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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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versenkt. -- Es ist Frankreich ein Leichtes, im Kriege gegen Deutschland 20
Linienschiffe, jedes zu hundert Kanonen, und ebenso viele Fregatten von 30
bis 60 Geschützen, nebst einer Masse kleiner Kriegs- und großer Transport¬
schiffe, nach unsern Gewässern zu entsenden, welche Truppen mit sich führen,
um eine Landung zu erzwingen, und daran wird sie keine noch so zahlreiche
Dampskanonenbootflotille hindern. So lange der Feind noch auf dem Wasser
ist, sind wir ohnmächtig gegen ihn, und können durch Befestigungen am Ufer
wol einige Städte vor Landungen schützen, nicht aber die ganze Küste. Ist
jedoch der Feind gelandet, dann gleichen sich unsere Machtverhältnisse bei der
oben angegebenen Art und Weise der Küstenbefcstigung nicht nur aus, sondern
wir haben sogar die Uebermacht, möglicherweise an Zahl, sicher an vorbereiteten
festen Stellungen. Ist der Feind dann geschlagen, so wird es ihm nur mit
Verlusten möglich werden, sich wieder einzuschiffen. Daß man ihn nicht un¬
mittelbar an der Küste zu schlagen sucht, wo seine Operationslinien noch sehr
kurz sind und selbst die Mitwirkung der Flotte denkbar ist, wie z. B. in der
Schlacht an der Alma, versteht sich von selbst. Namentlich darf bei der Be¬
schaffenheit unserer Küstenstaaten ein tactisches Moment nicht aus den Augen
verloren werden, und das ist: so viel Reiterei als möglich bei der Hand
zu haben, da es dem landenden Feinde theils an dieser Waffe gebrechen wird,
weil der Seetransport an Pferden in großer Anzahl ein sehr schwieriger ist,
anderntheils letztere während desselben so matt werden, daß sie längere Zeit
brauchen, um sich zu erholen.

Die Aufgabe, die Nordseeküste zu vertheidigen, sällt wesentlich Preußen
zu, da die Staaten, welche das zehnte Bundesarmeecorps bilden, und deren
Territorien an die See grenzen, hierzu nicht stark genug sind, selbst wenn ihre
Küsten nach obigen Angaben befestigt sein sollten. Daher sollte man auch
Preußen eine besondere Stimme bei den Küstenvertheidigungsangclegenheiten
lassen, das gebietet schon die gesunde Vernunft. Die zweite Großmacht, Oest¬
reich, liegt zu weit entfernt, als daß sie hier irgend welchen Einfluß ausüben
könnte. Preußen und Oestreich haben ganz verschiedene Kriegsschauplatze,
ersterer Staat ist in Folge einer Landung an den Nordküsten bedroht, letzterer
wird davon nur sehr mittelbar berührt. Eine tüchtige Küstenvertheidigung von
Seiten der norddeutschen kleinen Staaten ist eine Lebensfrage für Preußen;
denn eine kräftige feindliche Invasion in Hannover droht die getrennten Theile
der preußischen Monarchie aus aller Verbindung zu bringen und die Rheinlinie
in den Rücken zu nehmen. Daß, wie es jetzt steht. Hannover und Olden¬
burg in einem Kriege gegen Frankreich unendlich gefährdet sind, selbst für den
Fall, daß Holland neutral bleibt, muß selbst dem Nichtsoldaten einleuchten.

Man hat die Wichtigkeit der Festungen vielfach zu gering angeschlagen,
woran namentlich Napoleon der Erste schuld war, der sich in seinem Vorrücken


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versenkt. — Es ist Frankreich ein Leichtes, im Kriege gegen Deutschland 20
Linienschiffe, jedes zu hundert Kanonen, und ebenso viele Fregatten von 30
bis 60 Geschützen, nebst einer Masse kleiner Kriegs- und großer Transport¬
schiffe, nach unsern Gewässern zu entsenden, welche Truppen mit sich führen,
um eine Landung zu erzwingen, und daran wird sie keine noch so zahlreiche
Dampskanonenbootflotille hindern. So lange der Feind noch auf dem Wasser
ist, sind wir ohnmächtig gegen ihn, und können durch Befestigungen am Ufer
wol einige Städte vor Landungen schützen, nicht aber die ganze Küste. Ist
jedoch der Feind gelandet, dann gleichen sich unsere Machtverhältnisse bei der
oben angegebenen Art und Weise der Küstenbefcstigung nicht nur aus, sondern
wir haben sogar die Uebermacht, möglicherweise an Zahl, sicher an vorbereiteten
festen Stellungen. Ist der Feind dann geschlagen, so wird es ihm nur mit
Verlusten möglich werden, sich wieder einzuschiffen. Daß man ihn nicht un¬
mittelbar an der Küste zu schlagen sucht, wo seine Operationslinien noch sehr
kurz sind und selbst die Mitwirkung der Flotte denkbar ist, wie z. B. in der
Schlacht an der Alma, versteht sich von selbst. Namentlich darf bei der Be¬
schaffenheit unserer Küstenstaaten ein tactisches Moment nicht aus den Augen
verloren werden, und das ist: so viel Reiterei als möglich bei der Hand
zu haben, da es dem landenden Feinde theils an dieser Waffe gebrechen wird,
weil der Seetransport an Pferden in großer Anzahl ein sehr schwieriger ist,
anderntheils letztere während desselben so matt werden, daß sie längere Zeit
brauchen, um sich zu erholen.

Die Aufgabe, die Nordseeküste zu vertheidigen, sällt wesentlich Preußen
zu, da die Staaten, welche das zehnte Bundesarmeecorps bilden, und deren
Territorien an die See grenzen, hierzu nicht stark genug sind, selbst wenn ihre
Küsten nach obigen Angaben befestigt sein sollten. Daher sollte man auch
Preußen eine besondere Stimme bei den Küstenvertheidigungsangclegenheiten
lassen, das gebietet schon die gesunde Vernunft. Die zweite Großmacht, Oest¬
reich, liegt zu weit entfernt, als daß sie hier irgend welchen Einfluß ausüben
könnte. Preußen und Oestreich haben ganz verschiedene Kriegsschauplatze,
ersterer Staat ist in Folge einer Landung an den Nordküsten bedroht, letzterer
wird davon nur sehr mittelbar berührt. Eine tüchtige Küstenvertheidigung von
Seiten der norddeutschen kleinen Staaten ist eine Lebensfrage für Preußen;
denn eine kräftige feindliche Invasion in Hannover droht die getrennten Theile
der preußischen Monarchie aus aller Verbindung zu bringen und die Rheinlinie
in den Rücken zu nehmen. Daß, wie es jetzt steht. Hannover und Olden¬
burg in einem Kriege gegen Frankreich unendlich gefährdet sind, selbst für den
Fall, daß Holland neutral bleibt, muß selbst dem Nichtsoldaten einleuchten.

Man hat die Wichtigkeit der Festungen vielfach zu gering angeschlagen,
woran namentlich Napoleon der Erste schuld war, der sich in seinem Vorrücken


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[0327] versenkt. — Es ist Frankreich ein Leichtes, im Kriege gegen Deutschland 20 Linienschiffe, jedes zu hundert Kanonen, und ebenso viele Fregatten von 30 bis 60 Geschützen, nebst einer Masse kleiner Kriegs- und großer Transport¬ schiffe, nach unsern Gewässern zu entsenden, welche Truppen mit sich führen, um eine Landung zu erzwingen, und daran wird sie keine noch so zahlreiche Dampskanonenbootflotille hindern. So lange der Feind noch auf dem Wasser ist, sind wir ohnmächtig gegen ihn, und können durch Befestigungen am Ufer wol einige Städte vor Landungen schützen, nicht aber die ganze Küste. Ist jedoch der Feind gelandet, dann gleichen sich unsere Machtverhältnisse bei der oben angegebenen Art und Weise der Küstenbefcstigung nicht nur aus, sondern wir haben sogar die Uebermacht, möglicherweise an Zahl, sicher an vorbereiteten festen Stellungen. Ist der Feind dann geschlagen, so wird es ihm nur mit Verlusten möglich werden, sich wieder einzuschiffen. Daß man ihn nicht un¬ mittelbar an der Küste zu schlagen sucht, wo seine Operationslinien noch sehr kurz sind und selbst die Mitwirkung der Flotte denkbar ist, wie z. B. in der Schlacht an der Alma, versteht sich von selbst. Namentlich darf bei der Be¬ schaffenheit unserer Küstenstaaten ein tactisches Moment nicht aus den Augen verloren werden, und das ist: so viel Reiterei als möglich bei der Hand zu haben, da es dem landenden Feinde theils an dieser Waffe gebrechen wird, weil der Seetransport an Pferden in großer Anzahl ein sehr schwieriger ist, anderntheils letztere während desselben so matt werden, daß sie längere Zeit brauchen, um sich zu erholen. Die Aufgabe, die Nordseeküste zu vertheidigen, sällt wesentlich Preußen zu, da die Staaten, welche das zehnte Bundesarmeecorps bilden, und deren Territorien an die See grenzen, hierzu nicht stark genug sind, selbst wenn ihre Küsten nach obigen Angaben befestigt sein sollten. Daher sollte man auch Preußen eine besondere Stimme bei den Küstenvertheidigungsangclegenheiten lassen, das gebietet schon die gesunde Vernunft. Die zweite Großmacht, Oest¬ reich, liegt zu weit entfernt, als daß sie hier irgend welchen Einfluß ausüben könnte. Preußen und Oestreich haben ganz verschiedene Kriegsschauplatze, ersterer Staat ist in Folge einer Landung an den Nordküsten bedroht, letzterer wird davon nur sehr mittelbar berührt. Eine tüchtige Küstenvertheidigung von Seiten der norddeutschen kleinen Staaten ist eine Lebensfrage für Preußen; denn eine kräftige feindliche Invasion in Hannover droht die getrennten Theile der preußischen Monarchie aus aller Verbindung zu bringen und die Rheinlinie in den Rücken zu nehmen. Daß, wie es jetzt steht. Hannover und Olden¬ burg in einem Kriege gegen Frankreich unendlich gefährdet sind, selbst für den Fall, daß Holland neutral bleibt, muß selbst dem Nichtsoldaten einleuchten. Man hat die Wichtigkeit der Festungen vielfach zu gering angeschlagen, woran namentlich Napoleon der Erste schuld war, der sich in seinem Vorrücken 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/327>, abgerufen am 14.05.2024.