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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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und Unnachsichtlichkeit als der abstracte Amtseifer ihre heutigen College" und
ein heimlicher Händedruck mit glänzender Einlage hätte das Uebel wol nur
"och schlimmer gemacht. Die Artikel, welche die Zolllinie passirten, wurden
zwar declarirt und in die Listen von den Beamten eingetragen; außerdem fand
aber bei den Griechen, wie später bei den Römern noch specielle Durchsuchung
statt (bei den Römern nahm das Gesetz hierbei die Matronen aus). Cicero
sagt deshalb von den Douaniers: "Sie schütteln die Leute ganz aus;" und
Plutarch: "Die Zöllner fallen uns lästig, nicht wenn sie unter den ein¬
geführten Sachen sortiren, sondern wenn sie nach dem Verborgenen suchend
im fremden Gepäcke herumwühlen." In den "Zwillingsbrüdern" des Plau-
tus spricht Menächmus zu seiner neugierigen Fran: "Wenn du fortfährst mich
so zu behandeln, sollst Du bald als Wittwe deinen Vater wiedersehen; denn
wenn ich ausgehen will, hältst Du mich zurück und forschest, wohin ich gehe,
was ich vorhabe, was für ein Geschäft ich besorgen wolle, was ich suche,
was ich bringe, was ich gethan habe. Als ha.be ich mir einen Zöllner ins
Haus geführt, so muß ich Alles, was ich thue und gethan habe, ansagen."
Ja sogar das Briefgeheimniß wurde von ihnen keineswegs respectirt; wenig¬
stens will in einem andern plautinischen Stücke Jemand das Fehlen des Sie¬
gels an einem gefälschten Briefe damit entschuldigen, daß er sagt, der Bries
sei aus dem Zollamte erbrochen und eingesehen worden. So konnten also
auch schon in der alten Zeit die Beamten der Zollkompagnien nicht auf Be¬
liebtheit beim Publikum rechnen, und wenn auch in Athen alle unverzollten
Waaren confiszirt wurden, so scheint doch Schmuggelei dort an der Tagesord¬
nung gewesen zu sein. Eigentlich "rußten alle Waaren, die in Athen oder
im attischen Gebiete abgesetzt werden sollten, im Piräus, dem abgegrenzten
Emporium Athens, ausgeladen und verzollt werden. Man umging diese Be¬
stimmung aber leicht, indem man in den unweit Athen gelegene", sogenann¬
ten Diebshafen el"lief. Daß hier wenig Controle gewesen ist, ergibt sich
deutlich aus Demosthenes Rede gegen Lakritus, wo es heißt: "Es ist aber,
wenn Jemand ein Schiff in den Diebshafen führt, ungefähr ebenso, wie
wenn er in Megara oder Aegina anlandete, da es freisteht, ans dieser Bucht
wegzusegeln wohin uno wann es Jedem beliebt." Wenigstens scheint die
Versteuerung der Ladung ohne Visitation des Schiffes am Lande gesckehen
zu sein. Die strengsten Maßnahmen gegen Zolldefraudanten müssen übri¬
gens in Olbia (am Dniepr) geherrscht haben, wo der Vater des Philosophen
Bion um 300 v. Chr. als Schmuggler mit seinem ganzen Hause verkauft
worden sein soll.

Außer diesen Gelegenheiten zu Compagnicgeschäften, welche der Staat
gab, suchten ferner die Rentner oft durch gemeinschaftliche Betheiligung an
Handelsgeschäften ihr Vermögen zu vergrößern. Zwar der eigentliche Be-


und Unnachsichtlichkeit als der abstracte Amtseifer ihre heutigen College» und
ein heimlicher Händedruck mit glänzender Einlage hätte das Uebel wol nur
»och schlimmer gemacht. Die Artikel, welche die Zolllinie passirten, wurden
zwar declarirt und in die Listen von den Beamten eingetragen; außerdem fand
aber bei den Griechen, wie später bei den Römern noch specielle Durchsuchung
statt (bei den Römern nahm das Gesetz hierbei die Matronen aus). Cicero
sagt deshalb von den Douaniers: „Sie schütteln die Leute ganz aus;" und
Plutarch: „Die Zöllner fallen uns lästig, nicht wenn sie unter den ein¬
geführten Sachen sortiren, sondern wenn sie nach dem Verborgenen suchend
im fremden Gepäcke herumwühlen." In den „Zwillingsbrüdern" des Plau-
tus spricht Menächmus zu seiner neugierigen Fran: „Wenn du fortfährst mich
so zu behandeln, sollst Du bald als Wittwe deinen Vater wiedersehen; denn
wenn ich ausgehen will, hältst Du mich zurück und forschest, wohin ich gehe,
was ich vorhabe, was für ein Geschäft ich besorgen wolle, was ich suche,
was ich bringe, was ich gethan habe. Als ha.be ich mir einen Zöllner ins
Haus geführt, so muß ich Alles, was ich thue und gethan habe, ansagen."
Ja sogar das Briefgeheimniß wurde von ihnen keineswegs respectirt; wenig¬
stens will in einem andern plautinischen Stücke Jemand das Fehlen des Sie¬
gels an einem gefälschten Briefe damit entschuldigen, daß er sagt, der Bries
sei aus dem Zollamte erbrochen und eingesehen worden. So konnten also
auch schon in der alten Zeit die Beamten der Zollkompagnien nicht auf Be¬
liebtheit beim Publikum rechnen, und wenn auch in Athen alle unverzollten
Waaren confiszirt wurden, so scheint doch Schmuggelei dort an der Tagesord¬
nung gewesen zu sein. Eigentlich »rußten alle Waaren, die in Athen oder
im attischen Gebiete abgesetzt werden sollten, im Piräus, dem abgegrenzten
Emporium Athens, ausgeladen und verzollt werden. Man umging diese Be¬
stimmung aber leicht, indem man in den unweit Athen gelegene», sogenann¬
ten Diebshafen el»lief. Daß hier wenig Controle gewesen ist, ergibt sich
deutlich aus Demosthenes Rede gegen Lakritus, wo es heißt: „Es ist aber,
wenn Jemand ein Schiff in den Diebshafen führt, ungefähr ebenso, wie
wenn er in Megara oder Aegina anlandete, da es freisteht, ans dieser Bucht
wegzusegeln wohin uno wann es Jedem beliebt." Wenigstens scheint die
Versteuerung der Ladung ohne Visitation des Schiffes am Lande gesckehen
zu sein. Die strengsten Maßnahmen gegen Zolldefraudanten müssen übri¬
gens in Olbia (am Dniepr) geherrscht haben, wo der Vater des Philosophen
Bion um 300 v. Chr. als Schmuggler mit seinem ganzen Hause verkauft
worden sein soll.

Außer diesen Gelegenheiten zu Compagnicgeschäften, welche der Staat
gab, suchten ferner die Rentner oft durch gemeinschaftliche Betheiligung an
Handelsgeschäften ihr Vermögen zu vergrößern. Zwar der eigentliche Be-


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[0401] und Unnachsichtlichkeit als der abstracte Amtseifer ihre heutigen College» und ein heimlicher Händedruck mit glänzender Einlage hätte das Uebel wol nur »och schlimmer gemacht. Die Artikel, welche die Zolllinie passirten, wurden zwar declarirt und in die Listen von den Beamten eingetragen; außerdem fand aber bei den Griechen, wie später bei den Römern noch specielle Durchsuchung statt (bei den Römern nahm das Gesetz hierbei die Matronen aus). Cicero sagt deshalb von den Douaniers: „Sie schütteln die Leute ganz aus;" und Plutarch: „Die Zöllner fallen uns lästig, nicht wenn sie unter den ein¬ geführten Sachen sortiren, sondern wenn sie nach dem Verborgenen suchend im fremden Gepäcke herumwühlen." In den „Zwillingsbrüdern" des Plau- tus spricht Menächmus zu seiner neugierigen Fran: „Wenn du fortfährst mich so zu behandeln, sollst Du bald als Wittwe deinen Vater wiedersehen; denn wenn ich ausgehen will, hältst Du mich zurück und forschest, wohin ich gehe, was ich vorhabe, was für ein Geschäft ich besorgen wolle, was ich suche, was ich bringe, was ich gethan habe. Als ha.be ich mir einen Zöllner ins Haus geführt, so muß ich Alles, was ich thue und gethan habe, ansagen." Ja sogar das Briefgeheimniß wurde von ihnen keineswegs respectirt; wenig¬ stens will in einem andern plautinischen Stücke Jemand das Fehlen des Sie¬ gels an einem gefälschten Briefe damit entschuldigen, daß er sagt, der Bries sei aus dem Zollamte erbrochen und eingesehen worden. So konnten also auch schon in der alten Zeit die Beamten der Zollkompagnien nicht auf Be¬ liebtheit beim Publikum rechnen, und wenn auch in Athen alle unverzollten Waaren confiszirt wurden, so scheint doch Schmuggelei dort an der Tagesord¬ nung gewesen zu sein. Eigentlich »rußten alle Waaren, die in Athen oder im attischen Gebiete abgesetzt werden sollten, im Piräus, dem abgegrenzten Emporium Athens, ausgeladen und verzollt werden. Man umging diese Be¬ stimmung aber leicht, indem man in den unweit Athen gelegene», sogenann¬ ten Diebshafen el»lief. Daß hier wenig Controle gewesen ist, ergibt sich deutlich aus Demosthenes Rede gegen Lakritus, wo es heißt: „Es ist aber, wenn Jemand ein Schiff in den Diebshafen führt, ungefähr ebenso, wie wenn er in Megara oder Aegina anlandete, da es freisteht, ans dieser Bucht wegzusegeln wohin uno wann es Jedem beliebt." Wenigstens scheint die Versteuerung der Ladung ohne Visitation des Schiffes am Lande gesckehen zu sein. Die strengsten Maßnahmen gegen Zolldefraudanten müssen übri¬ gens in Olbia (am Dniepr) geherrscht haben, wo der Vater des Philosophen Bion um 300 v. Chr. als Schmuggler mit seinem ganzen Hause verkauft worden sein soll. Außer diesen Gelegenheiten zu Compagnicgeschäften, welche der Staat gab, suchten ferner die Rentner oft durch gemeinschaftliche Betheiligung an Handelsgeschäften ihr Vermögen zu vergrößern. Zwar der eigentliche Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/401>, abgerufen am 11.06.2024.