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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Es mangelt ihm an Kaltblütigkeit. Ausdauer und Mannszucht im Unglück;
dagegen besitzt er einen aufgeweckten Sinn und momentane Entschlossenheit,
und die Rekruten aus Calabrien, Apulien und der gebirgigen Basilicata bil¬
den als geborne Schützen und gewandte Springer und Bergsteiger ein gutes
Material zu den Jägerbataillonen. Bei der Thronbesteigung des vorigen
Königs (1830) befand sich die Armee im Zustande vollkommenster Verwahr¬
losung. Das Bewußtsein, daß er sich nur mit Hilfe eines tüchtigen Heeres
die Krone beider Sicilien erhalten könne, bewog Ferdinand den Zweiten,
große Sorgfalt auf die Bildung und Erhaltung eines solchen zu verwenden,
und er hat in der That erreicht, was sich mit den ihm zu Gebote stehenden
Mitteln erreichen ließ. Man rühmt die Geschicklichkeit der neapolitanischen
Truppen im Manövriren, und dieselben sollen besonders reich an brauchbaren
Unteroffizieren sein. Da die Armee keine Cadettenhäuser besitzt, so ergänzt
sich ihr Officiercorps aus den Reihen der Unterofficiere. wodurch demselben
allerdings mancher in den niedern Zweige" des militärischen Wissens und
Handelns erfahrene Mann zugeführt wird, andrerseits aber auch von großer
Bildung unter der Mehrzahl der Officiere nicht die Rede sein kann.

Ueber die Stellung der Officiere zum Königthum lauten die Urtheile ver¬
schieden. Die Einen rühmen ihre Anhänglichkeit an den Thron. Andere be¬
haupten, daß sich namentlich in den niedern Graden viele Muratisten und
selbst Mitglieder von geheimen Gesellschaften mazzinistischer Farbe finden.
Der Geist der Soldaten soll nach dieser Seite hin im Allgemeinen weniger
gut sei", und wenn man während des Kampfes in Sicilien nicht viel von
Ueberlüuscr" vernahm, so erklärt sich das daraus, daß Sicilianer und Nea¬
politaner nicht zu einander passen, daß es für diese bei ihrem traditionellen
Haß gegen jene gradezu Herzenssache war, bei ihrer Fahne zu bleiben. Kün¬
digt sich der beabsichtigte Angriff Garibaldis auf das neapolitanische Festland
nicht als ein Feldzug Siciliens gegen Neapel an, hat er gleich zu Anfang
einige Erfolge, so kann sich Vieles leicht anders gestalten.

Die Ausrüstung der neapolitanischen Armee ist den Anforderungen der
Gegenwart angemessen. Die Unform hat Aehnlichkeit mit der französischen.
Bis vor Kurzem trugen die Regimenter noch den Frack, jetzt ist bei der Mehr¬
zahl der Waffenrock nach pariser Schnitt eingeführt. Als Kopfbedeckung wird
von der Linieninfanterie und den Jägern das Käppi, von den Grenadieren
die Bärmütze getragen. Die Dragoner haben Helme, die Ulanen Tschapkas.
Die Beinkleider sind bei sämmtlichen Waffengattungen roth, die Waffenröcke
bei der Linieninfanterie, den Dragonern und Ulanen dunkelblau, bei den
Husaren hellblau, bei den Jägern grün. Die Schweizer waren roth gekleidet.
Praktisch ist die Einrichtung, daß alle Soldaten im Sommer statt der tuchenen
Röcke und Beinkleider solche von starkem lichtblauen Baumwollenstoff tragen.


Es mangelt ihm an Kaltblütigkeit. Ausdauer und Mannszucht im Unglück;
dagegen besitzt er einen aufgeweckten Sinn und momentane Entschlossenheit,
und die Rekruten aus Calabrien, Apulien und der gebirgigen Basilicata bil¬
den als geborne Schützen und gewandte Springer und Bergsteiger ein gutes
Material zu den Jägerbataillonen. Bei der Thronbesteigung des vorigen
Königs (1830) befand sich die Armee im Zustande vollkommenster Verwahr¬
losung. Das Bewußtsein, daß er sich nur mit Hilfe eines tüchtigen Heeres
die Krone beider Sicilien erhalten könne, bewog Ferdinand den Zweiten,
große Sorgfalt auf die Bildung und Erhaltung eines solchen zu verwenden,
und er hat in der That erreicht, was sich mit den ihm zu Gebote stehenden
Mitteln erreichen ließ. Man rühmt die Geschicklichkeit der neapolitanischen
Truppen im Manövriren, und dieselben sollen besonders reich an brauchbaren
Unteroffizieren sein. Da die Armee keine Cadettenhäuser besitzt, so ergänzt
sich ihr Officiercorps aus den Reihen der Unterofficiere. wodurch demselben
allerdings mancher in den niedern Zweige» des militärischen Wissens und
Handelns erfahrene Mann zugeführt wird, andrerseits aber auch von großer
Bildung unter der Mehrzahl der Officiere nicht die Rede sein kann.

Ueber die Stellung der Officiere zum Königthum lauten die Urtheile ver¬
schieden. Die Einen rühmen ihre Anhänglichkeit an den Thron. Andere be¬
haupten, daß sich namentlich in den niedern Graden viele Muratisten und
selbst Mitglieder von geheimen Gesellschaften mazzinistischer Farbe finden.
Der Geist der Soldaten soll nach dieser Seite hin im Allgemeinen weniger
gut sei», und wenn man während des Kampfes in Sicilien nicht viel von
Ueberlüuscr» vernahm, so erklärt sich das daraus, daß Sicilianer und Nea¬
politaner nicht zu einander passen, daß es für diese bei ihrem traditionellen
Haß gegen jene gradezu Herzenssache war, bei ihrer Fahne zu bleiben. Kün¬
digt sich der beabsichtigte Angriff Garibaldis auf das neapolitanische Festland
nicht als ein Feldzug Siciliens gegen Neapel an, hat er gleich zu Anfang
einige Erfolge, so kann sich Vieles leicht anders gestalten.

Die Ausrüstung der neapolitanischen Armee ist den Anforderungen der
Gegenwart angemessen. Die Unform hat Aehnlichkeit mit der französischen.
Bis vor Kurzem trugen die Regimenter noch den Frack, jetzt ist bei der Mehr¬
zahl der Waffenrock nach pariser Schnitt eingeführt. Als Kopfbedeckung wird
von der Linieninfanterie und den Jägern das Käppi, von den Grenadieren
die Bärmütze getragen. Die Dragoner haben Helme, die Ulanen Tschapkas.
Die Beinkleider sind bei sämmtlichen Waffengattungen roth, die Waffenröcke
bei der Linieninfanterie, den Dragonern und Ulanen dunkelblau, bei den
Husaren hellblau, bei den Jägern grün. Die Schweizer waren roth gekleidet.
Praktisch ist die Einrichtung, daß alle Soldaten im Sommer statt der tuchenen
Röcke und Beinkleider solche von starkem lichtblauen Baumwollenstoff tragen.


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[0042] Es mangelt ihm an Kaltblütigkeit. Ausdauer und Mannszucht im Unglück; dagegen besitzt er einen aufgeweckten Sinn und momentane Entschlossenheit, und die Rekruten aus Calabrien, Apulien und der gebirgigen Basilicata bil¬ den als geborne Schützen und gewandte Springer und Bergsteiger ein gutes Material zu den Jägerbataillonen. Bei der Thronbesteigung des vorigen Königs (1830) befand sich die Armee im Zustande vollkommenster Verwahr¬ losung. Das Bewußtsein, daß er sich nur mit Hilfe eines tüchtigen Heeres die Krone beider Sicilien erhalten könne, bewog Ferdinand den Zweiten, große Sorgfalt auf die Bildung und Erhaltung eines solchen zu verwenden, und er hat in der That erreicht, was sich mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln erreichen ließ. Man rühmt die Geschicklichkeit der neapolitanischen Truppen im Manövriren, und dieselben sollen besonders reich an brauchbaren Unteroffizieren sein. Da die Armee keine Cadettenhäuser besitzt, so ergänzt sich ihr Officiercorps aus den Reihen der Unterofficiere. wodurch demselben allerdings mancher in den niedern Zweige» des militärischen Wissens und Handelns erfahrene Mann zugeführt wird, andrerseits aber auch von großer Bildung unter der Mehrzahl der Officiere nicht die Rede sein kann. Ueber die Stellung der Officiere zum Königthum lauten die Urtheile ver¬ schieden. Die Einen rühmen ihre Anhänglichkeit an den Thron. Andere be¬ haupten, daß sich namentlich in den niedern Graden viele Muratisten und selbst Mitglieder von geheimen Gesellschaften mazzinistischer Farbe finden. Der Geist der Soldaten soll nach dieser Seite hin im Allgemeinen weniger gut sei», und wenn man während des Kampfes in Sicilien nicht viel von Ueberlüuscr» vernahm, so erklärt sich das daraus, daß Sicilianer und Nea¬ politaner nicht zu einander passen, daß es für diese bei ihrem traditionellen Haß gegen jene gradezu Herzenssache war, bei ihrer Fahne zu bleiben. Kün¬ digt sich der beabsichtigte Angriff Garibaldis auf das neapolitanische Festland nicht als ein Feldzug Siciliens gegen Neapel an, hat er gleich zu Anfang einige Erfolge, so kann sich Vieles leicht anders gestalten. Die Ausrüstung der neapolitanischen Armee ist den Anforderungen der Gegenwart angemessen. Die Unform hat Aehnlichkeit mit der französischen. Bis vor Kurzem trugen die Regimenter noch den Frack, jetzt ist bei der Mehr¬ zahl der Waffenrock nach pariser Schnitt eingeführt. Als Kopfbedeckung wird von der Linieninfanterie und den Jägern das Käppi, von den Grenadieren die Bärmütze getragen. Die Dragoner haben Helme, die Ulanen Tschapkas. Die Beinkleider sind bei sämmtlichen Waffengattungen roth, die Waffenröcke bei der Linieninfanterie, den Dragonern und Ulanen dunkelblau, bei den Husaren hellblau, bei den Jägern grün. Die Schweizer waren roth gekleidet. Praktisch ist die Einrichtung, daß alle Soldaten im Sommer statt der tuchenen Röcke und Beinkleider solche von starkem lichtblauen Baumwollenstoff tragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/42>, abgerufen am 21.05.2024.