Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ßer und hatten deshalb die Koprologen oder KotlMrrner zu ihrer Dispo¬
sition. Sie wachten aber auch über Ordnung und Anstand auf den öffentlichen
Plätzen überhaupt und beaufsichtigten Flötenspielerinnen, Zithermädchen und
Possenreißer. Mehr als einmal brauchte kein Bürger dieses lästige Amt zu
übernehmen. Von Wichtigkeit war ferner die Aufsicht über die öffentlichen
Wasserleitungen und Brunnen. Die Armuth Athens an süßem Wasser
zwang schon Solon zu der Verordnung, daß Niemand aus einem öffentlichen
Brunnen Wasser schöpfen sollte, der mehr als 500 Schritte weit von seinem
Hause entfernt wäre und daß dem Brunnen des Nachbars nur 34 Quart täg¬
lich entnommen werden dürften. Von Themistokles erzählt Plutarch, daß
derselbe als Brunneninspector Viele, die widerrechtlich aus den öffentlichen^
Wasserleitungen das Wasser für sich ableiteten, bestraft und aus den Straf¬
geldern das eherne Bild eines wassertrageuden Mädchens als Weihgeschenk
ausgestellt habe. In gleicher Anzahl wie die Astynomen verwalteten die
Agoranomen die Polizeiaufsicht über den Markt, über Kauf und Verkauf
und die dabei entstehenden Streitigkeiten. Sie kommen auch in den meisten
andern Städten Griechenlands vor und hatten es fast nur mit Fremden,
Schutzgenossen und der niedrigsten Classe der Bürger zu thun, da der Klein¬
handel und die Hökerei ein verachtetes Gewerbe waren (war es doch schon
entehrend, wenn man die gekauften Waaren selbst nach Hause trug!). Von
den Fremden erhoben diese Marktmeistcr eine Steuer, während die Bürger
frei waren. Die Betrüglichkeit der Detailverkäufer war sprichwörtlich; im
Verdünnen des Weines, im Verfälschen der Waaren überhaupt und im Ge¬
brauche falscher Gewichte und Maße scheinen sie Meister gewesen zu sein.
Bei der Ausdehnung des Verkehrs gab es also sür die Polizei hier viel zu
thun. Bestimmte Theile des Marktes erheischten noch besondere Controle.
So durfte der Verkauf der Fische nicht vor einer bestimmten Zeit beginnen
und es wurde mit einer Glocke zuvor ein Zeichen gegeben. Wir wissen dies
aus einer drolligen Anekdote beim Geographen Strabo. Es ließ sich nämlich
einst auf dem Markte einer Stadt ein Zitherspieler hören und eine Zeit lang
schenkte ihm eine große Volksmenge die ungetheilteste Aufmerksamkeit; sobald
aber die Glocke des Fischmarktes ertönte, verließen ihn Alle und strömten dem
Orte zu, einen sehr Harthörigen ausgenommen. Zu diesem trat der Virtuos
und sagte: "Mein Freund, ich weiß Dir vielen Dank für die Ehre, welche Du
mir erzeigst; denn die Anderen sind beim ersten Klänge der Glocke fortgegan¬
gen;" -- "Was sagst Du?" erwiderte Jener, "die Glocke hat schon geläutet?
Gott behüte Dich!" stand aus und eilte hinweg. Hie den Astynomen zu¬
sammen wachten die Agoranomen darüber, daß die öffentlichen Gebäude nicht
verletzt wurden und der Markt in reinlichem Zustande blieb, daher ihnen bei¬
den ein später Redner vorwirft, es entstünden ganze Sümpfe in der Stadt


ßer und hatten deshalb die Koprologen oder KotlMrrner zu ihrer Dispo¬
sition. Sie wachten aber auch über Ordnung und Anstand auf den öffentlichen
Plätzen überhaupt und beaufsichtigten Flötenspielerinnen, Zithermädchen und
Possenreißer. Mehr als einmal brauchte kein Bürger dieses lästige Amt zu
übernehmen. Von Wichtigkeit war ferner die Aufsicht über die öffentlichen
Wasserleitungen und Brunnen. Die Armuth Athens an süßem Wasser
zwang schon Solon zu der Verordnung, daß Niemand aus einem öffentlichen
Brunnen Wasser schöpfen sollte, der mehr als 500 Schritte weit von seinem
Hause entfernt wäre und daß dem Brunnen des Nachbars nur 34 Quart täg¬
lich entnommen werden dürften. Von Themistokles erzählt Plutarch, daß
derselbe als Brunneninspector Viele, die widerrechtlich aus den öffentlichen^
Wasserleitungen das Wasser für sich ableiteten, bestraft und aus den Straf¬
geldern das eherne Bild eines wassertrageuden Mädchens als Weihgeschenk
ausgestellt habe. In gleicher Anzahl wie die Astynomen verwalteten die
Agoranomen die Polizeiaufsicht über den Markt, über Kauf und Verkauf
und die dabei entstehenden Streitigkeiten. Sie kommen auch in den meisten
andern Städten Griechenlands vor und hatten es fast nur mit Fremden,
Schutzgenossen und der niedrigsten Classe der Bürger zu thun, da der Klein¬
handel und die Hökerei ein verachtetes Gewerbe waren (war es doch schon
entehrend, wenn man die gekauften Waaren selbst nach Hause trug!). Von
den Fremden erhoben diese Marktmeistcr eine Steuer, während die Bürger
frei waren. Die Betrüglichkeit der Detailverkäufer war sprichwörtlich; im
Verdünnen des Weines, im Verfälschen der Waaren überhaupt und im Ge¬
brauche falscher Gewichte und Maße scheinen sie Meister gewesen zu sein.
Bei der Ausdehnung des Verkehrs gab es also sür die Polizei hier viel zu
thun. Bestimmte Theile des Marktes erheischten noch besondere Controle.
So durfte der Verkauf der Fische nicht vor einer bestimmten Zeit beginnen
und es wurde mit einer Glocke zuvor ein Zeichen gegeben. Wir wissen dies
aus einer drolligen Anekdote beim Geographen Strabo. Es ließ sich nämlich
einst auf dem Markte einer Stadt ein Zitherspieler hören und eine Zeit lang
schenkte ihm eine große Volksmenge die ungetheilteste Aufmerksamkeit; sobald
aber die Glocke des Fischmarktes ertönte, verließen ihn Alle und strömten dem
Orte zu, einen sehr Harthörigen ausgenommen. Zu diesem trat der Virtuos
und sagte: „Mein Freund, ich weiß Dir vielen Dank für die Ehre, welche Du
mir erzeigst; denn die Anderen sind beim ersten Klänge der Glocke fortgegan¬
gen;" — „Was sagst Du?" erwiderte Jener, „die Glocke hat schon geläutet?
Gott behüte Dich!" stand aus und eilte hinweg. Hie den Astynomen zu¬
sammen wachten die Agoranomen darüber, daß die öffentlichen Gebäude nicht
verletzt wurden und der Markt in reinlichem Zustande blieb, daher ihnen bei¬
den ein später Redner vorwirft, es entstünden ganze Sümpfe in der Stadt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110180"/>
          <p xml:id="ID_1099" prev="#ID_1098" next="#ID_1100"> ßer und hatten deshalb die Koprologen oder KotlMrrner zu ihrer Dispo¬<lb/>
sition. Sie wachten aber auch über Ordnung und Anstand auf den öffentlichen<lb/>
Plätzen überhaupt und beaufsichtigten Flötenspielerinnen, Zithermädchen und<lb/>
Possenreißer. Mehr als einmal brauchte kein Bürger dieses lästige Amt zu<lb/>
übernehmen. Von Wichtigkeit war ferner die Aufsicht über die öffentlichen<lb/>
Wasserleitungen und Brunnen. Die Armuth Athens an süßem Wasser<lb/>
zwang schon Solon zu der Verordnung, daß Niemand aus einem öffentlichen<lb/>
Brunnen Wasser schöpfen sollte, der mehr als 500 Schritte weit von seinem<lb/>
Hause entfernt wäre und daß dem Brunnen des Nachbars nur 34 Quart täg¬<lb/>
lich entnommen werden dürften. Von Themistokles erzählt Plutarch, daß<lb/>
derselbe als Brunneninspector Viele, die widerrechtlich aus den öffentlichen^<lb/>
Wasserleitungen das Wasser für sich ableiteten, bestraft und aus den Straf¬<lb/>
geldern das eherne Bild eines wassertrageuden Mädchens als Weihgeschenk<lb/>
ausgestellt habe. In gleicher Anzahl wie die Astynomen verwalteten die<lb/>
Agoranomen die Polizeiaufsicht über den Markt, über Kauf und Verkauf<lb/>
und die dabei entstehenden Streitigkeiten. Sie kommen auch in den meisten<lb/>
andern Städten Griechenlands vor und hatten es fast nur mit Fremden,<lb/>
Schutzgenossen und der niedrigsten Classe der Bürger zu thun, da der Klein¬<lb/>
handel und die Hökerei ein verachtetes Gewerbe waren (war es doch schon<lb/>
entehrend, wenn man die gekauften Waaren selbst nach Hause trug!). Von<lb/>
den Fremden erhoben diese Marktmeistcr eine Steuer, während die Bürger<lb/>
frei waren. Die Betrüglichkeit der Detailverkäufer war sprichwörtlich; im<lb/>
Verdünnen des Weines, im Verfälschen der Waaren überhaupt und im Ge¬<lb/>
brauche falscher Gewichte und Maße scheinen sie Meister gewesen zu sein.<lb/>
Bei der Ausdehnung des Verkehrs gab es also sür die Polizei hier viel zu<lb/>
thun. Bestimmte Theile des Marktes erheischten noch besondere Controle.<lb/>
So durfte der Verkauf der Fische nicht vor einer bestimmten Zeit beginnen<lb/>
und es wurde mit einer Glocke zuvor ein Zeichen gegeben. Wir wissen dies<lb/>
aus einer drolligen Anekdote beim Geographen Strabo. Es ließ sich nämlich<lb/>
einst auf dem Markte einer Stadt ein Zitherspieler hören und eine Zeit lang<lb/>
schenkte ihm eine große Volksmenge die ungetheilteste Aufmerksamkeit; sobald<lb/>
aber die Glocke des Fischmarktes ertönte, verließen ihn Alle und strömten dem<lb/>
Orte zu, einen sehr Harthörigen ausgenommen. Zu diesem trat der Virtuos<lb/>
und sagte: &#x201E;Mein Freund, ich weiß Dir vielen Dank für die Ehre, welche Du<lb/>
mir erzeigst; denn die Anderen sind beim ersten Klänge der Glocke fortgegan¬<lb/>
gen;" &#x2014; &#x201E;Was sagst Du?" erwiderte Jener, &#x201E;die Glocke hat schon geläutet?<lb/>
Gott behüte Dich!" stand aus und eilte hinweg. Hie den Astynomen zu¬<lb/>
sammen wachten die Agoranomen darüber, daß die öffentlichen Gebäude nicht<lb/>
verletzt wurden und der Markt in reinlichem Zustande blieb, daher ihnen bei¬<lb/>
den ein später Redner vorwirft, es entstünden ganze Sümpfe in der Stadt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0374] ßer und hatten deshalb die Koprologen oder KotlMrrner zu ihrer Dispo¬ sition. Sie wachten aber auch über Ordnung und Anstand auf den öffentlichen Plätzen überhaupt und beaufsichtigten Flötenspielerinnen, Zithermädchen und Possenreißer. Mehr als einmal brauchte kein Bürger dieses lästige Amt zu übernehmen. Von Wichtigkeit war ferner die Aufsicht über die öffentlichen Wasserleitungen und Brunnen. Die Armuth Athens an süßem Wasser zwang schon Solon zu der Verordnung, daß Niemand aus einem öffentlichen Brunnen Wasser schöpfen sollte, der mehr als 500 Schritte weit von seinem Hause entfernt wäre und daß dem Brunnen des Nachbars nur 34 Quart täg¬ lich entnommen werden dürften. Von Themistokles erzählt Plutarch, daß derselbe als Brunneninspector Viele, die widerrechtlich aus den öffentlichen^ Wasserleitungen das Wasser für sich ableiteten, bestraft und aus den Straf¬ geldern das eherne Bild eines wassertrageuden Mädchens als Weihgeschenk ausgestellt habe. In gleicher Anzahl wie die Astynomen verwalteten die Agoranomen die Polizeiaufsicht über den Markt, über Kauf und Verkauf und die dabei entstehenden Streitigkeiten. Sie kommen auch in den meisten andern Städten Griechenlands vor und hatten es fast nur mit Fremden, Schutzgenossen und der niedrigsten Classe der Bürger zu thun, da der Klein¬ handel und die Hökerei ein verachtetes Gewerbe waren (war es doch schon entehrend, wenn man die gekauften Waaren selbst nach Hause trug!). Von den Fremden erhoben diese Marktmeistcr eine Steuer, während die Bürger frei waren. Die Betrüglichkeit der Detailverkäufer war sprichwörtlich; im Verdünnen des Weines, im Verfälschen der Waaren überhaupt und im Ge¬ brauche falscher Gewichte und Maße scheinen sie Meister gewesen zu sein. Bei der Ausdehnung des Verkehrs gab es also sür die Polizei hier viel zu thun. Bestimmte Theile des Marktes erheischten noch besondere Controle. So durfte der Verkauf der Fische nicht vor einer bestimmten Zeit beginnen und es wurde mit einer Glocke zuvor ein Zeichen gegeben. Wir wissen dies aus einer drolligen Anekdote beim Geographen Strabo. Es ließ sich nämlich einst auf dem Markte einer Stadt ein Zitherspieler hören und eine Zeit lang schenkte ihm eine große Volksmenge die ungetheilteste Aufmerksamkeit; sobald aber die Glocke des Fischmarktes ertönte, verließen ihn Alle und strömten dem Orte zu, einen sehr Harthörigen ausgenommen. Zu diesem trat der Virtuos und sagte: „Mein Freund, ich weiß Dir vielen Dank für die Ehre, welche Du mir erzeigst; denn die Anderen sind beim ersten Klänge der Glocke fortgegan¬ gen;" — „Was sagst Du?" erwiderte Jener, „die Glocke hat schon geläutet? Gott behüte Dich!" stand aus und eilte hinweg. Hie den Astynomen zu¬ sammen wachten die Agoranomen darüber, daß die öffentlichen Gebäude nicht verletzt wurden und der Markt in reinlichem Zustande blieb, daher ihnen bei¬ den ein später Redner vorwirft, es entstünden ganze Sümpfe in der Stadt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/374
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/374>, abgerufen am 21.05.2024.