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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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begannen sich diese Verhältnisse anders zu gestalten und seit dem 17. Jahr¬
hunderte bildeten sich die Lehengüter theilweise wieder zu Alloden um. Die
hiesigen Güter waren, so weit historische Nachrichten reichen, immer erblich,
ein Umstand, der in früherer Zeit als wohlberechtigt erscheint, wenn man auch
jetzt -- in mancher Hinsicht mit Recht -- Einwendungen gegen die Erblichkeit
der Lehen erhebt. Die Lehen waren nämlich, ganz besonders in Mecklenburg,
Besitze, welche durch mehrere Jahrhunderte hin mit den Waffen in der Hand
gegen innere und äußere Feinde die Besitzer sich erhalten mußten; sie hatten
nur geringen materiellen Werth und mußten, oft verwüstet, oft wieder culti-
virt werden. Dazu kam, daß früher andere Entschädigungs- und Vergü¬
tungsweisen für geleistete besondere Dienste nicht gebräuchlich waren, wie sie
jetzt in Gelde geschehn und ebenfalls den Erben zu Gute kommen.

Heute bestehe" in Mecklenburg 383'/- Allode und 620'/- Lehengüter, welche
letztere (und Ausnahme von 4 Frauenzimmer- oder Kunkellehen) sämmtlich
Mannlehcn sind. Von den Alloden sind 29 und von den Lehengütcrn 49
Familienfideicommisse, unter welchen sich nur 2 bürgerliche befinden. Einige
Güter haben einen Umfang von mehr als 1 Million Quadratruthen (10000
neckt. -- 15283 prcuß. Q.R.), also etwa'/-- H> Meile Areal, unter den Fidei-
commissen aber finden sich Besitzungen von fast fürstliche", Umfange. Beispiels¬
weise nennen wir das Graf Plessen-Jvenacksche, welches IV.IH M. mit 2000
Einw., das GrafBothmer-Bothmersche, welches IV" lüM. mit 2600 Einw.. das
Gras von der Schulenburg-Krankowsche, welches sast V- H>M. mit 700 Einw..
das Graf Bernstorff-Dreilützowsche, welches fast 1 mM. mit 1300 Einw.. das
GrafSchlieffen-Schlieffenbergsche, welches V- H>M. mit 700 Einw., das Graf
Schlieffen-Schwandtsche, welches V- üM. mit 380 Einw. enthält. Die übrigen
Fideicommisse haben fast alle eine Größe von V° bis V-IüM.; die größten
Besitzungen des Landes aber, die Graf Hahn-Basedowschen, welche 4 >mM.
mit 6000 Einw. umfassen, bilden kein Fideicommiß. Diese Zahlen werden die
Besitzverhältnisse des hohen Adels in Mecklenburg klar machen, wenn man
dabei erwägt, daß auch die freihcrrlichen Familien, sowie manche andere Adels¬
familie größere, zum Theil bedeutende Gutscomplexe besitzen. Diese Verhält¬
nisse sind nicht so leicht zu übersehen, wie es den Anschein hat; denn wenn
es zwar heißt, daß es in Mecklenburg-Schwerin 1004 Hauptgüter gebe, von
welchen, mit Ausnahme der 67 landesherrschaftlichen Güter. 436 im Besitze
von 300 adligen und 368 im Besitze von 323 bürgerlichen Familien seien, so
muß man schließen, daß durchschnittlich auf eine adlige Familie 1,45 und auf
eine bürgerliche Familie 1.14 Gut falle. Im Obigen sind aber die oft be¬
deutenden Pertinentien nicht mit berechnet, mit Einschluß welcher vielmehr die
Verhältnisse sich so stellen, daß auf jede der 300 adligen Famlien 6,83 Hufen,
auf jede der 323 bürgerlichen Familien aber nur 3,34 Hufen fallen. Ohne nun


begannen sich diese Verhältnisse anders zu gestalten und seit dem 17. Jahr¬
hunderte bildeten sich die Lehengüter theilweise wieder zu Alloden um. Die
hiesigen Güter waren, so weit historische Nachrichten reichen, immer erblich,
ein Umstand, der in früherer Zeit als wohlberechtigt erscheint, wenn man auch
jetzt — in mancher Hinsicht mit Recht — Einwendungen gegen die Erblichkeit
der Lehen erhebt. Die Lehen waren nämlich, ganz besonders in Mecklenburg,
Besitze, welche durch mehrere Jahrhunderte hin mit den Waffen in der Hand
gegen innere und äußere Feinde die Besitzer sich erhalten mußten; sie hatten
nur geringen materiellen Werth und mußten, oft verwüstet, oft wieder culti-
virt werden. Dazu kam, daß früher andere Entschädigungs- und Vergü¬
tungsweisen für geleistete besondere Dienste nicht gebräuchlich waren, wie sie
jetzt in Gelde geschehn und ebenfalls den Erben zu Gute kommen.

Heute bestehe» in Mecklenburg 383'/- Allode und 620'/- Lehengüter, welche
letztere (und Ausnahme von 4 Frauenzimmer- oder Kunkellehen) sämmtlich
Mannlehcn sind. Von den Alloden sind 29 und von den Lehengütcrn 49
Familienfideicommisse, unter welchen sich nur 2 bürgerliche befinden. Einige
Güter haben einen Umfang von mehr als 1 Million Quadratruthen (10000
neckt. — 15283 prcuß. Q.R.), also etwa'/-- H> Meile Areal, unter den Fidei-
commissen aber finden sich Besitzungen von fast fürstliche», Umfange. Beispiels¬
weise nennen wir das Graf Plessen-Jvenacksche, welches IV.IH M. mit 2000
Einw., das GrafBothmer-Bothmersche, welches IV» lüM. mit 2600 Einw.. das
Gras von der Schulenburg-Krankowsche, welches sast V- H>M. mit 700 Einw..
das Graf Bernstorff-Dreilützowsche, welches fast 1 mM. mit 1300 Einw.. das
GrafSchlieffen-Schlieffenbergsche, welches V- H>M. mit 700 Einw., das Graf
Schlieffen-Schwandtsche, welches V- üM. mit 380 Einw. enthält. Die übrigen
Fideicommisse haben fast alle eine Größe von V° bis V-IüM.; die größten
Besitzungen des Landes aber, die Graf Hahn-Basedowschen, welche 4 >mM.
mit 6000 Einw. umfassen, bilden kein Fideicommiß. Diese Zahlen werden die
Besitzverhältnisse des hohen Adels in Mecklenburg klar machen, wenn man
dabei erwägt, daß auch die freihcrrlichen Familien, sowie manche andere Adels¬
familie größere, zum Theil bedeutende Gutscomplexe besitzen. Diese Verhält¬
nisse sind nicht so leicht zu übersehen, wie es den Anschein hat; denn wenn
es zwar heißt, daß es in Mecklenburg-Schwerin 1004 Hauptgüter gebe, von
welchen, mit Ausnahme der 67 landesherrschaftlichen Güter. 436 im Besitze
von 300 adligen und 368 im Besitze von 323 bürgerlichen Familien seien, so
muß man schließen, daß durchschnittlich auf eine adlige Familie 1,45 und auf
eine bürgerliche Familie 1.14 Gut falle. Im Obigen sind aber die oft be¬
deutenden Pertinentien nicht mit berechnet, mit Einschluß welcher vielmehr die
Verhältnisse sich so stellen, daß auf jede der 300 adligen Famlien 6,83 Hufen,
auf jede der 323 bürgerlichen Familien aber nur 3,34 Hufen fallen. Ohne nun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/233>, abgerufen am 15.06.2024.