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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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in der Stadt und hatten das Recht, in die Häuser, wo Gefahr drohte, rück¬
sichtslos einzubrechen. Unter ihren Instrumenten werden bereits genannt:
Spritzen, Feuereimer, Aexte, Stangen mit Widerhaken, Leitern und Lappen zum
Ersticken der Flamme, die mit Essig getränkt wurden. Diese Anstalten waren
aber auch sehr nöthig in einer Stadt, die durch ihre Bauart dem Feuer so
ungemeinen Vorschub leistete. Denn es existirte wol das alte Gesetz, daß jedes
Haus einen freien Raum von zwei Fuß um sich herum haben sollte; aber wah¬
rend der Republik kümmerte man sich nicht um diese Bestimmung und baute
die Häuser in engen, krummen Straßen massenweise aneinander. Dabei waren
die Paläste der Vornehmen mit ihrer großen, horizontalen Ausdehnung von
unbedeutender Höhe. Dagegen wohnte die bei weitem größere Anzahl der
Einwohner in besondern, zum Zweck der Vermiethung erbauten Häusern (in-
suliw), deren Zahl sich zu den Herrenhäusern wie dreißig zu eins verhielt. Diese
wurden aus leichtem Materielle mit vielen Stockwerken bis zu einer abenteuer¬
lichen Höhe aufgethürmt. Zu den einzelnen Etagen stieg man aus getrennten
Treppen von der Straße oder vom Hofe empor und bei den hohen Mieth¬
preisen in der Stadt war es keine Seltenheit, daß Unbemittelte vier Treppen
hoch wohnten. Der "prügelsüchtige" Schulmeister Orbilius logirte unter dem
Dache; Martial drei Teppen hoch; Tertullian vergleicht die verschiedenen Himmel
der Gnostiker mit dem wegen seiner Höhe sprichwörtlich gewordenen Miethhause
des Felikles. Auch diesem Uebelstande, der durch die freilich durch keine Asse-
curanzanstalt gesicherte Speculation reicher Leute gewachsen war, suchte August
durch passende polizeiliche Vorkehrungen zu wehren. Besonders erwähnt wird
nur. daß er das Maximum der Höhe für Gebäude an der Straße auf siebzig
Fuß feststellte. Nach dem großen neronischcn Brande wurden die Straßen erweitert,
vorne an den Häusern Säulenhallen angelegt, von deren flachen Dächern aus
man die obern Etagen erlangen konnte und die Gebäude wenigstens an ge¬
wissen Stellen aus Quadern erbaut.

Schließlich muß noch bemerkt werden, daß eine Büchercensur, wie sie
der Polizeistaat kennt, zwar nicht bestand, daß aber oft Bücher von der Obrig¬
keit verboten und von den Aedilen verbrannt wurden, besonders während der
Republik solche, die die bestehenden Religionsgebräuche zu alteriren drohten.

Von den Sykophanten und Delatoren Roms ist in diesen Blättern
bereits vor einiger Zeit bei Gelegenheit der Besprechung des römischen Maje¬
H. G. stätsprocesses die Rede gewesen.




in der Stadt und hatten das Recht, in die Häuser, wo Gefahr drohte, rück¬
sichtslos einzubrechen. Unter ihren Instrumenten werden bereits genannt:
Spritzen, Feuereimer, Aexte, Stangen mit Widerhaken, Leitern und Lappen zum
Ersticken der Flamme, die mit Essig getränkt wurden. Diese Anstalten waren
aber auch sehr nöthig in einer Stadt, die durch ihre Bauart dem Feuer so
ungemeinen Vorschub leistete. Denn es existirte wol das alte Gesetz, daß jedes
Haus einen freien Raum von zwei Fuß um sich herum haben sollte; aber wah¬
rend der Republik kümmerte man sich nicht um diese Bestimmung und baute
die Häuser in engen, krummen Straßen massenweise aneinander. Dabei waren
die Paläste der Vornehmen mit ihrer großen, horizontalen Ausdehnung von
unbedeutender Höhe. Dagegen wohnte die bei weitem größere Anzahl der
Einwohner in besondern, zum Zweck der Vermiethung erbauten Häusern (in-
suliw), deren Zahl sich zu den Herrenhäusern wie dreißig zu eins verhielt. Diese
wurden aus leichtem Materielle mit vielen Stockwerken bis zu einer abenteuer¬
lichen Höhe aufgethürmt. Zu den einzelnen Etagen stieg man aus getrennten
Treppen von der Straße oder vom Hofe empor und bei den hohen Mieth¬
preisen in der Stadt war es keine Seltenheit, daß Unbemittelte vier Treppen
hoch wohnten. Der „prügelsüchtige" Schulmeister Orbilius logirte unter dem
Dache; Martial drei Teppen hoch; Tertullian vergleicht die verschiedenen Himmel
der Gnostiker mit dem wegen seiner Höhe sprichwörtlich gewordenen Miethhause
des Felikles. Auch diesem Uebelstande, der durch die freilich durch keine Asse-
curanzanstalt gesicherte Speculation reicher Leute gewachsen war, suchte August
durch passende polizeiliche Vorkehrungen zu wehren. Besonders erwähnt wird
nur. daß er das Maximum der Höhe für Gebäude an der Straße auf siebzig
Fuß feststellte. Nach dem großen neronischcn Brande wurden die Straßen erweitert,
vorne an den Häusern Säulenhallen angelegt, von deren flachen Dächern aus
man die obern Etagen erlangen konnte und die Gebäude wenigstens an ge¬
wissen Stellen aus Quadern erbaut.

Schließlich muß noch bemerkt werden, daß eine Büchercensur, wie sie
der Polizeistaat kennt, zwar nicht bestand, daß aber oft Bücher von der Obrig¬
keit verboten und von den Aedilen verbrannt wurden, besonders während der
Republik solche, die die bestehenden Religionsgebräuche zu alteriren drohten.

Von den Sykophanten und Delatoren Roms ist in diesen Blättern
bereits vor einiger Zeit bei Gelegenheit der Besprechung des römischen Maje¬
H. G. stätsprocesses die Rede gewesen.




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[0384] in der Stadt und hatten das Recht, in die Häuser, wo Gefahr drohte, rück¬ sichtslos einzubrechen. Unter ihren Instrumenten werden bereits genannt: Spritzen, Feuereimer, Aexte, Stangen mit Widerhaken, Leitern und Lappen zum Ersticken der Flamme, die mit Essig getränkt wurden. Diese Anstalten waren aber auch sehr nöthig in einer Stadt, die durch ihre Bauart dem Feuer so ungemeinen Vorschub leistete. Denn es existirte wol das alte Gesetz, daß jedes Haus einen freien Raum von zwei Fuß um sich herum haben sollte; aber wah¬ rend der Republik kümmerte man sich nicht um diese Bestimmung und baute die Häuser in engen, krummen Straßen massenweise aneinander. Dabei waren die Paläste der Vornehmen mit ihrer großen, horizontalen Ausdehnung von unbedeutender Höhe. Dagegen wohnte die bei weitem größere Anzahl der Einwohner in besondern, zum Zweck der Vermiethung erbauten Häusern (in- suliw), deren Zahl sich zu den Herrenhäusern wie dreißig zu eins verhielt. Diese wurden aus leichtem Materielle mit vielen Stockwerken bis zu einer abenteuer¬ lichen Höhe aufgethürmt. Zu den einzelnen Etagen stieg man aus getrennten Treppen von der Straße oder vom Hofe empor und bei den hohen Mieth¬ preisen in der Stadt war es keine Seltenheit, daß Unbemittelte vier Treppen hoch wohnten. Der „prügelsüchtige" Schulmeister Orbilius logirte unter dem Dache; Martial drei Teppen hoch; Tertullian vergleicht die verschiedenen Himmel der Gnostiker mit dem wegen seiner Höhe sprichwörtlich gewordenen Miethhause des Felikles. Auch diesem Uebelstande, der durch die freilich durch keine Asse- curanzanstalt gesicherte Speculation reicher Leute gewachsen war, suchte August durch passende polizeiliche Vorkehrungen zu wehren. Besonders erwähnt wird nur. daß er das Maximum der Höhe für Gebäude an der Straße auf siebzig Fuß feststellte. Nach dem großen neronischcn Brande wurden die Straßen erweitert, vorne an den Häusern Säulenhallen angelegt, von deren flachen Dächern aus man die obern Etagen erlangen konnte und die Gebäude wenigstens an ge¬ wissen Stellen aus Quadern erbaut. Schließlich muß noch bemerkt werden, daß eine Büchercensur, wie sie der Polizeistaat kennt, zwar nicht bestand, daß aber oft Bücher von der Obrig¬ keit verboten und von den Aedilen verbrannt wurden, besonders während der Republik solche, die die bestehenden Religionsgebräuche zu alteriren drohten. Von den Sykophanten und Delatoren Roms ist in diesen Blättern bereits vor einiger Zeit bei Gelegenheit der Besprechung des römischen Maje¬ H. G. stätsprocesses die Rede gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/384>, abgerufen am 21.05.2024.