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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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.Geldmarkt und der Handel fordern diese Zugeständnisse für ein neues Anlehen,
und man gewährt sie, um zu zeigen, daß man auch ohne die Zustimmung
oder Bürgschaft des Volkes zum Ziele kömmt. Was mir von den Gemeindc-
und Landesstatuten erwarten dürfen, sagt uns die Auswahl der Vertrauens¬
männer zu den Entwürfen; einer wahren Volksvertretung stehen wir so fern,
wie nur je. Zur Parität aller christlichen Culte fehlt nicht mir eine für alle
Kronlünder gültige Anordnung, sondern zumeist und vor allem die Aufhebung
des Gesetzes über gemischte Ehen und katholische Kinde>erziehung; es ist, als
M man diesfalls vorerst in Rom angefragt hätte. Wir achten es nicht hoch,
wenn man den Städten und Landgemeinden ein ergötzliches Spiel mit den
Angelegenheiten ihres Weichbildes gönnt, dafür aber dem Clerus und Adel
das große Wort auf den Landtagen vorbehält. Sind doch diese selbst nur
ein Mittel, um die Stimmen der Reaction zur Geltung zu bringen und der
Berathung großer, das Gemeinwohl entscheidender Fragen auszuweichen.
Volksvertretung ist der ultramontanen Hospartci ein Gräuel, ihre Herrschaft
steht und fällt mit Knechtung des Geistes; mit der Freiheit des Wortes
schlüge ihre letzte Stunde. Darum wählte man auch zur Berathung der
Landesstatute die reactivnürsten Leute, wir haben in Tirol ein sprechendes Bei¬
spiel davon. iliiiiV"',/"? ,ii it-nil'l^is"

An die Spitze der Vertrauensmänner für den Entwurf unsres Landes-
statutcs wurde der ehemalige Gouvcrneuer Clemens Graf von Brandes ge¬
stellt. Das Ministerium sprach im Jahre 1848 dessen Entsetzung von seinem
Posten aus, weil er ohngeachtet der höheren Anordnung über die Aufhebung
der Jesuiten und Redemptoristen die Ordenshäuser derselben in Innsbruck
ruhig fortbestehen ließ. In der vormärzlichen Zeit trieb er seinen Jesuitismus
bis ins Wunderliche, ließ sich öffentlich in der Pfarrkirche zu Innsbruck in
die von einem Jesuiten geleitete marianische Congregation aufnehmen, wobei
er eine brennende Kerze haltend mit einem Mäntelchen bekleidet wurde, ver¬
öffentlichte ein lateinisches Gebetbuch mit dem Bilde des h. Alois, verfaßte
Stoßgebetlein für Heiligenbilder, unter anderen auch eines für die h. Leinwand
Christi, wozu er, weil der Censor den Druck verbot, selbst die Druckerlaub¬
nis; ertheilte. Seine Wirksamkeit im ständischen Saale besprachen diese Blät¬
ter jüngst in dem Aufsatz über den tiroler Landtag. Ein anderer der fünf
Vertrauensmänner war der Bischof Gaffer von Brixen Der rührige Clerus
des Landes hatte im Jahre 1348 bloß aus Deutschtirol nicht weniger als
vier geistliche Herren und darunter auch Gaffer in das Parlament nach Frank¬
furt gesandt; ja es schien, als Hütten die Deutschtiroler jene Versammlung
nur deßhalb beschickt, um ihre "Glaubenseinheit" zu wahren; denn nur dann,
wenn es sich darum handelte, jeden protestantischen Gewerbsmnnn, Ansiedler
oder wohl gar den öffentlichen Cultus.ezM aHes^Kqnsession als der katho-


.Geldmarkt und der Handel fordern diese Zugeständnisse für ein neues Anlehen,
und man gewährt sie, um zu zeigen, daß man auch ohne die Zustimmung
oder Bürgschaft des Volkes zum Ziele kömmt. Was mir von den Gemeindc-
und Landesstatuten erwarten dürfen, sagt uns die Auswahl der Vertrauens¬
männer zu den Entwürfen; einer wahren Volksvertretung stehen wir so fern,
wie nur je. Zur Parität aller christlichen Culte fehlt nicht mir eine für alle
Kronlünder gültige Anordnung, sondern zumeist und vor allem die Aufhebung
des Gesetzes über gemischte Ehen und katholische Kinde>erziehung; es ist, als
M man diesfalls vorerst in Rom angefragt hätte. Wir achten es nicht hoch,
wenn man den Städten und Landgemeinden ein ergötzliches Spiel mit den
Angelegenheiten ihres Weichbildes gönnt, dafür aber dem Clerus und Adel
das große Wort auf den Landtagen vorbehält. Sind doch diese selbst nur
ein Mittel, um die Stimmen der Reaction zur Geltung zu bringen und der
Berathung großer, das Gemeinwohl entscheidender Fragen auszuweichen.
Volksvertretung ist der ultramontanen Hospartci ein Gräuel, ihre Herrschaft
steht und fällt mit Knechtung des Geistes; mit der Freiheit des Wortes
schlüge ihre letzte Stunde. Darum wählte man auch zur Berathung der
Landesstatute die reactivnürsten Leute, wir haben in Tirol ein sprechendes Bei¬
spiel davon. iliiiiV»',/"? ,ii it-nil'l^is"

An die Spitze der Vertrauensmänner für den Entwurf unsres Landes-
statutcs wurde der ehemalige Gouvcrneuer Clemens Graf von Brandes ge¬
stellt. Das Ministerium sprach im Jahre 1848 dessen Entsetzung von seinem
Posten aus, weil er ohngeachtet der höheren Anordnung über die Aufhebung
der Jesuiten und Redemptoristen die Ordenshäuser derselben in Innsbruck
ruhig fortbestehen ließ. In der vormärzlichen Zeit trieb er seinen Jesuitismus
bis ins Wunderliche, ließ sich öffentlich in der Pfarrkirche zu Innsbruck in
die von einem Jesuiten geleitete marianische Congregation aufnehmen, wobei
er eine brennende Kerze haltend mit einem Mäntelchen bekleidet wurde, ver¬
öffentlichte ein lateinisches Gebetbuch mit dem Bilde des h. Alois, verfaßte
Stoßgebetlein für Heiligenbilder, unter anderen auch eines für die h. Leinwand
Christi, wozu er, weil der Censor den Druck verbot, selbst die Druckerlaub¬
nis; ertheilte. Seine Wirksamkeit im ständischen Saale besprachen diese Blät¬
ter jüngst in dem Aufsatz über den tiroler Landtag. Ein anderer der fünf
Vertrauensmänner war der Bischof Gaffer von Brixen Der rührige Clerus
des Landes hatte im Jahre 1348 bloß aus Deutschtirol nicht weniger als
vier geistliche Herren und darunter auch Gaffer in das Parlament nach Frank¬
furt gesandt; ja es schien, als Hütten die Deutschtiroler jene Versammlung
nur deßhalb beschickt, um ihre „Glaubenseinheit" zu wahren; denn nur dann,
wenn es sich darum handelte, jeden protestantischen Gewerbsmnnn, Ansiedler
oder wohl gar den öffentlichen Cultus.ezM aHes^Kqnsession als der katho-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/182>, abgerufen am 15.05.2024.