen offen¬
siven Charakter habe, indem sie für ein bloßes Vertheidigungswerk gegen eine be¬
absichtigte Invasion von Se. Cergues oder von der Faucille her viel zu
ausgedehnt angelegt und ihrer großen Ausdehnung wegen vielmehr darauf
berechnet sei, als ein großer Anlehnungspunkt für ein angriffsweises Vorgehen
Frankreichs gegen die Alpen und Italien hin zu dienen; in dieser Hinsicht
erachte er die Werke und die Lage von les Nousses viel geeigneter, als die von
ihm ebenfalls in Augenschein genommenen französischen Festungen von Ecluse,
Joux, Bcsanyon und Belfort. Herr Girard schließt seine Denkschrift mit be¬
stimmten Anträgen an die hohe Bundesversammlung, die unter Anderm dahin
gehen: Die eidgenössischen Behörden möchten jedes Begehren um Abtretung
eines Theiles des Schweizer Gebietes zurückweisen und namentlich möchten
sie nicht einen Quadratfuß des Dappenthals an'Frankreich überlassen.

Daß die Schweiz bei der Frage im Rechte ist, darüber kann kein Zwei¬
fel obwalten, und Frankreich hat dies bei allen früheren Verhandlungen im
Ernst auch nie bestreiten können. Das Dappenthal ist altschweizerifcher Grund
und Boden; dies wird bewiesen durch alle ältere Verträge und Marchberai-
nigungen (Grenzbestimmungen), und namentlich auch durch solche, die von den
Königen Frankreichs ratificirt und garantirt wurden. Die Abtretung des
Thales an Frankreich von 1805--1814 wurde durch die Wiene.r Acte rück¬
gängig gemacht, indem das Thal der Schweiz zurückgegeben wurde, und diese
Akte steht nicht blos als eine einseitige Verfügung da; Frankreich hat sie
mitunterzeichnet und die Schweiz sie mit allem, was für sie Nachtheiliges und
Vortheilhaftes darin steht, feierlich angenommen. Sie bildet also für die
Schweiz wie für die übrigen Mächte vertragsmäßiges Recht, das ein¬
seitig nicht aufgehoben und nicht verändert werden kann.


Theilungslinie, welche der Schweiz die im westlichen AbHange der Dole sich
hinziehende Hügelkette entzieht, zu wählen, sondern eine solche Linie zu be¬
stimmen, die der Schweiz eine Beherrschung der Straße von les Rousses nach
Gcx möglich macht. Die Eisenbahnanlagen in Frankreich und der Schweiz
verminderten die Bedeutung des Dappenthales keineswegs, und die Festung les
Nousses mache es für die Schweiz um so dringender, nicht dazu beizutragen, daß
gegen ihr Gebiet zu die Festungswerke noch ausgedehnter angelegt werden können.

An dieses Urtheil reihen wir ein Rasnu6 der Denkschrift des eidgenössi¬
schen Majors Girard an. Herr Girard spricht sich sehr entschieden gegen
jede Abtretung irgend eines Theiles des Dappenthales an Frankreich aus;
eine solche Abtretung würde Frankreich die Durchbrechung der vordersten Kette
des Jura gegen die Schweiz zu auf einem der wichtigsten Punkte sehr erleichtern,
so wie auch die weitere Entwicklung der Festung les Nousses.

Ueber diese Festung, deren Bau unter Louis Philipp im Jahr 1841 be¬
gonnen ward, bemerkt Herr Girard, daß ihre Anlage wesentlich einen offen¬
siven Charakter habe, indem sie für ein bloßes Vertheidigungswerk gegen eine be¬
absichtigte Invasion von Se. Cergues oder von der Faucille her viel zu
ausgedehnt angelegt und ihrer großen Ausdehnung wegen vielmehr darauf
berechnet sei, als ein großer Anlehnungspunkt für ein angriffsweises Vorgehen
Frankreichs gegen die Alpen und Italien hin zu dienen; in dieser Hinsicht
erachte er die Werke und die Lage von les Nousses viel geeigneter, als die von
ihm ebenfalls in Augenschein genommenen französischen Festungen von Ecluse,
Joux, Bcsanyon und Belfort. Herr Girard schließt seine Denkschrift mit be¬
stimmten Anträgen an die hohe Bundesversammlung, die unter Anderm dahin
gehen: Die eidgenössischen Behörden möchten jedes Begehren um Abtretung
eines Theiles des Schweizer Gebietes zurückweisen und namentlich möchten
sie nicht einen Quadratfuß des Dappenthals an'Frankreich überlassen.

Daß die Schweiz bei der Frage im Rechte ist, darüber kann kein Zwei¬
fel obwalten, und Frankreich hat dies bei allen früheren Verhandlungen im
Ernst auch nie bestreiten können. Das Dappenthal ist altschweizerifcher Grund
und Boden; dies wird bewiesen durch alle ältere Verträge und Marchberai-
nigungen (Grenzbestimmungen), und namentlich auch durch solche, die von den
Königen Frankreichs ratificirt und garantirt wurden. Die Abtretung des
Thales an Frankreich von 1805—1814 wurde durch die Wiene.r Acte rück¬
gängig gemacht, indem das Thal der Schweiz zurückgegeben wurde, und diese
Akte steht nicht blos als eine einseitige Verfügung da; Frankreich hat sie
mitunterzeichnet und die Schweiz sie mit allem, was für sie Nachtheiliges und
Vortheilhaftes darin steht, feierlich angenommen. Sie bildet also für die
Schweiz wie für die übrigen Mächte vertragsmäßiges Recht, das ein¬
seitig nicht aufgehoben und nicht verändert werden kann.


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[0179] Theilungslinie, welche der Schweiz die im westlichen AbHange der Dole sich hinziehende Hügelkette entzieht, zu wählen, sondern eine solche Linie zu be¬ stimmen, die der Schweiz eine Beherrschung der Straße von les Rousses nach Gcx möglich macht. Die Eisenbahnanlagen in Frankreich und der Schweiz verminderten die Bedeutung des Dappenthales keineswegs, und die Festung les Nousses mache es für die Schweiz um so dringender, nicht dazu beizutragen, daß gegen ihr Gebiet zu die Festungswerke noch ausgedehnter angelegt werden können. An dieses Urtheil reihen wir ein Rasnu6 der Denkschrift des eidgenössi¬ schen Majors Girard an. Herr Girard spricht sich sehr entschieden gegen jede Abtretung irgend eines Theiles des Dappenthales an Frankreich aus; eine solche Abtretung würde Frankreich die Durchbrechung der vordersten Kette des Jura gegen die Schweiz zu auf einem der wichtigsten Punkte sehr erleichtern, so wie auch die weitere Entwicklung der Festung les Nousses. Ueber diese Festung, deren Bau unter Louis Philipp im Jahr 1841 be¬ gonnen ward, bemerkt Herr Girard, daß ihre Anlage wesentlich einen offen¬ siven Charakter habe, indem sie für ein bloßes Vertheidigungswerk gegen eine be¬ absichtigte Invasion von Se. Cergues oder von der Faucille her viel zu ausgedehnt angelegt und ihrer großen Ausdehnung wegen vielmehr darauf berechnet sei, als ein großer Anlehnungspunkt für ein angriffsweises Vorgehen Frankreichs gegen die Alpen und Italien hin zu dienen; in dieser Hinsicht erachte er die Werke und die Lage von les Nousses viel geeigneter, als die von ihm ebenfalls in Augenschein genommenen französischen Festungen von Ecluse, Joux, Bcsanyon und Belfort. Herr Girard schließt seine Denkschrift mit be¬ stimmten Anträgen an die hohe Bundesversammlung, die unter Anderm dahin gehen: Die eidgenössischen Behörden möchten jedes Begehren um Abtretung eines Theiles des Schweizer Gebietes zurückweisen und namentlich möchten sie nicht einen Quadratfuß des Dappenthals an'Frankreich überlassen. Daß die Schweiz bei der Frage im Rechte ist, darüber kann kein Zwei¬ fel obwalten, und Frankreich hat dies bei allen früheren Verhandlungen im Ernst auch nie bestreiten können. Das Dappenthal ist altschweizerifcher Grund und Boden; dies wird bewiesen durch alle ältere Verträge und Marchberai- nigungen (Grenzbestimmungen), und namentlich auch durch solche, die von den Königen Frankreichs ratificirt und garantirt wurden. Die Abtretung des Thales an Frankreich von 1805—1814 wurde durch die Wiene.r Acte rück¬ gängig gemacht, indem das Thal der Schweiz zurückgegeben wurde, und diese Akte steht nicht blos als eine einseitige Verfügung da; Frankreich hat sie mitunterzeichnet und die Schweiz sie mit allem, was für sie Nachtheiliges und Vortheilhaftes darin steht, feierlich angenommen. Sie bildet also für die Schweiz wie für die übrigen Mächte vertragsmäßiges Recht, das ein¬ seitig nicht aufgehoben und nicht verändert werden kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/179>, abgerufen am 31.05.2024.