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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Teufel mit seinem Gefolge, den Hexen, Larven und Gespenstern, gehört nicht
zu den Freunden des Menschen; gegen ihn sollen wir auf der Hut sein; und
wenn unsev Dr. Luther das ganze Tintenfaß nach ihm'warf, so ist auch jetzt
die Tinte noch kein unebenes Mittel, dies schlechte Wesen den Menschen so
verhaßt, verächtlich und lächerlich zu machen, wie es sich ziemt.

Gott dagegen ist der höchste Menschen- und Scelenfreund, und der Deis¬
mus -- sowol dem Pantheismus und Atheismus als dem Teufelsdienst ent¬
gegengesetzt -- wird sein schönes Werk der Läuterung und Erhebung des
menschlichen Gemüths fortsetzen, nicht gegen die Wissenschaft, sondern im Verein
mit der Wissenschaft. Die Metaphysik wird es wieder aufgeben, wie sie es
ja früher schon einmal aufgegeben hatte, aus Gott einen klaren, d. h. con-
struirbarer Gedanken machen zu wollen. Es fehlt uns die Analogie: ein
Wesen, zu dem wir reden, das wir als Vater und Richter anbeten wollen,
muß eine Person sein; und die Persönlichkeit, als unendlich gedacht, wiedcr-
streitet unserm Denkvermögen -- ebenso in der dreieinigen, wie in der umta¬
uschen Form, wie als spiuozistische Substanz. -- Glücklich das Kind, das in
seinen Analogien und Bildern noch nicht durch Vergleichung gestört, wirklich
beten, d. h. mit aller Dringlichkeit eines Kindes um etwas bitten kann, wäre
es auch nur um ein Spielzeug. Wer dieses Glück nie genossen, hat eins
der wesentlichsten Güter entbehrt. -- Die Stellung des Mannes zu Gott kann
diese Naivetät nicht mehr haben; das Bild hört auf, aber es ist ein nicht
zu ersetzender Verlust, wenn mit dem Bild auch das Gefühl des Wesens
schwindet: er erwirbt sich die Kraft, sich bei einem nicht klaren, und doch noth¬
wendigen Gedanken zu beruhigen, d. h. den Glauben. -- Der Gedanke schien
dem Kinde klar; der Mann sieht die Unklarheit ein, und doch soll die Wahr¬
heit bleiben. -- Das Kind beruhigt sich, wenn es sein Gebet gethan; das
Spielzeug wird morgen kommen. Für den Manu gehört eine Kraft dazu,
den Glauben ohne Bild zu erfassen: den Glauben, daß die Erscheinung aus
einer Substanz ruht, und daß diese Substanz das Gute ist. Der leichte Trost:
Alles, was ist, ist gut, mag den Pantheistcn trösten, den entweder die Schön¬
heit der eignen Individualität die Widersprüche der Welt vergessen läßt, oder
der mit diesen Widersprüchen tändelt; der ernste Denker wird mehr wollen. ---
Und darum ist die Methode des alten Kant, der etwa so räsonnirte: ich will
und soll das Gute, und indem ich weiß, daß ich will und soll, ergreife ich
kraft meines Willens den Glauben an Gott! diese Methode ist noch immer
mehr zu empfehlen, als die metaphysischen Grübeleien, wie etwa Gott be¬
schaffen sein möge, mit Ungrund, Abgrund u. f. w.

Diese Bemerkungen drängen sich unwillkürlich auf, wenn man die zahl¬
reiche neueste Literatur über Seele, Materie u. f. w. durchblättert. -- In der
Regel treffen sich die Gegensätze gar nicht. -- Die Kraft zu denken: ich will!


Teufel mit seinem Gefolge, den Hexen, Larven und Gespenstern, gehört nicht
zu den Freunden des Menschen; gegen ihn sollen wir auf der Hut sein; und
wenn unsev Dr. Luther das ganze Tintenfaß nach ihm'warf, so ist auch jetzt
die Tinte noch kein unebenes Mittel, dies schlechte Wesen den Menschen so
verhaßt, verächtlich und lächerlich zu machen, wie es sich ziemt.

Gott dagegen ist der höchste Menschen- und Scelenfreund, und der Deis¬
mus — sowol dem Pantheismus und Atheismus als dem Teufelsdienst ent¬
gegengesetzt — wird sein schönes Werk der Läuterung und Erhebung des
menschlichen Gemüths fortsetzen, nicht gegen die Wissenschaft, sondern im Verein
mit der Wissenschaft. Die Metaphysik wird es wieder aufgeben, wie sie es
ja früher schon einmal aufgegeben hatte, aus Gott einen klaren, d. h. con-
struirbarer Gedanken machen zu wollen. Es fehlt uns die Analogie: ein
Wesen, zu dem wir reden, das wir als Vater und Richter anbeten wollen,
muß eine Person sein; und die Persönlichkeit, als unendlich gedacht, wiedcr-
streitet unserm Denkvermögen — ebenso in der dreieinigen, wie in der umta¬
uschen Form, wie als spiuozistische Substanz. — Glücklich das Kind, das in
seinen Analogien und Bildern noch nicht durch Vergleichung gestört, wirklich
beten, d. h. mit aller Dringlichkeit eines Kindes um etwas bitten kann, wäre
es auch nur um ein Spielzeug. Wer dieses Glück nie genossen, hat eins
der wesentlichsten Güter entbehrt. — Die Stellung des Mannes zu Gott kann
diese Naivetät nicht mehr haben; das Bild hört auf, aber es ist ein nicht
zu ersetzender Verlust, wenn mit dem Bild auch das Gefühl des Wesens
schwindet: er erwirbt sich die Kraft, sich bei einem nicht klaren, und doch noth¬
wendigen Gedanken zu beruhigen, d. h. den Glauben. — Der Gedanke schien
dem Kinde klar; der Mann sieht die Unklarheit ein, und doch soll die Wahr¬
heit bleiben. — Das Kind beruhigt sich, wenn es sein Gebet gethan; das
Spielzeug wird morgen kommen. Für den Manu gehört eine Kraft dazu,
den Glauben ohne Bild zu erfassen: den Glauben, daß die Erscheinung aus
einer Substanz ruht, und daß diese Substanz das Gute ist. Der leichte Trost:
Alles, was ist, ist gut, mag den Pantheistcn trösten, den entweder die Schön¬
heit der eignen Individualität die Widersprüche der Welt vergessen läßt, oder
der mit diesen Widersprüchen tändelt; der ernste Denker wird mehr wollen. —-
Und darum ist die Methode des alten Kant, der etwa so räsonnirte: ich will
und soll das Gute, und indem ich weiß, daß ich will und soll, ergreife ich
kraft meines Willens den Glauben an Gott! diese Methode ist noch immer
mehr zu empfehlen, als die metaphysischen Grübeleien, wie etwa Gott be¬
schaffen sein möge, mit Ungrund, Abgrund u. f. w.

Diese Bemerkungen drängen sich unwillkürlich auf, wenn man die zahl¬
reiche neueste Literatur über Seele, Materie u. f. w. durchblättert. — In der
Regel treffen sich die Gegensätze gar nicht. — Die Kraft zu denken: ich will!


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[0522] Teufel mit seinem Gefolge, den Hexen, Larven und Gespenstern, gehört nicht zu den Freunden des Menschen; gegen ihn sollen wir auf der Hut sein; und wenn unsev Dr. Luther das ganze Tintenfaß nach ihm'warf, so ist auch jetzt die Tinte noch kein unebenes Mittel, dies schlechte Wesen den Menschen so verhaßt, verächtlich und lächerlich zu machen, wie es sich ziemt. Gott dagegen ist der höchste Menschen- und Scelenfreund, und der Deis¬ mus — sowol dem Pantheismus und Atheismus als dem Teufelsdienst ent¬ gegengesetzt — wird sein schönes Werk der Läuterung und Erhebung des menschlichen Gemüths fortsetzen, nicht gegen die Wissenschaft, sondern im Verein mit der Wissenschaft. Die Metaphysik wird es wieder aufgeben, wie sie es ja früher schon einmal aufgegeben hatte, aus Gott einen klaren, d. h. con- struirbarer Gedanken machen zu wollen. Es fehlt uns die Analogie: ein Wesen, zu dem wir reden, das wir als Vater und Richter anbeten wollen, muß eine Person sein; und die Persönlichkeit, als unendlich gedacht, wiedcr- streitet unserm Denkvermögen — ebenso in der dreieinigen, wie in der umta¬ uschen Form, wie als spiuozistische Substanz. — Glücklich das Kind, das in seinen Analogien und Bildern noch nicht durch Vergleichung gestört, wirklich beten, d. h. mit aller Dringlichkeit eines Kindes um etwas bitten kann, wäre es auch nur um ein Spielzeug. Wer dieses Glück nie genossen, hat eins der wesentlichsten Güter entbehrt. — Die Stellung des Mannes zu Gott kann diese Naivetät nicht mehr haben; das Bild hört auf, aber es ist ein nicht zu ersetzender Verlust, wenn mit dem Bild auch das Gefühl des Wesens schwindet: er erwirbt sich die Kraft, sich bei einem nicht klaren, und doch noth¬ wendigen Gedanken zu beruhigen, d. h. den Glauben. — Der Gedanke schien dem Kinde klar; der Mann sieht die Unklarheit ein, und doch soll die Wahr¬ heit bleiben. — Das Kind beruhigt sich, wenn es sein Gebet gethan; das Spielzeug wird morgen kommen. Für den Manu gehört eine Kraft dazu, den Glauben ohne Bild zu erfassen: den Glauben, daß die Erscheinung aus einer Substanz ruht, und daß diese Substanz das Gute ist. Der leichte Trost: Alles, was ist, ist gut, mag den Pantheistcn trösten, den entweder die Schön¬ heit der eignen Individualität die Widersprüche der Welt vergessen läßt, oder der mit diesen Widersprüchen tändelt; der ernste Denker wird mehr wollen. —- Und darum ist die Methode des alten Kant, der etwa so räsonnirte: ich will und soll das Gute, und indem ich weiß, daß ich will und soll, ergreife ich kraft meines Willens den Glauben an Gott! diese Methode ist noch immer mehr zu empfehlen, als die metaphysischen Grübeleien, wie etwa Gott be¬ schaffen sein möge, mit Ungrund, Abgrund u. f. w. Diese Bemerkungen drängen sich unwillkürlich auf, wenn man die zahl¬ reiche neueste Literatur über Seele, Materie u. f. w. durchblättert. — In der Regel treffen sich die Gegensätze gar nicht. — Die Kraft zu denken: ich will!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/522>, abgerufen am 24.05.2024.