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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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befestigten Lager stehen die Truppen, welche den gekanteten Feind zurückwerfen
sollen, indem sie demselben, wenn er nicht übermächtig ist, entgegenrücken und
ihn zur Wiedereinschiffung zwingen, oder wenn derselbe numerisch zu stark,
ihn nöthigen, auf die Festungen loszugehen und sie zu belagern und zu nehmen,
ehe er weitere Fortschritte machen kann. Da es aber Festungen ersten Ranges
sind, so gehören hierzu viel Zeit, viele Truppen und viel Belagerungsmaterial.
Die Zeit können wir benutzen, ein Entsatzheer heranzuziehen, und im Verein
mit diesem den Feind mit Sicherheit schlagen. Wegen der zahlreichen Truppen
im befestigten Lager ist es aber dem Feinde unmöglich, bei den Festungen
vorüberzugehen, um ein dahinterliegendes Object, z. B. Berlin, zu erreichen,
weil er dadurch seine Nückzugslinien bloßgibt.

Eine solche Anordnung der Befestigung ist ungleick nützlicher, als wenn
man, wie in England, eine Reihe kleiner casemattirter Thürme am Ufer er¬
baut, die höchstens als Warten dienen und eine ernstgemeinte Landung sowie
den Durchbruch des Feindes nirgends zu hindern vermögen.

Fassen wir die angegebene Befestigung zum Schutze der Küsten nochmals
zusammen, so besteht dieselbe also aus den Uferbefestigungen an den Ausflüssen
der Ems, Weser, Elbe und Trave in Gestalt von casemattirten Forts und
der Anlage von Centralfestungen mit befestigten Lagern, zwischen der Ems
und Weser, der Weser und Elbe, Wittenberge und Rendsburg.

Das dritte Mittel, eine Küste zu decken, sind Kriegsflotten. Uns steht in
der Nord- und Ostsee nur die preußische zu Gebote, welche bekanntlich dieser
Aufgabe durchaus nicht gewachsen ist. Gleichwol ist es eine unumstößliche
Wahrheit, daß Deutschland nur dann die Stellung ausfüllen kann, die ihm
in Folge seiner geographischen Lage, seiner Größe, seines Nationalreichthums,
der Intelligenz und Thätigkeit seiner Bewohner zukommt, -- wenn es eine
zahlreiche tüchtige Kriegsflotte besitzt. Abgesehen von der Eisersucht, mit wel¬
cher andere Mächte aus uns blicken würden, wollten wir eine solche gründen,
verlangt dies viel Geld und Zeit, wenn es uns auch weder an guten See¬
leuten noch an Material zum Schiffsbau fehlt. Der Borschlag, eine Flotille von
Dampflanonenbootcn und kleinen Dampfschiffen zum Schutze unserer Küsten
zu bilden, wird den Zweck, den er erfüllen soll, schwerlich erreichen. Eine
solche Flotille könnte, wäre sie auch noch so zahlreich, den Kampf mit Linien¬
schiffen und Fregatten an offnen Stellen nicht ausnehmen; der Feind, dem letz¬
tere zu Gebote stehen, wird im Stande sein, sie von dort zu verjagen, wenn
er es ernstlich will. Schwerlich könnte erstere einen Druck ausüben, wie
vergleichsweise die russische Flotte im letzten orientalischen Kriege, und diese,
die in der Ostsee allein 20 Linienschiffe mit 1800 Kanonen, 7 Fregatten
und eine Anzahl kleiner Schiffe hatte, mußte sich vor der der Alliirten in ihre
befestigten Hafen zurückziehe!?, --die des schwarzen Meeres wurde größtentheils


befestigten Lager stehen die Truppen, welche den gekanteten Feind zurückwerfen
sollen, indem sie demselben, wenn er nicht übermächtig ist, entgegenrücken und
ihn zur Wiedereinschiffung zwingen, oder wenn derselbe numerisch zu stark,
ihn nöthigen, auf die Festungen loszugehen und sie zu belagern und zu nehmen,
ehe er weitere Fortschritte machen kann. Da es aber Festungen ersten Ranges
sind, so gehören hierzu viel Zeit, viele Truppen und viel Belagerungsmaterial.
Die Zeit können wir benutzen, ein Entsatzheer heranzuziehen, und im Verein
mit diesem den Feind mit Sicherheit schlagen. Wegen der zahlreichen Truppen
im befestigten Lager ist es aber dem Feinde unmöglich, bei den Festungen
vorüberzugehen, um ein dahinterliegendes Object, z. B. Berlin, zu erreichen,
weil er dadurch seine Nückzugslinien bloßgibt.

Eine solche Anordnung der Befestigung ist ungleick nützlicher, als wenn
man, wie in England, eine Reihe kleiner casemattirter Thürme am Ufer er¬
baut, die höchstens als Warten dienen und eine ernstgemeinte Landung sowie
den Durchbruch des Feindes nirgends zu hindern vermögen.

Fassen wir die angegebene Befestigung zum Schutze der Küsten nochmals
zusammen, so besteht dieselbe also aus den Uferbefestigungen an den Ausflüssen
der Ems, Weser, Elbe und Trave in Gestalt von casemattirten Forts und
der Anlage von Centralfestungen mit befestigten Lagern, zwischen der Ems
und Weser, der Weser und Elbe, Wittenberge und Rendsburg.

Das dritte Mittel, eine Küste zu decken, sind Kriegsflotten. Uns steht in
der Nord- und Ostsee nur die preußische zu Gebote, welche bekanntlich dieser
Aufgabe durchaus nicht gewachsen ist. Gleichwol ist es eine unumstößliche
Wahrheit, daß Deutschland nur dann die Stellung ausfüllen kann, die ihm
in Folge seiner geographischen Lage, seiner Größe, seines Nationalreichthums,
der Intelligenz und Thätigkeit seiner Bewohner zukommt, — wenn es eine
zahlreiche tüchtige Kriegsflotte besitzt. Abgesehen von der Eisersucht, mit wel¬
cher andere Mächte aus uns blicken würden, wollten wir eine solche gründen,
verlangt dies viel Geld und Zeit, wenn es uns auch weder an guten See¬
leuten noch an Material zum Schiffsbau fehlt. Der Borschlag, eine Flotille von
Dampflanonenbootcn und kleinen Dampfschiffen zum Schutze unserer Küsten
zu bilden, wird den Zweck, den er erfüllen soll, schwerlich erreichen. Eine
solche Flotille könnte, wäre sie auch noch so zahlreich, den Kampf mit Linien¬
schiffen und Fregatten an offnen Stellen nicht ausnehmen; der Feind, dem letz¬
tere zu Gebote stehen, wird im Stande sein, sie von dort zu verjagen, wenn
er es ernstlich will. Schwerlich könnte erstere einen Druck ausüben, wie
vergleichsweise die russische Flotte im letzten orientalischen Kriege, und diese,
die in der Ostsee allein 20 Linienschiffe mit 1800 Kanonen, 7 Fregatten
und eine Anzahl kleiner Schiffe hatte, mußte sich vor der der Alliirten in ihre
befestigten Hafen zurückziehe!?, —die des schwarzen Meeres wurde größtentheils


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[0326] befestigten Lager stehen die Truppen, welche den gekanteten Feind zurückwerfen sollen, indem sie demselben, wenn er nicht übermächtig ist, entgegenrücken und ihn zur Wiedereinschiffung zwingen, oder wenn derselbe numerisch zu stark, ihn nöthigen, auf die Festungen loszugehen und sie zu belagern und zu nehmen, ehe er weitere Fortschritte machen kann. Da es aber Festungen ersten Ranges sind, so gehören hierzu viel Zeit, viele Truppen und viel Belagerungsmaterial. Die Zeit können wir benutzen, ein Entsatzheer heranzuziehen, und im Verein mit diesem den Feind mit Sicherheit schlagen. Wegen der zahlreichen Truppen im befestigten Lager ist es aber dem Feinde unmöglich, bei den Festungen vorüberzugehen, um ein dahinterliegendes Object, z. B. Berlin, zu erreichen, weil er dadurch seine Nückzugslinien bloßgibt. Eine solche Anordnung der Befestigung ist ungleick nützlicher, als wenn man, wie in England, eine Reihe kleiner casemattirter Thürme am Ufer er¬ baut, die höchstens als Warten dienen und eine ernstgemeinte Landung sowie den Durchbruch des Feindes nirgends zu hindern vermögen. Fassen wir die angegebene Befestigung zum Schutze der Küsten nochmals zusammen, so besteht dieselbe also aus den Uferbefestigungen an den Ausflüssen der Ems, Weser, Elbe und Trave in Gestalt von casemattirten Forts und der Anlage von Centralfestungen mit befestigten Lagern, zwischen der Ems und Weser, der Weser und Elbe, Wittenberge und Rendsburg. Das dritte Mittel, eine Küste zu decken, sind Kriegsflotten. Uns steht in der Nord- und Ostsee nur die preußische zu Gebote, welche bekanntlich dieser Aufgabe durchaus nicht gewachsen ist. Gleichwol ist es eine unumstößliche Wahrheit, daß Deutschland nur dann die Stellung ausfüllen kann, die ihm in Folge seiner geographischen Lage, seiner Größe, seines Nationalreichthums, der Intelligenz und Thätigkeit seiner Bewohner zukommt, — wenn es eine zahlreiche tüchtige Kriegsflotte besitzt. Abgesehen von der Eisersucht, mit wel¬ cher andere Mächte aus uns blicken würden, wollten wir eine solche gründen, verlangt dies viel Geld und Zeit, wenn es uns auch weder an guten See¬ leuten noch an Material zum Schiffsbau fehlt. Der Borschlag, eine Flotille von Dampflanonenbootcn und kleinen Dampfschiffen zum Schutze unserer Küsten zu bilden, wird den Zweck, den er erfüllen soll, schwerlich erreichen. Eine solche Flotille könnte, wäre sie auch noch so zahlreich, den Kampf mit Linien¬ schiffen und Fregatten an offnen Stellen nicht ausnehmen; der Feind, dem letz¬ tere zu Gebote stehen, wird im Stande sein, sie von dort zu verjagen, wenn er es ernstlich will. Schwerlich könnte erstere einen Druck ausüben, wie vergleichsweise die russische Flotte im letzten orientalischen Kriege, und diese, die in der Ostsee allein 20 Linienschiffe mit 1800 Kanonen, 7 Fregatten und eine Anzahl kleiner Schiffe hatte, mußte sich vor der der Alliirten in ihre befestigten Hafen zurückziehe!?, —die des schwarzen Meeres wurde größtentheils

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/326>, abgerufen am 30.05.2024.