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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Verwaltungsbehörde der Provinz führen, die der Gemeinden bevormunden,
mit summarischer Gewalt zum Gefängniß verurtheilen und bis zu einem ge¬
wissen Maß von den Strafen entbinden. Die Delegaten haben weniger Spiel'
rann für ihre Willkür, aber auch weniger Autorität.

In jeder Provinz ist dem Statthalter, gleichviel ob er Legat oder Dele-
gat ist, eine Consulta von vier durch den Papst ernannten Laien beigegeben.
Die steilern für Provinzialzwecke werden von einem Provinzialrath vertheilt,
die für Gemeindczwccke von den Municipalrathen. Letztere ergänzen sich selbst;
aus drei von ihnen vorgeschlagenen Ortsbürgern wählt der Papst einen zu
den städtischen Behörden. Ebenso bezeichnet der Municipalrath die Wähler,
welche dem Papst sür jede Stelle eines Provinzialrathcs drei Personen zur
Auswahl prüsentiren. Auge und Hand des Statthalters ist der Governatore,
ein Laie. Es gibt deren in den verschiedenen Districten des platten Landes,
so wie in jeder größeren Stadt. Sie führen die Aufsicht über die Gemeinden,
deren Rathe sich nur auf ihren Befehl versammeln und nur Gegenstände er¬
örtern dürfen, welche von den Governatori zuvor gebilligt worden sind. Sie
haben den Vorsitz in den Gemcindercithen und Stimme in allen Commissionen
und Deputationen der Municipien. Als Polizeidircctorcn spioniren, verhaften
und untersuchen sie; sie sind Criminalrichter bei Verbrechen, aufweiche Strafen bis
drei Jahre öffentlicher Arbeit gesetzt sind, bei Diebstahlssachen bis zu zehn Jahren
Galeeren. Die Gewohnheit der Willkür bei Ausübung der Polizei und Ver¬
waltung geht gern auch in die Handhabung der Gerechtigkeit über.

Die Ordnung der Gerichtshöfe ist so verwickelt, daß selbst Eingeborne
gestehen, es sei schwer, sich in sie zu finden. Denn auch wo gewisse Refor¬
men eintraten, bestand doch das Alte nicht blos dem Namen nach auf befrem¬
dende Weise fort, wie es sich z. B. in Rom noch jetzt fühlbar macht, daß
früher der Papst Präsident aller Tribunale war. Die Unabhängigkeit der
richterlichen Gewalt steht allerdings gesetzlich fest, aber der Legat oder Delegat
kann in jedem Gerichtshof, welcher Kriminalsachen behandelt, den Vorsitz ein¬
nehmen; daß ihm kein Votum zugetheilt ist, ändert wenig. Im Hauptorte
jeder Provinz befindet sich ein Tribunalcollegium für Civil- und Criminalpro-
cessc. Nur Civilsachen dürfen öffentlich verhandelt werden. Die Mehrzahl
der Richter ist schlecht besoldet, etwas besser ist der mit den Stellen an den
Appellhöfen von Rom, Maccrata und Bologna verbundene Gehalt. Hier
aber besteht in den verschiedenen Gerichten mindestens die Hälfte, oft die Ge¬
sammtheit der Richter aus Klerikern. Einer der sieben votirenden Prälaten,
welche unter Vorsitz eines Kardinals das oberste Tribunal der Segnatum bilden,
wurde der Fälschung eines Urtheilsspruchs überführt--seine Strafe bestand darin,
daß man ihn mit vollem Gehalt pensionirte. Ebenso anrüchig ist das Appel¬
lationsgericht in Todesurtheilen della sacra Consulta. Die Richter sind hier


Verwaltungsbehörde der Provinz führen, die der Gemeinden bevormunden,
mit summarischer Gewalt zum Gefängniß verurtheilen und bis zu einem ge¬
wissen Maß von den Strafen entbinden. Die Delegaten haben weniger Spiel'
rann für ihre Willkür, aber auch weniger Autorität.

In jeder Provinz ist dem Statthalter, gleichviel ob er Legat oder Dele-
gat ist, eine Consulta von vier durch den Papst ernannten Laien beigegeben.
Die steilern für Provinzialzwecke werden von einem Provinzialrath vertheilt,
die für Gemeindczwccke von den Municipalrathen. Letztere ergänzen sich selbst;
aus drei von ihnen vorgeschlagenen Ortsbürgern wählt der Papst einen zu
den städtischen Behörden. Ebenso bezeichnet der Municipalrath die Wähler,
welche dem Papst sür jede Stelle eines Provinzialrathcs drei Personen zur
Auswahl prüsentiren. Auge und Hand des Statthalters ist der Governatore,
ein Laie. Es gibt deren in den verschiedenen Districten des platten Landes,
so wie in jeder größeren Stadt. Sie führen die Aufsicht über die Gemeinden,
deren Rathe sich nur auf ihren Befehl versammeln und nur Gegenstände er¬
örtern dürfen, welche von den Governatori zuvor gebilligt worden sind. Sie
haben den Vorsitz in den Gemcindercithen und Stimme in allen Commissionen
und Deputationen der Municipien. Als Polizeidircctorcn spioniren, verhaften
und untersuchen sie; sie sind Criminalrichter bei Verbrechen, aufweiche Strafen bis
drei Jahre öffentlicher Arbeit gesetzt sind, bei Diebstahlssachen bis zu zehn Jahren
Galeeren. Die Gewohnheit der Willkür bei Ausübung der Polizei und Ver¬
waltung geht gern auch in die Handhabung der Gerechtigkeit über.

Die Ordnung der Gerichtshöfe ist so verwickelt, daß selbst Eingeborne
gestehen, es sei schwer, sich in sie zu finden. Denn auch wo gewisse Refor¬
men eintraten, bestand doch das Alte nicht blos dem Namen nach auf befrem¬
dende Weise fort, wie es sich z. B. in Rom noch jetzt fühlbar macht, daß
früher der Papst Präsident aller Tribunale war. Die Unabhängigkeit der
richterlichen Gewalt steht allerdings gesetzlich fest, aber der Legat oder Delegat
kann in jedem Gerichtshof, welcher Kriminalsachen behandelt, den Vorsitz ein¬
nehmen; daß ihm kein Votum zugetheilt ist, ändert wenig. Im Hauptorte
jeder Provinz befindet sich ein Tribunalcollegium für Civil- und Criminalpro-
cessc. Nur Civilsachen dürfen öffentlich verhandelt werden. Die Mehrzahl
der Richter ist schlecht besoldet, etwas besser ist der mit den Stellen an den
Appellhöfen von Rom, Maccrata und Bologna verbundene Gehalt. Hier
aber besteht in den verschiedenen Gerichten mindestens die Hälfte, oft die Ge¬
sammtheit der Richter aus Klerikern. Einer der sieben votirenden Prälaten,
welche unter Vorsitz eines Kardinals das oberste Tribunal der Segnatum bilden,
wurde der Fälschung eines Urtheilsspruchs überführt—seine Strafe bestand darin,
daß man ihn mit vollem Gehalt pensionirte. Ebenso anrüchig ist das Appel¬
lationsgericht in Todesurtheilen della sacra Consulta. Die Richter sind hier


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[0344] Verwaltungsbehörde der Provinz führen, die der Gemeinden bevormunden, mit summarischer Gewalt zum Gefängniß verurtheilen und bis zu einem ge¬ wissen Maß von den Strafen entbinden. Die Delegaten haben weniger Spiel' rann für ihre Willkür, aber auch weniger Autorität. In jeder Provinz ist dem Statthalter, gleichviel ob er Legat oder Dele- gat ist, eine Consulta von vier durch den Papst ernannten Laien beigegeben. Die steilern für Provinzialzwecke werden von einem Provinzialrath vertheilt, die für Gemeindczwccke von den Municipalrathen. Letztere ergänzen sich selbst; aus drei von ihnen vorgeschlagenen Ortsbürgern wählt der Papst einen zu den städtischen Behörden. Ebenso bezeichnet der Municipalrath die Wähler, welche dem Papst sür jede Stelle eines Provinzialrathcs drei Personen zur Auswahl prüsentiren. Auge und Hand des Statthalters ist der Governatore, ein Laie. Es gibt deren in den verschiedenen Districten des platten Landes, so wie in jeder größeren Stadt. Sie führen die Aufsicht über die Gemeinden, deren Rathe sich nur auf ihren Befehl versammeln und nur Gegenstände er¬ örtern dürfen, welche von den Governatori zuvor gebilligt worden sind. Sie haben den Vorsitz in den Gemcindercithen und Stimme in allen Commissionen und Deputationen der Municipien. Als Polizeidircctorcn spioniren, verhaften und untersuchen sie; sie sind Criminalrichter bei Verbrechen, aufweiche Strafen bis drei Jahre öffentlicher Arbeit gesetzt sind, bei Diebstahlssachen bis zu zehn Jahren Galeeren. Die Gewohnheit der Willkür bei Ausübung der Polizei und Ver¬ waltung geht gern auch in die Handhabung der Gerechtigkeit über. Die Ordnung der Gerichtshöfe ist so verwickelt, daß selbst Eingeborne gestehen, es sei schwer, sich in sie zu finden. Denn auch wo gewisse Refor¬ men eintraten, bestand doch das Alte nicht blos dem Namen nach auf befrem¬ dende Weise fort, wie es sich z. B. in Rom noch jetzt fühlbar macht, daß früher der Papst Präsident aller Tribunale war. Die Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt steht allerdings gesetzlich fest, aber der Legat oder Delegat kann in jedem Gerichtshof, welcher Kriminalsachen behandelt, den Vorsitz ein¬ nehmen; daß ihm kein Votum zugetheilt ist, ändert wenig. Im Hauptorte jeder Provinz befindet sich ein Tribunalcollegium für Civil- und Criminalpro- cessc. Nur Civilsachen dürfen öffentlich verhandelt werden. Die Mehrzahl der Richter ist schlecht besoldet, etwas besser ist der mit den Stellen an den Appellhöfen von Rom, Maccrata und Bologna verbundene Gehalt. Hier aber besteht in den verschiedenen Gerichten mindestens die Hälfte, oft die Ge¬ sammtheit der Richter aus Klerikern. Einer der sieben votirenden Prälaten, welche unter Vorsitz eines Kardinals das oberste Tribunal der Segnatum bilden, wurde der Fälschung eines Urtheilsspruchs überführt—seine Strafe bestand darin, daß man ihn mit vollem Gehalt pensionirte. Ebenso anrüchig ist das Appel¬ lationsgericht in Todesurtheilen della sacra Consulta. Die Richter sind hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/344>, abgerufen am 14.05.2024.