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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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meisten wirkte später zur Minderung des Uebels das Beispiel der Kaiser, be-
sonders Vespcisians, und die Verarmung der Familien ersten Ranges.

Die höhere und niedere Marktpolizei hatten, wie erwähnt, gleichfalls
die Aedilen. Sie sorgten für die nöthige Zufuhr von Getreide, steuerten dem
Kornwucher und suchten auf jede Weise wohlfeile Preise zu erlangen, bis von
August dieses wichtige Geschäft einem besonderen Präfecten übertragen wurde.
Schlechte Lebensmittel nahmen sie weg, falsche Maße und Gewichte zerbrachen
sie. Auch in allen mercantilischen Beziehungen übten sie nicht nur polizeiliche
Fürsorge, sondern besaßen auch für diesen Zweig ihre eigne Jurisdiction und
bildeten eine Art von Handelsgericht. Die Straßenpolizei war in Rom
trefflich organisirt. Die Anlage und Pflasterung der Straßen gehörte in das
Ressort der Censoren; aber die Instandhaltung und Reparatur, sowie die Her¬
stellung der Reinlichkeit, Sicherheit und Unbccngtheit lag den Aedilen samt
deren Unterbeamten, besondern Quartalaufsehcrn und Straßenfegern ob. Das
Unterlassen der Reinhaltung seines Districtes bekam dem nachmaligen Kaiser Ves-
pasian als Aedilen sehr schlecht. Der Kaiser Caligula ließ ihm durch Soldaten
den Busen mit Straßenkoth füllen! Jeder Hauseigenthümer mußte die bei
seinem Hause oorüberführende Straße unterhalten, und wenn er säumig war,
gab der Aedile den Bau auf seine Kosten in Accord und pfändete den Schul¬
digen. Alle Anlagen, wie Buden und Vorhanden, welche die Straße vereng¬
ten, waren die Aedilen befugt, wegreißen zu lassen, sowie sie auch Geräth-
schaften und dergl., welche den Verkehr hinderten, zerschlagen ließen und
Volksauflaufe sprengten. Auch das Fahren und Reiten war innerhalb der
Stadt verboten. Nur wenige bevorzugte Personen, wie die Vestalinnen, einige
Priester und die obern Magistrate bei solennen Aufzügen machten darin eine
Ausnahme. Für Lastwagen existirten Polizeistunden, indem sie von Sonnen¬
aufgang bis vier Uhr Nachmittags nicht fahren durften. Daher die Klage Ju-
venals: "Das Vorbeifahren der Wagen in der engen Krümmung der Gassen
und das Durcheinanderschreien des haltenden Trains werden selbst den Meer-
kälbern den Schlaf rauben!" Erst Hadrian verbot den schweren Lastwagen
vollständig die Stadt. Die Erleuchtung seines Weges blieb übrigens in der
Nacht jedem Einzelnen überlassen; denn obgleich Illuminationen bei festlichen
Gelegenheiten im Alterthume nicht ungewöhnlich waren (man scheint dabei die
Lichter und Fackeln vor die Thüren gestellt zu haben), so ist vor dem vierten
Jahrhundert von regelmäßiger Straßenbeleuchtung keine Spur zu finden. Die
nächtliche Polizei, besonders zum Schutze der Stadt gegen Feuersbrünste, Ein¬
brüche, räuberische Anfälle, welche in älterer Zeit die Aedilen und besondre
Nachtwächter versehn hatten, wurde von August militärisch organisirt und
einem Corps von 7000 Schaarwächtern, die unter einem besondern Präfecten
standen und in sieben Casernen vertheilt lagen, anvertraut. Sie patrouillirtcn


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meisten wirkte später zur Minderung des Uebels das Beispiel der Kaiser, be-
sonders Vespcisians, und die Verarmung der Familien ersten Ranges.

Die höhere und niedere Marktpolizei hatten, wie erwähnt, gleichfalls
die Aedilen. Sie sorgten für die nöthige Zufuhr von Getreide, steuerten dem
Kornwucher und suchten auf jede Weise wohlfeile Preise zu erlangen, bis von
August dieses wichtige Geschäft einem besonderen Präfecten übertragen wurde.
Schlechte Lebensmittel nahmen sie weg, falsche Maße und Gewichte zerbrachen
sie. Auch in allen mercantilischen Beziehungen übten sie nicht nur polizeiliche
Fürsorge, sondern besaßen auch für diesen Zweig ihre eigne Jurisdiction und
bildeten eine Art von Handelsgericht. Die Straßenpolizei war in Rom
trefflich organisirt. Die Anlage und Pflasterung der Straßen gehörte in das
Ressort der Censoren; aber die Instandhaltung und Reparatur, sowie die Her¬
stellung der Reinlichkeit, Sicherheit und Unbccngtheit lag den Aedilen samt
deren Unterbeamten, besondern Quartalaufsehcrn und Straßenfegern ob. Das
Unterlassen der Reinhaltung seines Districtes bekam dem nachmaligen Kaiser Ves-
pasian als Aedilen sehr schlecht. Der Kaiser Caligula ließ ihm durch Soldaten
den Busen mit Straßenkoth füllen! Jeder Hauseigenthümer mußte die bei
seinem Hause oorüberführende Straße unterhalten, und wenn er säumig war,
gab der Aedile den Bau auf seine Kosten in Accord und pfändete den Schul¬
digen. Alle Anlagen, wie Buden und Vorhanden, welche die Straße vereng¬
ten, waren die Aedilen befugt, wegreißen zu lassen, sowie sie auch Geräth-
schaften und dergl., welche den Verkehr hinderten, zerschlagen ließen und
Volksauflaufe sprengten. Auch das Fahren und Reiten war innerhalb der
Stadt verboten. Nur wenige bevorzugte Personen, wie die Vestalinnen, einige
Priester und die obern Magistrate bei solennen Aufzügen machten darin eine
Ausnahme. Für Lastwagen existirten Polizeistunden, indem sie von Sonnen¬
aufgang bis vier Uhr Nachmittags nicht fahren durften. Daher die Klage Ju-
venals: „Das Vorbeifahren der Wagen in der engen Krümmung der Gassen
und das Durcheinanderschreien des haltenden Trains werden selbst den Meer-
kälbern den Schlaf rauben!" Erst Hadrian verbot den schweren Lastwagen
vollständig die Stadt. Die Erleuchtung seines Weges blieb übrigens in der
Nacht jedem Einzelnen überlassen; denn obgleich Illuminationen bei festlichen
Gelegenheiten im Alterthume nicht ungewöhnlich waren (man scheint dabei die
Lichter und Fackeln vor die Thüren gestellt zu haben), so ist vor dem vierten
Jahrhundert von regelmäßiger Straßenbeleuchtung keine Spur zu finden. Die
nächtliche Polizei, besonders zum Schutze der Stadt gegen Feuersbrünste, Ein¬
brüche, räuberische Anfälle, welche in älterer Zeit die Aedilen und besondre
Nachtwächter versehn hatten, wurde von August militärisch organisirt und
einem Corps von 7000 Schaarwächtern, die unter einem besondern Präfecten
standen und in sieben Casernen vertheilt lagen, anvertraut. Sie patrouillirtcn


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[0383] meisten wirkte später zur Minderung des Uebels das Beispiel der Kaiser, be- sonders Vespcisians, und die Verarmung der Familien ersten Ranges. Die höhere und niedere Marktpolizei hatten, wie erwähnt, gleichfalls die Aedilen. Sie sorgten für die nöthige Zufuhr von Getreide, steuerten dem Kornwucher und suchten auf jede Weise wohlfeile Preise zu erlangen, bis von August dieses wichtige Geschäft einem besonderen Präfecten übertragen wurde. Schlechte Lebensmittel nahmen sie weg, falsche Maße und Gewichte zerbrachen sie. Auch in allen mercantilischen Beziehungen übten sie nicht nur polizeiliche Fürsorge, sondern besaßen auch für diesen Zweig ihre eigne Jurisdiction und bildeten eine Art von Handelsgericht. Die Straßenpolizei war in Rom trefflich organisirt. Die Anlage und Pflasterung der Straßen gehörte in das Ressort der Censoren; aber die Instandhaltung und Reparatur, sowie die Her¬ stellung der Reinlichkeit, Sicherheit und Unbccngtheit lag den Aedilen samt deren Unterbeamten, besondern Quartalaufsehcrn und Straßenfegern ob. Das Unterlassen der Reinhaltung seines Districtes bekam dem nachmaligen Kaiser Ves- pasian als Aedilen sehr schlecht. Der Kaiser Caligula ließ ihm durch Soldaten den Busen mit Straßenkoth füllen! Jeder Hauseigenthümer mußte die bei seinem Hause oorüberführende Straße unterhalten, und wenn er säumig war, gab der Aedile den Bau auf seine Kosten in Accord und pfändete den Schul¬ digen. Alle Anlagen, wie Buden und Vorhanden, welche die Straße vereng¬ ten, waren die Aedilen befugt, wegreißen zu lassen, sowie sie auch Geräth- schaften und dergl., welche den Verkehr hinderten, zerschlagen ließen und Volksauflaufe sprengten. Auch das Fahren und Reiten war innerhalb der Stadt verboten. Nur wenige bevorzugte Personen, wie die Vestalinnen, einige Priester und die obern Magistrate bei solennen Aufzügen machten darin eine Ausnahme. Für Lastwagen existirten Polizeistunden, indem sie von Sonnen¬ aufgang bis vier Uhr Nachmittags nicht fahren durften. Daher die Klage Ju- venals: „Das Vorbeifahren der Wagen in der engen Krümmung der Gassen und das Durcheinanderschreien des haltenden Trains werden selbst den Meer- kälbern den Schlaf rauben!" Erst Hadrian verbot den schweren Lastwagen vollständig die Stadt. Die Erleuchtung seines Weges blieb übrigens in der Nacht jedem Einzelnen überlassen; denn obgleich Illuminationen bei festlichen Gelegenheiten im Alterthume nicht ungewöhnlich waren (man scheint dabei die Lichter und Fackeln vor die Thüren gestellt zu haben), so ist vor dem vierten Jahrhundert von regelmäßiger Straßenbeleuchtung keine Spur zu finden. Die nächtliche Polizei, besonders zum Schutze der Stadt gegen Feuersbrünste, Ein¬ brüche, räuberische Anfälle, welche in älterer Zeit die Aedilen und besondre Nachtwächter versehn hatten, wurde von August militärisch organisirt und einem Corps von 7000 Schaarwächtern, die unter einem besondern Präfecten standen und in sieben Casernen vertheilt lagen, anvertraut. Sie patrouillirtcn 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/383>, abgerufen am 14.06.2024.