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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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und seine Zuneigung der Kritik aussetzen. Auch das Statut für den Preis
>ist einfach, bündig, klar und vollkommen ausreichend, der Commission zur
Richtschnur zu dienen. Die Mitglieder der Commission endlich sind aus den
Kreisen gewählt worden, in denen wenigstens das größte Interesse für schöne
Kunst vorauszusetzen ist, einige Gelehrte von umfassender Bildung, Vorstände
größerer Bühnen, darunter anerkannte Autoritäten im Bereich schöner Literatur
und Kunst. Im Ganzen, wen sollte man sonst in die Commission setzen?
Mancher wird einzelne Namen mit 'andern, die grade ihm werther sind, ver¬
tauscht wünschen, wer aber andere vorzuschlagen hat, möge sich vorher auch
überzeugen, ob sie eine Berufung zu so undankbarer Thätigkeit annehmen. Es
ist keine Kleinigkeit unter 400 Theaterstücken, von denen doch vielleicht die
Hälfte bei massenhafter Lectüre etwas Schmerzliches hat, wählen zu müs¬
sen. Es ist auch nicht Jedem behaglich, unter hundert dramatischen Schrift¬
stellern zum mindesten neunundneunzig abzuweisen und mit der Ansicht zu er¬
füllen, daß die Commission ausgezeichnet schlechten Geschmack habe. -- So
hatte, Alles erwogen, die preußische Regierung, gethan, was sie thun konnte,
um dem Preise eine feste Grundlage zu geben.

Es war nicht ganz bequem, daß gleich im ersten Jahre der Preis nicht
ertheilt werden konnte. Und wir meinen, die Commission hat sich ihr unange¬
nehmes und beschwerliches Amt zu schwer gemacht. Es ist keine Hoffnung
da, daß die Verweigerung des Preises' auf zukünftige Production günstiger
wirken werde, als die Ertheilung. es machts ohnedies Jeder grade so gut,
als er kann; und nebenbei sei hier die Ansicht ausgesprochen, bei welcher
den Schreiber dieses kein persönliches Interesse mehr leitet, daß die Commission
für die nächste Preisertheilung dem Zwecke des Schillcrpreises am besten
nachkommen wird, wenn sie frischweg dem Stück, welches ihr als das relativ
beste erscheint, den Preis zuspricht, ohne ein höheres Kunstbcwußtscin
gegenüber zu stellen, und alles übrige dem guten Geist der Poesie, der Zeit
und jenen andern Mächten überläßt, welche die Früchte , im Garten der Hes-
periden reif machen. Indeß das ist Sache der Commission, es ist ihr Recht,
zu entscheiden, und hier am wenigsten soll gegen den letzten Entscheid pole-
misirt werden. Die dramatischen Schriftsteller aber, denen bei solchem Verfahren
der Preisrichter der Preis entgeht, oder die bei einer Ertheilung den Preis
nicht davontragen, mögen sich mit der alten Wahrheit beruhigen, daß nicht
selten das Urtheil auch der Besten, über eine neue poetische Arbeit in dem
Zeitpunkt des Erscheinens weder zuverlässig noch dauerhaft ist. daß es jeden¬
falls nicht als das letzte betrachtet werden kann.

Die Kritik hält jedem neuen Dichterwerk allerdings ein wohlgefügtes System
entgegen, aber dies System deucht im letzten Grund auf der Summe des
Schönen, welches bis dahin geschaffen ist. Die Kritik ist daher nichts weniger


und seine Zuneigung der Kritik aussetzen. Auch das Statut für den Preis
>ist einfach, bündig, klar und vollkommen ausreichend, der Commission zur
Richtschnur zu dienen. Die Mitglieder der Commission endlich sind aus den
Kreisen gewählt worden, in denen wenigstens das größte Interesse für schöne
Kunst vorauszusetzen ist, einige Gelehrte von umfassender Bildung, Vorstände
größerer Bühnen, darunter anerkannte Autoritäten im Bereich schöner Literatur
und Kunst. Im Ganzen, wen sollte man sonst in die Commission setzen?
Mancher wird einzelne Namen mit 'andern, die grade ihm werther sind, ver¬
tauscht wünschen, wer aber andere vorzuschlagen hat, möge sich vorher auch
überzeugen, ob sie eine Berufung zu so undankbarer Thätigkeit annehmen. Es
ist keine Kleinigkeit unter 400 Theaterstücken, von denen doch vielleicht die
Hälfte bei massenhafter Lectüre etwas Schmerzliches hat, wählen zu müs¬
sen. Es ist auch nicht Jedem behaglich, unter hundert dramatischen Schrift¬
stellern zum mindesten neunundneunzig abzuweisen und mit der Ansicht zu er¬
füllen, daß die Commission ausgezeichnet schlechten Geschmack habe. — So
hatte, Alles erwogen, die preußische Regierung, gethan, was sie thun konnte,
um dem Preise eine feste Grundlage zu geben.

Es war nicht ganz bequem, daß gleich im ersten Jahre der Preis nicht
ertheilt werden konnte. Und wir meinen, die Commission hat sich ihr unange¬
nehmes und beschwerliches Amt zu schwer gemacht. Es ist keine Hoffnung
da, daß die Verweigerung des Preises' auf zukünftige Production günstiger
wirken werde, als die Ertheilung. es machts ohnedies Jeder grade so gut,
als er kann; und nebenbei sei hier die Ansicht ausgesprochen, bei welcher
den Schreiber dieses kein persönliches Interesse mehr leitet, daß die Commission
für die nächste Preisertheilung dem Zwecke des Schillcrpreises am besten
nachkommen wird, wenn sie frischweg dem Stück, welches ihr als das relativ
beste erscheint, den Preis zuspricht, ohne ein höheres Kunstbcwußtscin
gegenüber zu stellen, und alles übrige dem guten Geist der Poesie, der Zeit
und jenen andern Mächten überläßt, welche die Früchte , im Garten der Hes-
periden reif machen. Indeß das ist Sache der Commission, es ist ihr Recht,
zu entscheiden, und hier am wenigsten soll gegen den letzten Entscheid pole-
misirt werden. Die dramatischen Schriftsteller aber, denen bei solchem Verfahren
der Preisrichter der Preis entgeht, oder die bei einer Ertheilung den Preis
nicht davontragen, mögen sich mit der alten Wahrheit beruhigen, daß nicht
selten das Urtheil auch der Besten, über eine neue poetische Arbeit in dem
Zeitpunkt des Erscheinens weder zuverlässig noch dauerhaft ist. daß es jeden¬
falls nicht als das letzte betrachtet werden kann.

Die Kritik hält jedem neuen Dichterwerk allerdings ein wohlgefügtes System
entgegen, aber dies System deucht im letzten Grund auf der Summe des
Schönen, welches bis dahin geschaffen ist. Die Kritik ist daher nichts weniger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/28>, abgerufen am 16.06.2024.