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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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gab. So kam es oft vor. daß er eine Schildwache mit dem strengsten Ernst
vom Kopf bis zum Fuß musterte, von Vorne und Hinten -- lediglich um
einen Zwanziger in die Tasche des Soldaten gelangen zu lassen.

Sämmtliche Offiziere sprachen, wie mir schien aufrichtig, die Freude aus.
daß 'es im letztverwichenen Herbst in Deutschland nicht zum Losschlagen ge¬
kommen sei. Oberst Graf H , . >. Chef des Generalstabs vom 7. Corps in
Verona, welcher jetzt den General Benedeck vertritt, bot mir eine bittere
Pille trotz aller Uebergoldung: daß die brave, vortreffliche preußische Armee
für ein revolutionäres Prinzip habe fechten sollen; denn sie, die Oestreicher,
hätten ja die gute Sache vertreten. Man war der Meinung, man würde
trotz der sechs uach Deutschland entsendeten Brigaden (im Sommer 1850,
als wir handeln mußten, standen nicht 30,000 M. in Böhmen!) Italien ha¬
ben im Zaum halten können, was ich entschieden bezweifle. Es hieß, der
sardinische Kriegsminister Della Marmora erstrebe zwar Kriegsruhm, allein
die Savouarden hätten keine Lust ferner für Piemont zu fechten und wünsch¬
ten eine Vereinigung mit dem sprachverwandten Frankreich.

Der erste Generaladjutant -- ich erinnere mich seines Namens nicht
mehr -- sprach auch viel von der Sympathie der östreichischen Armee für die
preußische. Ich versicherte, das werde erwidert: allein anders stehe es mit
Oestreichs Politik. Die Note des Fürsten Schwarzenberg an die kaiser¬
lichen Gesandtschaften mit der Bemerkung: Es habe Oestreich die überwie¬
genden Vortheile seiner Situation nicht zur DemüthigungPrcußens benutzen
wollen, sei nicht desavouirt worden. Das könne vielleicht eine folgende Ge¬
neration vergessen; die gegenwärtige müsse -- und die Herrn seien zu sehr Sol¬
daten, um das nicht gerecht zu finden -- die Satisfaktion des Schlachtfeldes
ersehnen.

Bis zum Abgang des Bahnzuges fuhr mich Graf L......im Park
spazieren. Die Anlage ist großartig. Villen, Landgüter, Bauernhöfe wech¬
seln mit kleinen Waldungen, verbunden durch Alleen seltener Baumarten,
überall strömt das klarste Wasser, überall bieten sich köstliche Durchblicke nach
den Alpen, wo hoch über Wolken der Monte Rosa in Abendbeleuchtung
glühte.




gab. So kam es oft vor. daß er eine Schildwache mit dem strengsten Ernst
vom Kopf bis zum Fuß musterte, von Vorne und Hinten — lediglich um
einen Zwanziger in die Tasche des Soldaten gelangen zu lassen.

Sämmtliche Offiziere sprachen, wie mir schien aufrichtig, die Freude aus.
daß 'es im letztverwichenen Herbst in Deutschland nicht zum Losschlagen ge¬
kommen sei. Oberst Graf H , . >. Chef des Generalstabs vom 7. Corps in
Verona, welcher jetzt den General Benedeck vertritt, bot mir eine bittere
Pille trotz aller Uebergoldung: daß die brave, vortreffliche preußische Armee
für ein revolutionäres Prinzip habe fechten sollen; denn sie, die Oestreicher,
hätten ja die gute Sache vertreten. Man war der Meinung, man würde
trotz der sechs uach Deutschland entsendeten Brigaden (im Sommer 1850,
als wir handeln mußten, standen nicht 30,000 M. in Böhmen!) Italien ha¬
ben im Zaum halten können, was ich entschieden bezweifle. Es hieß, der
sardinische Kriegsminister Della Marmora erstrebe zwar Kriegsruhm, allein
die Savouarden hätten keine Lust ferner für Piemont zu fechten und wünsch¬
ten eine Vereinigung mit dem sprachverwandten Frankreich.

Der erste Generaladjutant — ich erinnere mich seines Namens nicht
mehr — sprach auch viel von der Sympathie der östreichischen Armee für die
preußische. Ich versicherte, das werde erwidert: allein anders stehe es mit
Oestreichs Politik. Die Note des Fürsten Schwarzenberg an die kaiser¬
lichen Gesandtschaften mit der Bemerkung: Es habe Oestreich die überwie¬
genden Vortheile seiner Situation nicht zur DemüthigungPrcußens benutzen
wollen, sei nicht desavouirt worden. Das könne vielleicht eine folgende Ge¬
neration vergessen; die gegenwärtige müsse — und die Herrn seien zu sehr Sol¬
daten, um das nicht gerecht zu finden — die Satisfaktion des Schlachtfeldes
ersehnen.

Bis zum Abgang des Bahnzuges fuhr mich Graf L......im Park
spazieren. Die Anlage ist großartig. Villen, Landgüter, Bauernhöfe wech¬
seln mit kleinen Waldungen, verbunden durch Alleen seltener Baumarten,
überall strömt das klarste Wasser, überall bieten sich köstliche Durchblicke nach
den Alpen, wo hoch über Wolken der Monte Rosa in Abendbeleuchtung
glühte.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/68>, abgerufen am 13.05.2024.