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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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sonders die Erschöpfung der Gruben das Sinken des Bergbaus befördert zu
haben; denn nach Alexander dein Großen deckte der Gewinn bei der größten
Rührigkeit im Anbau nicht einmal immer die Betriebskosten, und im ersten
Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung gab man die Gruben auf und durch¬
suchte mir noch einmal die alten Schlacken. Während nun bei der Betheili¬
gung an Gruben und Hüttenwerken noch viel auf Eifer und Geschick der Un¬
ternehmer ankam, war dagegen die Pachtung der Kopf- und, Gewerbesteuer
mehr ein Glücksspiel, dessen Resultat von der Sterblichkeit, der Aus- und Ein¬
wanderung, überhaupt vom Steigen und Fallen der Einwohnerzahl abhing.
Uebrigens waren die Bürger selbst nicht direct besteuert, wohl aber die in
Athen ansässigen Fremden, in deren Handen vorzüglich Handel und Gewerbe
lagen, und die Sklaven. Da nun der Mann 3 Thlr., die Frau die Hälfte
und der Sklave 3 -- 4 Groschen Kopfsteuer bezahlte, so läßt sich die Total¬
summe bei 12000 steuerpflichtigen Schutzverwandten und 365,000 Sklaven
auf 75,000 Thlr. anschlagen. Ueber die Gewerbesteuer, die jedenfalls wieder
an andere Leute verpachtet wurde, wissen wir nichts Näheres; daß sie aber
in ziemlich weitem Umfange stattgefunden habe, ersieht man aus der Eintrei¬
bung der schmutzigen Helärcnsteuer. Genauere Einsicht steht dagegen in das
ätherische Zollwesen und in die Betheiligung der Privaten an dessen Ver¬
waltung offen. Soweit man zurückblicken kann, ist das Freihandelssystem nirgends
zu finden. Schutzzölle, Monopole, Ein- und Anssuhrverbote existiren allent¬
halben als Maßregeln der Staatskunst. Der freisinnige Solon verbot alle
Ausfuhr aus Attika, das Oel ausgenommen. Auch später blieb die Ausfuhr
des Getreides und aller zum Schiffsbau nöthigen Gegenstände verpönt und
ein Zoll von zwei Prozent auf allen Waaren, selbst auf dem für das Land
unentbehrlichen fremden Getreide. Diese Zölle übernahmen bald einzelne Per¬
sonen, bald größere Gesellschaften, die einen Direktor an der Spitze hatten,
auf dessen Namen die Pacht lief. Dabei mußten Bürgen gestellt werden, die
wahrscheinlich aus Mitgliedern der Gesellschaften bestanden und es geschah so¬
gleich nach dem Abschluß des Contractes eine Vorauszahlung, welcher die
übrige Liquidirung in bestimmten Terminen nachfolgte. Wer nicht zahlte,
wurde ehrlos, bei der nächsten Frist zum Doppelten verurtheilt, und ging zuletzt sei¬
nes Vermögens verlustig. Die Einnahme der Zölle geschah theils durch die Pächter
selbst, theils durch eine Menge Unterbeamter, die meist Sklaven der Unternehmer
waren. Zur Abwartung ihrer Geschäfte war letzteren Freiheit vom Kriegsdienste
gewährt, anch schützte sie der Staat im eigenen Interesse durch strenge Gesetze gegen
Defraudationen. So kann man sich leicht denken, daß das Verpachtungssystem beim
Zollwesen noch mehr Uebelstände mit sich führte und das Publikum noch ärgeren
Plackereien aussetzte als die Zollerhebung durch Staatsdiener in unserer Zeit.
Eigennutz und Habsucht reizten damals gewiß die Einnehmer stärker zu Strenge


sonders die Erschöpfung der Gruben das Sinken des Bergbaus befördert zu
haben; denn nach Alexander dein Großen deckte der Gewinn bei der größten
Rührigkeit im Anbau nicht einmal immer die Betriebskosten, und im ersten
Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung gab man die Gruben auf und durch¬
suchte mir noch einmal die alten Schlacken. Während nun bei der Betheili¬
gung an Gruben und Hüttenwerken noch viel auf Eifer und Geschick der Un¬
ternehmer ankam, war dagegen die Pachtung der Kopf- und, Gewerbesteuer
mehr ein Glücksspiel, dessen Resultat von der Sterblichkeit, der Aus- und Ein¬
wanderung, überhaupt vom Steigen und Fallen der Einwohnerzahl abhing.
Uebrigens waren die Bürger selbst nicht direct besteuert, wohl aber die in
Athen ansässigen Fremden, in deren Handen vorzüglich Handel und Gewerbe
lagen, und die Sklaven. Da nun der Mann 3 Thlr., die Frau die Hälfte
und der Sklave 3 — 4 Groschen Kopfsteuer bezahlte, so läßt sich die Total¬
summe bei 12000 steuerpflichtigen Schutzverwandten und 365,000 Sklaven
auf 75,000 Thlr. anschlagen. Ueber die Gewerbesteuer, die jedenfalls wieder
an andere Leute verpachtet wurde, wissen wir nichts Näheres; daß sie aber
in ziemlich weitem Umfange stattgefunden habe, ersieht man aus der Eintrei¬
bung der schmutzigen Helärcnsteuer. Genauere Einsicht steht dagegen in das
ätherische Zollwesen und in die Betheiligung der Privaten an dessen Ver¬
waltung offen. Soweit man zurückblicken kann, ist das Freihandelssystem nirgends
zu finden. Schutzzölle, Monopole, Ein- und Anssuhrverbote existiren allent¬
halben als Maßregeln der Staatskunst. Der freisinnige Solon verbot alle
Ausfuhr aus Attika, das Oel ausgenommen. Auch später blieb die Ausfuhr
des Getreides und aller zum Schiffsbau nöthigen Gegenstände verpönt und
ein Zoll von zwei Prozent auf allen Waaren, selbst auf dem für das Land
unentbehrlichen fremden Getreide. Diese Zölle übernahmen bald einzelne Per¬
sonen, bald größere Gesellschaften, die einen Direktor an der Spitze hatten,
auf dessen Namen die Pacht lief. Dabei mußten Bürgen gestellt werden, die
wahrscheinlich aus Mitgliedern der Gesellschaften bestanden und es geschah so¬
gleich nach dem Abschluß des Contractes eine Vorauszahlung, welcher die
übrige Liquidirung in bestimmten Terminen nachfolgte. Wer nicht zahlte,
wurde ehrlos, bei der nächsten Frist zum Doppelten verurtheilt, und ging zuletzt sei¬
nes Vermögens verlustig. Die Einnahme der Zölle geschah theils durch die Pächter
selbst, theils durch eine Menge Unterbeamter, die meist Sklaven der Unternehmer
waren. Zur Abwartung ihrer Geschäfte war letzteren Freiheit vom Kriegsdienste
gewährt, anch schützte sie der Staat im eigenen Interesse durch strenge Gesetze gegen
Defraudationen. So kann man sich leicht denken, daß das Verpachtungssystem beim
Zollwesen noch mehr Uebelstände mit sich führte und das Publikum noch ärgeren
Plackereien aussetzte als die Zollerhebung durch Staatsdiener in unserer Zeit.
Eigennutz und Habsucht reizten damals gewiß die Einnehmer stärker zu Strenge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/400>, abgerufen am 16.05.2024.