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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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werth: am interessantesten ist der vom K. Febr. an Sir James Hudson:
die Abtretung Savoyens wäre ein Fleck auf dem Wappenschild des erlauchten
Hauses! Der letzte Warnbrief nach Paris geht den 13. Febr. ab.

Den 10. Febr. entdeckt Sir James Hudson, die eroberungssüchtige Schweiz
sei nicht unwesentlich mit schuld an den Eroberungsgelüsten des Kaiser Na¬
poleon! Cavour weiß noch immer von nichts.

Nun geht etwas vor, das noch unbekannt ist.

Daraus 24. Febr. Ultimatum Thouvenels an Cavour: Parma und
Modena sollen an Sardinien fallen, die Romagna als päpstliches Lehn; Tos-
kana bildet einen Staat für sich (nach mündlicher Erklärung wird die Can-
didatur eines piemontesischen Prinzen nicht gestattet); Savoyen und Nizza
an Frankreich. Gründe: Durch Einverleibung Toskanas falle das Königreich
der propagandistischen Partei anheim, und bedrohe Venedig, die Marken und
Neapel. Geht Sardinien auf alles das ein, so garantirt ihm Frankreich die
Ausschließung jeder Intervention. -- Wo nicht, möge es für sich selbst sorgen.

An demselben Tage Depesche nach London: Frankreich sei im Princip
entschieden für die Anwendung des allgemeinen Stimmrechts auf Mittelitalien;
da nun aber England, so wie Farini und Nicasoli dagegen seien, so u. s. w.

Den Tag vorher mündliche Erklärung Thouvenels an Lord Cooley:
daß, mögen die (4 englischen?) Vorschläge angenommen oder abgelehnt wer¬
den, durch sie die kaiserliche Regierung in den Stand gesetzt sei, sich der öst¬
reichischen Regierung gegenüber aus loyale ehrenvolle Art von Engagements
frei zu machen, deren Erfüllung unmöglich geworden.

29. Febr. -- Cavour, der am 20. Febr. in einem Circularschreiben ge¬
gen die östreichischen Bedrückungen in Venetien protestirt, gibt Farini und
Nicasoli die Weisung, eine neue Abstimmung nach allgemeinem Stimmrecht
zu veranlassen; jedes Individuum über 21 Jahr soll erklären: ob Anschluß
an Sardinien? ob eigner Staat? -- Die königliche Regierung erklärt von
vornherein, das Resultat der Abstimmung anzunehmen. -- Demnach wird,
2. März, die Abstimmung von Farini und Nicasoli auf den 11. und 12.
März angeordnet; natürlich ganz frei. (Den 6. März große Verhaftungen in
Neapel.)

1. März. -- Cavour meldet seinen Entschluß nach Paris, mit tiefstem
Bedauern; der König könne nicht mehr zurück. Den 2. März spricht er sich
über Savoyen und Nizza aus; der König wolle natürlich nichts abtreten,
aber da die Lage jener Provinzen wirklich eine andere geworden sei, so wäre
es ungerecht, das allgemeine Stimmrecht, den Rechtsboden, mit dem die neue
Ordnung der Dinge steht und füllt, nicht auch auf diese Provinzen anzu¬
wenden.

Die französische Thronrede ist vom i. März. Arche, der außerordentliche


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werth: am interessantesten ist der vom K. Febr. an Sir James Hudson:
die Abtretung Savoyens wäre ein Fleck auf dem Wappenschild des erlauchten
Hauses! Der letzte Warnbrief nach Paris geht den 13. Febr. ab.

Den 10. Febr. entdeckt Sir James Hudson, die eroberungssüchtige Schweiz
sei nicht unwesentlich mit schuld an den Eroberungsgelüsten des Kaiser Na¬
poleon! Cavour weiß noch immer von nichts.

Nun geht etwas vor, das noch unbekannt ist.

Daraus 24. Febr. Ultimatum Thouvenels an Cavour: Parma und
Modena sollen an Sardinien fallen, die Romagna als päpstliches Lehn; Tos-
kana bildet einen Staat für sich (nach mündlicher Erklärung wird die Can-
didatur eines piemontesischen Prinzen nicht gestattet); Savoyen und Nizza
an Frankreich. Gründe: Durch Einverleibung Toskanas falle das Königreich
der propagandistischen Partei anheim, und bedrohe Venedig, die Marken und
Neapel. Geht Sardinien auf alles das ein, so garantirt ihm Frankreich die
Ausschließung jeder Intervention. — Wo nicht, möge es für sich selbst sorgen.

An demselben Tage Depesche nach London: Frankreich sei im Princip
entschieden für die Anwendung des allgemeinen Stimmrechts auf Mittelitalien;
da nun aber England, so wie Farini und Nicasoli dagegen seien, so u. s. w.

Den Tag vorher mündliche Erklärung Thouvenels an Lord Cooley:
daß, mögen die (4 englischen?) Vorschläge angenommen oder abgelehnt wer¬
den, durch sie die kaiserliche Regierung in den Stand gesetzt sei, sich der öst¬
reichischen Regierung gegenüber aus loyale ehrenvolle Art von Engagements
frei zu machen, deren Erfüllung unmöglich geworden.

29. Febr. — Cavour, der am 20. Febr. in einem Circularschreiben ge¬
gen die östreichischen Bedrückungen in Venetien protestirt, gibt Farini und
Nicasoli die Weisung, eine neue Abstimmung nach allgemeinem Stimmrecht
zu veranlassen; jedes Individuum über 21 Jahr soll erklären: ob Anschluß
an Sardinien? ob eigner Staat? — Die königliche Regierung erklärt von
vornherein, das Resultat der Abstimmung anzunehmen. — Demnach wird,
2. März, die Abstimmung von Farini und Nicasoli auf den 11. und 12.
März angeordnet; natürlich ganz frei. (Den 6. März große Verhaftungen in
Neapel.)

1. März. — Cavour meldet seinen Entschluß nach Paris, mit tiefstem
Bedauern; der König könne nicht mehr zurück. Den 2. März spricht er sich
über Savoyen und Nizza aus; der König wolle natürlich nichts abtreten,
aber da die Lage jener Provinzen wirklich eine andere geworden sei, so wäre
es ungerecht, das allgemeine Stimmrecht, den Rechtsboden, mit dem die neue
Ordnung der Dinge steht und füllt, nicht auch auf diese Provinzen anzu¬
wenden.

Die französische Thronrede ist vom i. März. Arche, der außerordentliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/479>, abgerufen am 14.05.2024.