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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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mir und that, als ob er genöthigt wäre, um ein freundliches Nachtlager an¬
zusprechen. Ich mußte mir dies für eine besondre Ehre schätzen und be¬
wirthete ihn, so gut ich konnte. Unterdeß besah er meine Gewehre, lobte
die Stutzen und gab vor, daß er ein besonders großer Freund von dergleichen
Sachen wäre; ich möchte sie ihm entweder gegen baare Zahlung überlassen,
wenn sie mir feil wären, oder ihm ein paar von derselben Art bestellen. Da¬
raus konnte ich bald merken, wohin er zielte, und mußte in den sauren Apfel
beißen, und nicht nur dieses Paar Stutzen, sondern etliche Monate darauf noch
ein schönes silbernes Uhrlein, das er zufällig an der Wand gesehn hatte, in
Hoffnung eines guten Bescheides hingeben. "Das ist ein schöner Groschen,
womit man einen Thaler gewinnen kann," sagte mein Advokat; "selten fällt in
einen offnen Beutel ein schlimmes Urtheil, der Beutel eines Prvcessirenden muß mit
Spinnenweben zugeschnürt sein, grade wie bei den Verliebten. Und da man mit
einer goldnen Lanze auch den Stärksten aus dem Sattel heben kann, wird wol Alles
gut werden, wenn sich der Herr noch zuletzt einmal überwinden kann, zu geben."
Kurz auch eine vier Mark schwere vergoldete silberne Flasche ging dem andern
nach und zuletzt fand ich dort einen Esel, wo ich eine Krone gesucht hatte.
Das Ende war die Sentenz, nächstens solle eine Commission niedergesetzt
werden, um zu versuchen, ob wir in Güte mit einander verglichen und die
hochlöbl. Regierung fortan dieses langen verdrießlichen Processes überhoben
werden könnte. Wie sehr mir dies zu Herzen ging, ist leicht zu erachten; ich
verfluchte die Stunde, in der ich an das Landleben gedacht hatte, und ver¬
glich mich mit meinem Gegner, ehe noch die Commission angesetzt war. Für
1600 Thlr,, die ich mit allem Recht von ihm zu fordern hatte, nahm ich
500, und bekam damit kaum die aufgewandten Unkosten zurück. Dabei be¬
kannte er mir denn aufrichtig, daß ihm an dergleichen Bestechung auch nicht
weniger als 300 Thaler darauf gegangen wären. So wäre der beste Weg
gewesen, wenn man sich gleich anfangs vertragen hätte.

Unterdeß hatte ich mich mit einem Hauskreuz belästigt, das mir viel mehr
in die Seele schnitt, als dieser Proceß. Bald nach dem Kauf des Gutes
hatte ich mich in ein altadligcs Geschlecht der Nachbarschaft verheirathet
und das bekam mir so wohl, wie dem Esel der Eistanz. Im Anfang zwar
hatte ich geringe Neigung dazu, ich war gewillt, guter Leute Kind aus der
Stadt mit etlichen tausend Thalern zu nehmen, und dadurch meine Wirthschaft
um ein bedeutendes zu verbessern. Aber der falsche Freund, der mich zu dem
Kauf überredet, rieth mir keine andere, als von gutem alten Adel, und zwar
aus der Nachbarschaft zu nehmen. ..Zunächst," sprach er. "ist sehr ungewiß,
ob der Herr in Breslau eine reiche Partie antrifft, obgleich er sich darauf hat
adeln lassen. Ferner haben dergleichen Stadtdamen soviel Kenntniß von der
Landwirthschaft, daß sie nicht einmal wissen, was Kuh oder Ochse, was Käse


mir und that, als ob er genöthigt wäre, um ein freundliches Nachtlager an¬
zusprechen. Ich mußte mir dies für eine besondre Ehre schätzen und be¬
wirthete ihn, so gut ich konnte. Unterdeß besah er meine Gewehre, lobte
die Stutzen und gab vor, daß er ein besonders großer Freund von dergleichen
Sachen wäre; ich möchte sie ihm entweder gegen baare Zahlung überlassen,
wenn sie mir feil wären, oder ihm ein paar von derselben Art bestellen. Da¬
raus konnte ich bald merken, wohin er zielte, und mußte in den sauren Apfel
beißen, und nicht nur dieses Paar Stutzen, sondern etliche Monate darauf noch
ein schönes silbernes Uhrlein, das er zufällig an der Wand gesehn hatte, in
Hoffnung eines guten Bescheides hingeben. „Das ist ein schöner Groschen,
womit man einen Thaler gewinnen kann," sagte mein Advokat; „selten fällt in
einen offnen Beutel ein schlimmes Urtheil, der Beutel eines Prvcessirenden muß mit
Spinnenweben zugeschnürt sein, grade wie bei den Verliebten. Und da man mit
einer goldnen Lanze auch den Stärksten aus dem Sattel heben kann, wird wol Alles
gut werden, wenn sich der Herr noch zuletzt einmal überwinden kann, zu geben."
Kurz auch eine vier Mark schwere vergoldete silberne Flasche ging dem andern
nach und zuletzt fand ich dort einen Esel, wo ich eine Krone gesucht hatte.
Das Ende war die Sentenz, nächstens solle eine Commission niedergesetzt
werden, um zu versuchen, ob wir in Güte mit einander verglichen und die
hochlöbl. Regierung fortan dieses langen verdrießlichen Processes überhoben
werden könnte. Wie sehr mir dies zu Herzen ging, ist leicht zu erachten; ich
verfluchte die Stunde, in der ich an das Landleben gedacht hatte, und ver¬
glich mich mit meinem Gegner, ehe noch die Commission angesetzt war. Für
1600 Thlr,, die ich mit allem Recht von ihm zu fordern hatte, nahm ich
500, und bekam damit kaum die aufgewandten Unkosten zurück. Dabei be¬
kannte er mir denn aufrichtig, daß ihm an dergleichen Bestechung auch nicht
weniger als 300 Thaler darauf gegangen wären. So wäre der beste Weg
gewesen, wenn man sich gleich anfangs vertragen hätte.

Unterdeß hatte ich mich mit einem Hauskreuz belästigt, das mir viel mehr
in die Seele schnitt, als dieser Proceß. Bald nach dem Kauf des Gutes
hatte ich mich in ein altadligcs Geschlecht der Nachbarschaft verheirathet
und das bekam mir so wohl, wie dem Esel der Eistanz. Im Anfang zwar
hatte ich geringe Neigung dazu, ich war gewillt, guter Leute Kind aus der
Stadt mit etlichen tausend Thalern zu nehmen, und dadurch meine Wirthschaft
um ein bedeutendes zu verbessern. Aber der falsche Freund, der mich zu dem
Kauf überredet, rieth mir keine andere, als von gutem alten Adel, und zwar
aus der Nachbarschaft zu nehmen. ..Zunächst," sprach er. „ist sehr ungewiß,
ob der Herr in Breslau eine reiche Partie antrifft, obgleich er sich darauf hat
adeln lassen. Ferner haben dergleichen Stadtdamen soviel Kenntniß von der
Landwirthschaft, daß sie nicht einmal wissen, was Kuh oder Ochse, was Käse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/30>, abgerufen am 21.05.2024.