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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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auf den etwas größeren oder geringern Besitz unverhältnismäßig hohen Werth
zu legen, glauben wir doch, daß man ihn in unserm Staate nicht übersetzn
dürfe, zumal es nicht geleugnet werden kann, daß der langjährige Besitz der
Güter von Seiten des Adels im Allgemeinen dessen Machtstellung vermehren
muß, während andererseits das häufigere Uebergehn der bürgerlichen Güter
von einem Käufer zum andern die Befestigung einer wirklichen Machtstellung
nur hindern oder aufhalten kann.

Seit den frühesten Zeiten befanden sich außer den landesherrlichen die
Landgüter Mecklenburgs im ausschließlichen Besitze der Geistlichkeit und des
Adels. Die landtagsfähige Ritterschaft bestand damals aus Prälaten, Ritter¬
gutsbesitzern und Vertretern der Städte. AIs die geistlichen Güter säcularisirt
wurden, gelangten von ihnen wiederholt manche in den Besitz adliger Familien,
und die Landtage wurden nur noch von Rittergutsbesitzern und Vertretern der
Städte besucht. Seit dieser Zeit wahrscheinlich begannen erstere sich den Namen
der Ritterschaft zuzulegen, mit welchem früher die ganze Landesvertretung be¬
zeichnet wurde; die Vertreter der Städte hießen seitdem die Landschaft. Es
bildete sich daraus weiter die Anschauung, daß Adel und Ritterschaft gleich¬
bedeutend seien, eine Anschauung, welche damals factisch giltig, aber nicht recht¬
lich begründet war, wie denn, als seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts
von den Rittergütern allmälig mehrere in bürgerliche Hände übergingen, auch
von diesen Besitzern die ritterschaftliche Qualität ihrer Güter mit Erfolg bean¬
sprucht wurde. Die Anschauung, daß Adel und Ritterschaft gleichbedeutend
seien, veranlaßte 1789 von Seiten des Adels den Versuch, die Unveräußcr-
iichkeit der Lehen zu behaupten, um hieraus ein agnatisches Recht auf die
schon veräußerten, meistens in bürgerliche Hände gekommenen Lehen geltend
machen zu können.*) Dieser Versuch gelang dem Adel allerdings nicht, und
konnte nicht gelingen, weil der Adel in Mecklenburg so wenig, wie in den
übrigen deutschen Ländern, jemals Bedingung zur Erwerbung eines Rittergutes
gewesen ist. so wenig, daß hier wie anderswo grade umgekehrt oftmals erst
aus dem Besitze eines Rittergutes der Adel des Besitzers hervorging. Nicht¬
adlige konnten hier von jeher Rittergüter erwerben, obwol es Gebrauch war,
daß sie in solchem Falle die Lehendienste ablösen ließen.**) Gleiches geschah
bei solchen Gütern, welche von Geistlichen, Communen oder Stiftungen er¬
worben wurden. Daß die adlige Qualität für Rittergutsbesitzer einmal in
Anspruch genommen werden konnte, war übrigens verzeihlich, theils^weil die
Besitzer derselben eine lange Zeit hindurch wirklich dem Adel angehörten, wo¬
bei die geistlichen Güter mit Recht unberücksichtigt gelassen werden können




') Vrgl. E. Voll, Geschichte Mecklenburgs, II., S. 329.
") Vrgl. Lisch, Jahrbuch für neckt. Geschichte -c. XI. S. 183 und an vielen andern
Stellen.

auf den etwas größeren oder geringern Besitz unverhältnismäßig hohen Werth
zu legen, glauben wir doch, daß man ihn in unserm Staate nicht übersetzn
dürfe, zumal es nicht geleugnet werden kann, daß der langjährige Besitz der
Güter von Seiten des Adels im Allgemeinen dessen Machtstellung vermehren
muß, während andererseits das häufigere Uebergehn der bürgerlichen Güter
von einem Käufer zum andern die Befestigung einer wirklichen Machtstellung
nur hindern oder aufhalten kann.

Seit den frühesten Zeiten befanden sich außer den landesherrlichen die
Landgüter Mecklenburgs im ausschließlichen Besitze der Geistlichkeit und des
Adels. Die landtagsfähige Ritterschaft bestand damals aus Prälaten, Ritter¬
gutsbesitzern und Vertretern der Städte. AIs die geistlichen Güter säcularisirt
wurden, gelangten von ihnen wiederholt manche in den Besitz adliger Familien,
und die Landtage wurden nur noch von Rittergutsbesitzern und Vertretern der
Städte besucht. Seit dieser Zeit wahrscheinlich begannen erstere sich den Namen
der Ritterschaft zuzulegen, mit welchem früher die ganze Landesvertretung be¬
zeichnet wurde; die Vertreter der Städte hießen seitdem die Landschaft. Es
bildete sich daraus weiter die Anschauung, daß Adel und Ritterschaft gleich¬
bedeutend seien, eine Anschauung, welche damals factisch giltig, aber nicht recht¬
lich begründet war, wie denn, als seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts
von den Rittergütern allmälig mehrere in bürgerliche Hände übergingen, auch
von diesen Besitzern die ritterschaftliche Qualität ihrer Güter mit Erfolg bean¬
sprucht wurde. Die Anschauung, daß Adel und Ritterschaft gleichbedeutend
seien, veranlaßte 1789 von Seiten des Adels den Versuch, die Unveräußcr-
iichkeit der Lehen zu behaupten, um hieraus ein agnatisches Recht auf die
schon veräußerten, meistens in bürgerliche Hände gekommenen Lehen geltend
machen zu können.*) Dieser Versuch gelang dem Adel allerdings nicht, und
konnte nicht gelingen, weil der Adel in Mecklenburg so wenig, wie in den
übrigen deutschen Ländern, jemals Bedingung zur Erwerbung eines Rittergutes
gewesen ist. so wenig, daß hier wie anderswo grade umgekehrt oftmals erst
aus dem Besitze eines Rittergutes der Adel des Besitzers hervorging. Nicht¬
adlige konnten hier von jeher Rittergüter erwerben, obwol es Gebrauch war,
daß sie in solchem Falle die Lehendienste ablösen ließen.**) Gleiches geschah
bei solchen Gütern, welche von Geistlichen, Communen oder Stiftungen er¬
worben wurden. Daß die adlige Qualität für Rittergutsbesitzer einmal in
Anspruch genommen werden konnte, war übrigens verzeihlich, theils^weil die
Besitzer derselben eine lange Zeit hindurch wirklich dem Adel angehörten, wo¬
bei die geistlichen Güter mit Recht unberücksichtigt gelassen werden können




') Vrgl. E. Voll, Geschichte Mecklenburgs, II., S. 329.
") Vrgl. Lisch, Jahrbuch für neckt. Geschichte -c. XI. S. 183 und an vielen andern
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[0234] auf den etwas größeren oder geringern Besitz unverhältnismäßig hohen Werth zu legen, glauben wir doch, daß man ihn in unserm Staate nicht übersetzn dürfe, zumal es nicht geleugnet werden kann, daß der langjährige Besitz der Güter von Seiten des Adels im Allgemeinen dessen Machtstellung vermehren muß, während andererseits das häufigere Uebergehn der bürgerlichen Güter von einem Käufer zum andern die Befestigung einer wirklichen Machtstellung nur hindern oder aufhalten kann. Seit den frühesten Zeiten befanden sich außer den landesherrlichen die Landgüter Mecklenburgs im ausschließlichen Besitze der Geistlichkeit und des Adels. Die landtagsfähige Ritterschaft bestand damals aus Prälaten, Ritter¬ gutsbesitzern und Vertretern der Städte. AIs die geistlichen Güter säcularisirt wurden, gelangten von ihnen wiederholt manche in den Besitz adliger Familien, und die Landtage wurden nur noch von Rittergutsbesitzern und Vertretern der Städte besucht. Seit dieser Zeit wahrscheinlich begannen erstere sich den Namen der Ritterschaft zuzulegen, mit welchem früher die ganze Landesvertretung be¬ zeichnet wurde; die Vertreter der Städte hießen seitdem die Landschaft. Es bildete sich daraus weiter die Anschauung, daß Adel und Ritterschaft gleich¬ bedeutend seien, eine Anschauung, welche damals factisch giltig, aber nicht recht¬ lich begründet war, wie denn, als seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts von den Rittergütern allmälig mehrere in bürgerliche Hände übergingen, auch von diesen Besitzern die ritterschaftliche Qualität ihrer Güter mit Erfolg bean¬ sprucht wurde. Die Anschauung, daß Adel und Ritterschaft gleichbedeutend seien, veranlaßte 1789 von Seiten des Adels den Versuch, die Unveräußcr- iichkeit der Lehen zu behaupten, um hieraus ein agnatisches Recht auf die schon veräußerten, meistens in bürgerliche Hände gekommenen Lehen geltend machen zu können.*) Dieser Versuch gelang dem Adel allerdings nicht, und konnte nicht gelingen, weil der Adel in Mecklenburg so wenig, wie in den übrigen deutschen Ländern, jemals Bedingung zur Erwerbung eines Rittergutes gewesen ist. so wenig, daß hier wie anderswo grade umgekehrt oftmals erst aus dem Besitze eines Rittergutes der Adel des Besitzers hervorging. Nicht¬ adlige konnten hier von jeher Rittergüter erwerben, obwol es Gebrauch war, daß sie in solchem Falle die Lehendienste ablösen ließen.**) Gleiches geschah bei solchen Gütern, welche von Geistlichen, Communen oder Stiftungen er¬ worben wurden. Daß die adlige Qualität für Rittergutsbesitzer einmal in Anspruch genommen werden konnte, war übrigens verzeihlich, theils^weil die Besitzer derselben eine lange Zeit hindurch wirklich dem Adel angehörten, wo¬ bei die geistlichen Güter mit Recht unberücksichtigt gelassen werden können ') Vrgl. E. Voll, Geschichte Mecklenburgs, II., S. 329. ") Vrgl. Lisch, Jahrbuch für neckt. Geschichte -c. XI. S. 183 und an vielen andern Stellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/234>, abgerufen am 15.06.2024.