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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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die damals nach den preußischen und hessischen als die besten galten. Er
wurde als Stabscapitain dem Jnfantricregimcnt zugetheilt, dessen Chef der
General von Riedesel war und dem auch hierbei die sonstige Aufsicht über
den Prinzen mit-übertragen war. Der Herzog hegte damals zu den militä¬
rischen Fähigkeiten des Prinzen kein besonderes Vertrauen; denn in einem
Briefe an Riedesel, datirt aus Halberstadt im Jahr 1787 heißt es unter
Anderem: "Wegen meinem Sohn Wilhelm bin ich Ew. Hochwohlgeboren
unendlich verbunden, ich wünsche, daß er durch Dero Anleitung etwas männ¬
licher werden möge, welches um so mehr zu wünschen stehet, da Alles sonst
scheint übereinzustimmen, aus ihm einen seigen Buben zu machen. Dieselben
werden von mir wohl glauben, daß ich das Geschwätz wegen der großen
Fatiguen gar nicht mal beachte. Wenn er dienen will, so muß er jung sich
gewöhnen, seine Kräfte anzustrengen, sonsten wird aus dem Jungen nichts
werden."

In Prinz Wilhelm glühte eine Feuerseele, die sich dem väterlichen
Zwang nur schwer fügte. Schon jetzt durchbrach das jugendliche Ungestüm
zuweilen die ihm gezogenen Schranken, wodurch nicht selten heftige Scenen zwi¬
schen Vater und Sohn herbeigeführt wurden. Letzterer sah im Herzog weniger
den Vater, als den strengen rücksichtslosen Vorgesetzten, und Jener im Sohne
mehr den Trotzigen. Unbeugsamen. Das Verhältniß zwischen beiden gestal¬
tete sich immer schroffer.

Was der Vater dem Sohne versagte, sollte diesem zum Theil ein älterer
Freund ersetzen: er schenkte dem wackern General Riedesel, der sich wohl
nicht immer allzustreng an des Herzogs Ordere binde" zu müssen glaubte,
mehr und mehr sein Vertrauen. Der General, noch aus der Schule des be¬
rühmten Herzogs Ferdinand war zwar ein überaus pünklichcr und strenger
Vorgesetzter, aber dabei ein humaner, rechtlicher und gebildeter Mann.
Auch in dessen liebenswürdiger Familie befand sich der Prinz wohler als im
väterliche" Schlosse, weßhalb er diese so häufig als möglich aufsuchte. Schon
damals wußte der Prinz den Werth dieser Freundschaft und des Wohlwollens
zu schätzen; denn er schrieb im Herbst 1737, als er seine erste größere Reise
nach Italien machen wollte, von Lausanne aus an den General: "Mit wah¬
rem Danke ergreife ich die Feder, um Ew. Excellenz noch vielmals für die
ausnehmende Mühe zu danken, die Sie während der Excrcierzeit sich mit mir
geben wollen, da ich aber leider noch nicht im Stande bin meine Dankbar¬
keit anders als durch Worte auszudrücken, so habe ich es meiner Schuldigkeit
gemäß geachtet, Sie wenigstens eines gute" Willens zu versichern."

Der Herzog ließ bekanntlich den Prinzen wegen der in Frankreich zu¬
nehmenden Gährung nach Braunschweig zurückrufen. Bald nach der Rück¬
kehr trat der Prinz nach dem Willen des Vaters in das zu Magdeburg gar-


die damals nach den preußischen und hessischen als die besten galten. Er
wurde als Stabscapitain dem Jnfantricregimcnt zugetheilt, dessen Chef der
General von Riedesel war und dem auch hierbei die sonstige Aufsicht über
den Prinzen mit-übertragen war. Der Herzog hegte damals zu den militä¬
rischen Fähigkeiten des Prinzen kein besonderes Vertrauen; denn in einem
Briefe an Riedesel, datirt aus Halberstadt im Jahr 1787 heißt es unter
Anderem: „Wegen meinem Sohn Wilhelm bin ich Ew. Hochwohlgeboren
unendlich verbunden, ich wünsche, daß er durch Dero Anleitung etwas männ¬
licher werden möge, welches um so mehr zu wünschen stehet, da Alles sonst
scheint übereinzustimmen, aus ihm einen seigen Buben zu machen. Dieselben
werden von mir wohl glauben, daß ich das Geschwätz wegen der großen
Fatiguen gar nicht mal beachte. Wenn er dienen will, so muß er jung sich
gewöhnen, seine Kräfte anzustrengen, sonsten wird aus dem Jungen nichts
werden."

In Prinz Wilhelm glühte eine Feuerseele, die sich dem väterlichen
Zwang nur schwer fügte. Schon jetzt durchbrach das jugendliche Ungestüm
zuweilen die ihm gezogenen Schranken, wodurch nicht selten heftige Scenen zwi¬
schen Vater und Sohn herbeigeführt wurden. Letzterer sah im Herzog weniger
den Vater, als den strengen rücksichtslosen Vorgesetzten, und Jener im Sohne
mehr den Trotzigen. Unbeugsamen. Das Verhältniß zwischen beiden gestal¬
tete sich immer schroffer.

Was der Vater dem Sohne versagte, sollte diesem zum Theil ein älterer
Freund ersetzen: er schenkte dem wackern General Riedesel, der sich wohl
nicht immer allzustreng an des Herzogs Ordere binde» zu müssen glaubte,
mehr und mehr sein Vertrauen. Der General, noch aus der Schule des be¬
rühmten Herzogs Ferdinand war zwar ein überaus pünklichcr und strenger
Vorgesetzter, aber dabei ein humaner, rechtlicher und gebildeter Mann.
Auch in dessen liebenswürdiger Familie befand sich der Prinz wohler als im
väterliche» Schlosse, weßhalb er diese so häufig als möglich aufsuchte. Schon
damals wußte der Prinz den Werth dieser Freundschaft und des Wohlwollens
zu schätzen; denn er schrieb im Herbst 1737, als er seine erste größere Reise
nach Italien machen wollte, von Lausanne aus an den General: „Mit wah¬
rem Danke ergreife ich die Feder, um Ew. Excellenz noch vielmals für die
ausnehmende Mühe zu danken, die Sie während der Excrcierzeit sich mit mir
geben wollen, da ich aber leider noch nicht im Stande bin meine Dankbar¬
keit anders als durch Worte auszudrücken, so habe ich es meiner Schuldigkeit
gemäß geachtet, Sie wenigstens eines gute» Willens zu versichern."

Der Herzog ließ bekanntlich den Prinzen wegen der in Frankreich zu¬
nehmenden Gährung nach Braunschweig zurückrufen. Bald nach der Rück¬
kehr trat der Prinz nach dem Willen des Vaters in das zu Magdeburg gar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/40>, abgerufen am 15.05.2024.