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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Probtesten Männer für ihre aus Ueberzeugung und Pflichtgefühl hervorgegan-
genen Einwendungen und Verschlüge mir Zurücksetzung ernteten. So man¬
cher verdiente General mußte eine wohlgemeinte Bemerkung damit büßen,
daß er sofort mit einem mehr oder minder knappen Gehalte in den Ruhe¬
stand versetzt wurde. Die Folgen davon konnten nicht ausbleiben. Mau sah,
daß nur Schmeichler sich in der Umgebung des Hofes erhalten konnten und
daß letzterer daran gewöhnt war, sich durch Decorationen und Schlußcffectc
tauschen zu lassen. Im ängstlichen Bemühen, sich um jeden Preis die kaiser¬
liche Gnade zu erhalten, wetteiferten fast Alle in der Hervorbringung von sol¬
chen Blendwerken, und nur wenige kümmerten sich um reelle Dinge. Die
meist nur nach Laune und Belieben jener höchsten Sphäre rasch auf einander
folgenden, sich oft widersprechenden Anordnungen, Verbote und Reformen tru¬
gen das Ihrige dazu bei, selbst die fähigsten und entschlossensten Männer in
Ungewißheit und Zweifel zu verstricken. Die Gesetze waren fast ohne Aus-
nähme provisorische und wurden gewöhnlich schon nach einigen Monaten durch
andere, ebenfalls provisorische ersetzt. So wurden z. B. binnen nicht ganz
eilf Jahren die militairärztliche Branche vier, das Justizpersonal drei, die
Artillerie- und Genietruppen drei und das Administrationswcsen wenigstens
vier Mal ganz oder größtentheils reorganisirt. Daß dadurch die allgemeine
Zufriedenheit nicht erhöht werden konnte, ist um so begreiflicher, als fast bei
jeder dieser Umformungen zahlreiche durch Nichts zu rechtfertigende Beseitigungen
verdienter Männer und Gehaltsverminderungen bei den untersten Graden
stattfanden. Allerdings soll der Militär nicht um's Geld, sondern der
Pflicht und Ehre wegen dienen; aber er spricht wenigstens ein solches Ein¬
kommen an, um anständig leben zu können. Dieses ist aber trotz der 1851
^folgten Gagenerhöhung nicht der Fall. Nicht nur sind die Besoldungen der
Subalternoffiziere und Unteroffiziere an und für sich zu gering, sondern
es wird überdem noch dieses Wenige durch die Entwertung des östreichischen
Papiergeldes um mehr als ein Drittel vermindert. Alle übrigen Mini¬
ster wußten darum auch für die Beamten ihrer Departements Theuerungs¬
zulagen und Subsistenzbciträge auszuwirken; nur bei der Armee blieb
es beim Alten. Auch in andern Beziehungen ist das^ Loos des östrei¬
chischen Militärs gegenwärtig schlechter als früher. Die schimpfliche Prügel¬
strafe wird zwar in geringerem Ausmaße als früher, aber ebenso häufig und
oft der unbedeutendsten Vergehen wegen ertheilt. Außerdem aber sind noch
eine Menge anderer Bedrückungen gebräuchlich und, was das Empfindlichste
'se. die persönliche Freiheit des Soldaten ist jetzt beschränkter als je. Nicht
"ur bei den gemeinen Soldaten und llnterofsizieren, sondern auch bei dem
Offizier wurde (in, directen Gegensatz gegen das Princip, welches bei dem
N'anzösischen"Heer herrscht und neuerdings von einem preußischen Prinzen leb-


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Probtesten Männer für ihre aus Ueberzeugung und Pflichtgefühl hervorgegan-
genen Einwendungen und Verschlüge mir Zurücksetzung ernteten. So man¬
cher verdiente General mußte eine wohlgemeinte Bemerkung damit büßen,
daß er sofort mit einem mehr oder minder knappen Gehalte in den Ruhe¬
stand versetzt wurde. Die Folgen davon konnten nicht ausbleiben. Mau sah,
daß nur Schmeichler sich in der Umgebung des Hofes erhalten konnten und
daß letzterer daran gewöhnt war, sich durch Decorationen und Schlußcffectc
tauschen zu lassen. Im ängstlichen Bemühen, sich um jeden Preis die kaiser¬
liche Gnade zu erhalten, wetteiferten fast Alle in der Hervorbringung von sol¬
chen Blendwerken, und nur wenige kümmerten sich um reelle Dinge. Die
meist nur nach Laune und Belieben jener höchsten Sphäre rasch auf einander
folgenden, sich oft widersprechenden Anordnungen, Verbote und Reformen tru¬
gen das Ihrige dazu bei, selbst die fähigsten und entschlossensten Männer in
Ungewißheit und Zweifel zu verstricken. Die Gesetze waren fast ohne Aus-
nähme provisorische und wurden gewöhnlich schon nach einigen Monaten durch
andere, ebenfalls provisorische ersetzt. So wurden z. B. binnen nicht ganz
eilf Jahren die militairärztliche Branche vier, das Justizpersonal drei, die
Artillerie- und Genietruppen drei und das Administrationswcsen wenigstens
vier Mal ganz oder größtentheils reorganisirt. Daß dadurch die allgemeine
Zufriedenheit nicht erhöht werden konnte, ist um so begreiflicher, als fast bei
jeder dieser Umformungen zahlreiche durch Nichts zu rechtfertigende Beseitigungen
verdienter Männer und Gehaltsverminderungen bei den untersten Graden
stattfanden. Allerdings soll der Militär nicht um's Geld, sondern der
Pflicht und Ehre wegen dienen; aber er spricht wenigstens ein solches Ein¬
kommen an, um anständig leben zu können. Dieses ist aber trotz der 1851
^folgten Gagenerhöhung nicht der Fall. Nicht nur sind die Besoldungen der
Subalternoffiziere und Unteroffiziere an und für sich zu gering, sondern
es wird überdem noch dieses Wenige durch die Entwertung des östreichischen
Papiergeldes um mehr als ein Drittel vermindert. Alle übrigen Mini¬
ster wußten darum auch für die Beamten ihrer Departements Theuerungs¬
zulagen und Subsistenzbciträge auszuwirken; nur bei der Armee blieb
es beim Alten. Auch in andern Beziehungen ist das^ Loos des östrei¬
chischen Militärs gegenwärtig schlechter als früher. Die schimpfliche Prügel¬
strafe wird zwar in geringerem Ausmaße als früher, aber ebenso häufig und
oft der unbedeutendsten Vergehen wegen ertheilt. Außerdem aber sind noch
eine Menge anderer Bedrückungen gebräuchlich und, was das Empfindlichste
'se. die persönliche Freiheit des Soldaten ist jetzt beschränkter als je. Nicht
"ur bei den gemeinen Soldaten und llnterofsizieren, sondern auch bei dem
Offizier wurde (in, directen Gegensatz gegen das Princip, welches bei dem
N'anzösischen»Heer herrscht und neuerdings von einem preußischen Prinzen leb-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/173>, abgerufen am 16.06.2024.