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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Feldzug war ausschließlich, Oestreich von Preuße" zu trennen, um im nächsten
Feldzug mit der Einwilligung Oestreichs, die preußische Rheinprovinz zu er¬
obern. -- Großmüthig genug setzten die östreichischen Blatter hinzu: wenig¬
stens wollen wir dann abwarten, bis man uns um Hilfe bittet, und unsere
Bedingungen stellen.

Die Rechnung war ohne den Wirth gemacht. Der nächste Angriff galt
nicht Preußen, sondern wieder Oestreich; wenn Napoleon einen jener Vermuth¬
ung entsprechenden Wunsch hatte, so war es der. Preußen zu zeigen, wie es
mit Oestreich stände, und dadurch Oestreich zu isoliren. -- Die Secuudvgenituren
falle", ein kräftiger nationaler Staat legt sich zwischen Oestreich und den
Kirchenstaat, im Venetianischen gührt es, Ungarn ist auf einer Höhe der
Unzufriedenheit angelangt, die kaum mehr gesteigert werden kann. England
und Rußland entschieden feindlich gegen Oestreich. Preußen durch eine
Reihe bitterster Beleidigungen getränkt. So steht der Kaiserstaat.

Warum hat Napoleon nicht die freundlich entgegenkommende Hand Oest¬
reichs ergriffen? Geschwankt scheint er zu haben. -- Es ist schwer, in dieser
Seele zu lesen. Vielleicht ist es wirklich große Politik, die er treibt; vielleicht
ist seine Seele in der That weit genug, für Ideen Raum zu haben. -- Viel¬
leicht hat er sich überzeugt, daß Oestreich keine Stütze mehr ist, und er hält
sich lieber zu Mächten, die ihm weniger bieten, aber lebenskräftiger sind.

Was turn Oestreich von Preußen hoffen, wenn das gebrochene Bünd¬
nis! siel) wieder erneut? -- Vielleicht Garantie seines jetzigen Besitzstandes;
das ist zwar nicht ganz Wiederherstellung des altröinijchcn Kaiserreichs, aber
es ist unter den vorliegenden Umständen sehr viel.

Und was verlangt Preußen jetzt von Oestreich? -- Am 4. v. M. hat es
sich im Bundestag darüber ausgesprochen. -- Es verlangt vorläufig wenig:
Revision der Bundcskriegövcrfnssnng.

"Unausführbare, den realen Verhältnissen nicht entsprechende Bestimm¬
ungen erkennt Preußen in den Art. 12--15, welche festsetzen, daß das aus¬
gestellte Kriegsheer des Bundes ein Heer und von einem Feldherrn befehligt
sei und daß der Oberseldherr von Bunde gewählt , von demselben in Eid und
Pflicht genommen und ihm persönlich verantwortlich wäre. . . . Die überwie¬
genden Theile des Vundeshcercö werden von den Contingenten der deutschen
Großmächte gebildet, welche als Bestandtheile einheitlich geschlossener Ganzen
ihren Schwerpunkt außerhalb der Bundesorganisation haben, und bei ihrem
Auftreten für den Krieg sich factisch niemals für einen neuen erst zu bildenden
einheitlichen Organismus auslösen, sondern vielmehr den nur in lockerm Zu¬
sammenhang stehenden andern Contingenten zum natürlichen Anschlußpunkte
dienen können. ... Es ist ferner nicht denkbar, daß jemals einer der Sonvercnne
der deutschen Großstaaten sich der Kriegsherrlichkeit über sein Heer in dem


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Feldzug war ausschließlich, Oestreich von Preuße» zu trennen, um im nächsten
Feldzug mit der Einwilligung Oestreichs, die preußische Rheinprovinz zu er¬
obern. — Großmüthig genug setzten die östreichischen Blatter hinzu: wenig¬
stens wollen wir dann abwarten, bis man uns um Hilfe bittet, und unsere
Bedingungen stellen.

Die Rechnung war ohne den Wirth gemacht. Der nächste Angriff galt
nicht Preußen, sondern wieder Oestreich; wenn Napoleon einen jener Vermuth¬
ung entsprechenden Wunsch hatte, so war es der. Preußen zu zeigen, wie es
mit Oestreich stände, und dadurch Oestreich zu isoliren. — Die Secuudvgenituren
falle«, ein kräftiger nationaler Staat legt sich zwischen Oestreich und den
Kirchenstaat, im Venetianischen gührt es, Ungarn ist auf einer Höhe der
Unzufriedenheit angelangt, die kaum mehr gesteigert werden kann. England
und Rußland entschieden feindlich gegen Oestreich. Preußen durch eine
Reihe bitterster Beleidigungen getränkt. So steht der Kaiserstaat.

Warum hat Napoleon nicht die freundlich entgegenkommende Hand Oest¬
reichs ergriffen? Geschwankt scheint er zu haben. — Es ist schwer, in dieser
Seele zu lesen. Vielleicht ist es wirklich große Politik, die er treibt; vielleicht
ist seine Seele in der That weit genug, für Ideen Raum zu haben. — Viel¬
leicht hat er sich überzeugt, daß Oestreich keine Stütze mehr ist, und er hält
sich lieber zu Mächten, die ihm weniger bieten, aber lebenskräftiger sind.

Was turn Oestreich von Preußen hoffen, wenn das gebrochene Bünd¬
nis! siel) wieder erneut? — Vielleicht Garantie seines jetzigen Besitzstandes;
das ist zwar nicht ganz Wiederherstellung des altröinijchcn Kaiserreichs, aber
es ist unter den vorliegenden Umständen sehr viel.

Und was verlangt Preußen jetzt von Oestreich? — Am 4. v. M. hat es
sich im Bundestag darüber ausgesprochen. — Es verlangt vorläufig wenig:
Revision der Bundcskriegövcrfnssnng.

„Unausführbare, den realen Verhältnissen nicht entsprechende Bestimm¬
ungen erkennt Preußen in den Art. 12—15, welche festsetzen, daß das aus¬
gestellte Kriegsheer des Bundes ein Heer und von einem Feldherrn befehligt
sei und daß der Oberseldherr von Bunde gewählt , von demselben in Eid und
Pflicht genommen und ihm persönlich verantwortlich wäre. . . . Die überwie¬
genden Theile des Vundeshcercö werden von den Contingenten der deutschen
Großmächte gebildet, welche als Bestandtheile einheitlich geschlossener Ganzen
ihren Schwerpunkt außerhalb der Bundesorganisation haben, und bei ihrem
Auftreten für den Krieg sich factisch niemals für einen neuen erst zu bildenden
einheitlichen Organismus auslösen, sondern vielmehr den nur in lockerm Zu¬
sammenhang stehenden andern Contingenten zum natürlichen Anschlußpunkte
dienen können. ... Es ist ferner nicht denkbar, daß jemals einer der Sonvercnne
der deutschen Großstaaten sich der Kriegsherrlichkeit über sein Heer in dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/215>, abgerufen am 30.05.2024.