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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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tige Schmarre über die Achsel, daß er den Degen fallen ließ und die Faust
nicht mehr gebrauchen konnte. Darüber verlor W. alsbald den Muth soweit,
daß er im zweiten Gange Frieden machte. Keiner hielt sich besser, als Jun¬
ker Michael v. S., den ich vorher für den verzagtesten angesehn hatte. Er
hieb gut genug um sich, bis endlich dieser dreifache Zweikampf so endete,
daß sich die beiden andern mit uns verglichen, Vogelbach sich aber noch
ein paar Gänge zu Pferde vorbehielt, sobald ihm der Arm geheilt sein
würde, was er jedoch bis zum heutigen Tage unausgeführt gelassen hat.

So bekam ich Ruhe zwar nicht vor dem Zulauf der Krippenreiter, an de¬
nen es niemals mangelte, wol aber vor ihren Händeln, doch bald wurde
mir eine viel größere und kostbarere Angelegenheit. Mein Verkäufer hatte mich
nicht nur beim Verkauf selbst ziemlich geschnellt, sondern mir auch einen be¬
deutenden wiederkäuflichen Zins verschwiegen, außerdem bei weitem nicht
Alles gewährt, was in dem Jnventarienzettel ausgesetzt war. So mußte ich
ihn nothwendig vor der Landesregierung verklagen und mich dazu eines 'Ad-
vocaten bedienen. Hier dauerte es nun sehr lange, bevor ich meinen Geg¬
ner, der eine Ausflucht nach der andern ersann, festhalten konnte, und mir
schien auch, als wenn man bei der Negierung wenig Lust hätte, mir zu helfen.
Mein Advocat. der am besten wußte, wo es fehlte, gab mir den Nath, den
Herrn Kanzler zu gewinnen. Ich merkte leicht, wohin er zielte und schickte
diesem anfangs ein in Polen erkauftes Wildschwein nebst ein paar Tonnen
Butter in die Küche, welche auch das Rad der Gerechtigkeit soweit aus dem
Sumpf hoben, daß ein Befehl an weinen Gegner abging, seine Einwendun¬
gen in einer festgesetzten Frist beizubringen. Damit mußte ich vorerst zufrie¬
den sein, ich ward aber bald inne, daß noch vor Ablauf der Frist das Wild-
pret mit der Butter verzehrt war, ich hörte von keiner Vorladung und von
keinem Gegenbericht. Daher verdoppelte ich meinen Einsatz, und weil die
Frau Kanzlerin erinnerte, die Butter habe ihrem Herrn so wohl geschmeckt,
daß er seit der Zeit keine andere genießen wolle, mußte ich wieder ein paar
Tonnen nebst einem Malter Hafer und einem schönen Rehbock denselben Weg
gehen lassen. Darauf kam zwar bald ein neuer Befehl, meine Gegenpart
war aber so lange nicht zu sehen, bis endlich noch ein Malter Korn nachflog.
Dieser brachte es zwar zum Termin, förderte die Sache aber nur so weir,
daß dem Gegner das Klagelibell vorgetragen und anbefohlen wurde, innerhalb
einer doppelten sächsischen Frist zu excipitiren. Diese Frist zog sich mit der
Replik und Duplik, und bevor man in der Sache zum Schluß kam. bis
über zwei Jahre hinaus. Weil aber unterdeß dein Herrn Kanzler alles Ge¬
schenkte besser schmeckte, als was er kaufte, mußte ihm bald dies bald jenes
zugeschickt werden. So wußte er ein paar schöne gezogene Stutzen bei mir,
die er sich auf folgende Art herausbrachte. Er kam unvermuthet selbst zu


Grenzboten III, 1360. 3

tige Schmarre über die Achsel, daß er den Degen fallen ließ und die Faust
nicht mehr gebrauchen konnte. Darüber verlor W. alsbald den Muth soweit,
daß er im zweiten Gange Frieden machte. Keiner hielt sich besser, als Jun¬
ker Michael v. S., den ich vorher für den verzagtesten angesehn hatte. Er
hieb gut genug um sich, bis endlich dieser dreifache Zweikampf so endete,
daß sich die beiden andern mit uns verglichen, Vogelbach sich aber noch
ein paar Gänge zu Pferde vorbehielt, sobald ihm der Arm geheilt sein
würde, was er jedoch bis zum heutigen Tage unausgeführt gelassen hat.

So bekam ich Ruhe zwar nicht vor dem Zulauf der Krippenreiter, an de¬
nen es niemals mangelte, wol aber vor ihren Händeln, doch bald wurde
mir eine viel größere und kostbarere Angelegenheit. Mein Verkäufer hatte mich
nicht nur beim Verkauf selbst ziemlich geschnellt, sondern mir auch einen be¬
deutenden wiederkäuflichen Zins verschwiegen, außerdem bei weitem nicht
Alles gewährt, was in dem Jnventarienzettel ausgesetzt war. So mußte ich
ihn nothwendig vor der Landesregierung verklagen und mich dazu eines 'Ad-
vocaten bedienen. Hier dauerte es nun sehr lange, bevor ich meinen Geg¬
ner, der eine Ausflucht nach der andern ersann, festhalten konnte, und mir
schien auch, als wenn man bei der Negierung wenig Lust hätte, mir zu helfen.
Mein Advocat. der am besten wußte, wo es fehlte, gab mir den Nath, den
Herrn Kanzler zu gewinnen. Ich merkte leicht, wohin er zielte und schickte
diesem anfangs ein in Polen erkauftes Wildschwein nebst ein paar Tonnen
Butter in die Küche, welche auch das Rad der Gerechtigkeit soweit aus dem
Sumpf hoben, daß ein Befehl an weinen Gegner abging, seine Einwendun¬
gen in einer festgesetzten Frist beizubringen. Damit mußte ich vorerst zufrie¬
den sein, ich ward aber bald inne, daß noch vor Ablauf der Frist das Wild-
pret mit der Butter verzehrt war, ich hörte von keiner Vorladung und von
keinem Gegenbericht. Daher verdoppelte ich meinen Einsatz, und weil die
Frau Kanzlerin erinnerte, die Butter habe ihrem Herrn so wohl geschmeckt,
daß er seit der Zeit keine andere genießen wolle, mußte ich wieder ein paar
Tonnen nebst einem Malter Hafer und einem schönen Rehbock denselben Weg
gehen lassen. Darauf kam zwar bald ein neuer Befehl, meine Gegenpart
war aber so lange nicht zu sehen, bis endlich noch ein Malter Korn nachflog.
Dieser brachte es zwar zum Termin, förderte die Sache aber nur so weir,
daß dem Gegner das Klagelibell vorgetragen und anbefohlen wurde, innerhalb
einer doppelten sächsischen Frist zu excipitiren. Diese Frist zog sich mit der
Replik und Duplik, und bevor man in der Sache zum Schluß kam. bis
über zwei Jahre hinaus. Weil aber unterdeß dein Herrn Kanzler alles Ge¬
schenkte besser schmeckte, als was er kaufte, mußte ihm bald dies bald jenes
zugeschickt werden. So wußte er ein paar schöne gezogene Stutzen bei mir,
die er sich auf folgende Art herausbrachte. Er kam unvermuthet selbst zu


Grenzboten III, 1360. 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/29>, abgerufen am 21.05.2024.