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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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findet; daß es ihm gleichgiltig ist. von jedem beliebigen Raufbold umgebracht
zu werden oder nicht.

Der politische Schriftsteller steht, obgleich er kein Mandat hat. in einer
ganz ähnlichen Lage. Für Überschreitungen in der öffentlichen Anklage be¬
straft ihn das Gesetz; falschen Angaben ist die Berichtigung entgegenzustellen;
falsche Ansichten sind zu widerlegen.

Wir finden das Verhalten des General Manteuffel -- noch dazu in
seiner Stellung beim Könige!! -- unbegreiflich; denn der Angriff, der ihn
traf, war ein rein politischer, Und eine Ehrenkränkung wird auch das Mikroskop
nicht-errtdeckeni "l-^ ^^u-i/. u- , in !l'it,i4'-usu''"''boZ' "'^ dem>i

Aber wir bescheiden uns, in die Geheimnisse des militärischen "sie¬
benten Ehrenpunktes" nicht eingeweiht zu sein. -- Gegen Herrn Tochter müssen
wir den entschiedensten Tadel aussprechen, daß er die Ausforderung annahm. --
Der brave, tüchtige Mann, der Mann von Ehre verzeihe uns diesen Tadel;
wir verstehen ihn vollkommen; wir verstehen, daß ein Civilist, um auf dem
Munde eines Militärs auch nur die Spur eines spöttischen Lächelns, auch das
leichteste Achselzucken nicht zu sehen, lieber das Tollste thut; aber -- so schwer
ihm der Widerstand wurde -- er hat Unrecht gethan!

"Handle so, daß die Maxime deines Handelns allgemeine Maxime wer¬
den könnte!" Dieser Satz bes alten Kant ist der' ewige Elementarsatz aller
Moral.

Wird das Recht der bewaffneten Macht anerkannt, auf öffentliche Anklagen
mit der Pistole zu antworten; wird das Recht allgemein, so ist es mit der
Preßfreiheit zu Ende. Und ohne freie Presse ist das parlamentarische Leben
Lug und Trug.

An Freiherrn v. Vincke ergeht die ernste Aufforderung, zu einem zweiten
Scandnl nicht die Hand zu bieten. Er hat in seiner Function als Vertreter
des Landes Herrn v. Zedlitz öffentlich angeklagt; läßt er in Folge dessen die
Unverletzlichkeit des Abgeordneten, die auch er vertreten soll, in seiner Person
verletzen, so begeht er ein Unrecht an seiner Partei, am Staat.

Ausdrücklich bemerken wir, daß wir damit nicht etwa jedes Duell rügen
wollen, welches ihm etwa beliebt; ein Duell mit Motiven, wie das gegen
Herrn v. Bismark-Schönhausen, wird ihm durch seine Landcspflicht nicht
untersagt; wenn er Geschmack daran findet -- über den Geschmack ist nicht
zu streiten.

Es ist auch eine Pflicht gegen Preußen zu erfüllen. Preußen steht gegen¬
wärtig nicht in gutem Ruf. Wenn in der letzten Note Lord Palmerston seine
Beleidigung wiederholt und schärft, so hat er in dem bestimmten Fall das
schreiendste Unrecht; aber im Allgemeinen werden die Vertheidiger Preußens
bald daran verzweifeln, alle Anklagen zu beantworten; und wenn unsere


findet; daß es ihm gleichgiltig ist. von jedem beliebigen Raufbold umgebracht
zu werden oder nicht.

Der politische Schriftsteller steht, obgleich er kein Mandat hat. in einer
ganz ähnlichen Lage. Für Überschreitungen in der öffentlichen Anklage be¬
straft ihn das Gesetz; falschen Angaben ist die Berichtigung entgegenzustellen;
falsche Ansichten sind zu widerlegen.

Wir finden das Verhalten des General Manteuffel — noch dazu in
seiner Stellung beim Könige!! — unbegreiflich; denn der Angriff, der ihn
traf, war ein rein politischer, Und eine Ehrenkränkung wird auch das Mikroskop
nicht-errtdeckeni «l-^ ^^u-i/. u- , in !l'it,i4'-usu''"''boZ' "'^ dem>i

Aber wir bescheiden uns, in die Geheimnisse des militärischen „sie¬
benten Ehrenpunktes" nicht eingeweiht zu sein. — Gegen Herrn Tochter müssen
wir den entschiedensten Tadel aussprechen, daß er die Ausforderung annahm. —
Der brave, tüchtige Mann, der Mann von Ehre verzeihe uns diesen Tadel;
wir verstehen ihn vollkommen; wir verstehen, daß ein Civilist, um auf dem
Munde eines Militärs auch nur die Spur eines spöttischen Lächelns, auch das
leichteste Achselzucken nicht zu sehen, lieber das Tollste thut; aber — so schwer
ihm der Widerstand wurde — er hat Unrecht gethan!

„Handle so, daß die Maxime deines Handelns allgemeine Maxime wer¬
den könnte!" Dieser Satz bes alten Kant ist der' ewige Elementarsatz aller
Moral.

Wird das Recht der bewaffneten Macht anerkannt, auf öffentliche Anklagen
mit der Pistole zu antworten; wird das Recht allgemein, so ist es mit der
Preßfreiheit zu Ende. Und ohne freie Presse ist das parlamentarische Leben
Lug und Trug.

An Freiherrn v. Vincke ergeht die ernste Aufforderung, zu einem zweiten
Scandnl nicht die Hand zu bieten. Er hat in seiner Function als Vertreter
des Landes Herrn v. Zedlitz öffentlich angeklagt; läßt er in Folge dessen die
Unverletzlichkeit des Abgeordneten, die auch er vertreten soll, in seiner Person
verletzen, so begeht er ein Unrecht an seiner Partei, am Staat.

Ausdrücklich bemerken wir, daß wir damit nicht etwa jedes Duell rügen
wollen, welches ihm etwa beliebt; ein Duell mit Motiven, wie das gegen
Herrn v. Bismark-Schönhausen, wird ihm durch seine Landcspflicht nicht
untersagt; wenn er Geschmack daran findet — über den Geschmack ist nicht
zu streiten.

Es ist auch eine Pflicht gegen Preußen zu erfüllen. Preußen steht gegen¬
wärtig nicht in gutem Ruf. Wenn in der letzten Note Lord Palmerston seine
Beleidigung wiederholt und schärft, so hat er in dem bestimmten Fall das
schreiendste Unrecht; aber im Allgemeinen werden die Vertheidiger Preußens
bald daran verzweifeln, alle Anklagen zu beantworten; und wenn unsere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/446>, abgerufen am 24.05.2024.