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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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rungen als die Bewegungsvorrichtungen erlitten. Die ältere Bewaffnung der
Schiffe bestand regelmäßig aus Vollkugeln schießenden Kanonen von verhält¬
nismäßig geringem Kaliber. Je schwerer abe/r das Gewicht der Kugel, desto
größer ist die Schußweite und die Percussioaskraft derselben. Zur Zeit der
Schlacht bei Trafalgar schoß das Geschütz der englischen Marine im Durch¬
schnitt 16'/-. gegenwärtig schießt es bis zu 38 Pfund Eisen. Neben die schwere
Vollkugel traten mit der Erfindung der Bombenkanone die Sprenggeschosse, durch
welche die Wirkung der Zerstörung an Umfang gewinnt.

Die Erfindung der gezogenen Geschütze hat dann dasjenige, was die bis¬
herigen Veränderungen erreichen sollten, vereinigt. Das gezogene Geschütz
erhöht in gleichem Maaße die Schußweite und die Percussionskraft, und gestat¬
tet zugleich das Gewicht des Geschützes zu verringern und nach Belieben
Voll- oder Sprenggeschosse zu schleudern. Es fügt noch ein neues Element,
die erhöhte Tragfähigkeit hinzu.

Die vergrößerte Zerstörungskraft, welche man den Schiffsgeschützen gege¬
ben hat, mußte dazu führen, auf der andern Seite auf einen Schutz des
hölzernen Schiffsgebäudes zu denken. Man bedeckt gegenwärtig den größeren
Theil des Schiffes, bis 8 Fuß unter der Wasserlinie, mit eisernen Platten
von 4'/, Zoll Dicke, und eine neue, indeß noch nicht zur Anwendung gebrachte,
Erfindung geht dahin, den verletzbaren Theil des Schiffskörpers dadurch voll¬
kommen schußfest zu machen, daß man denselben unter Beseitigung der Stück¬
pforten vollständig' mit Eisen belegt, die Kanonen auf die Mitte des Oberdecks
bringt und dieselben und ihre Bedienung mit eisernen, halbkugelförmigen
Schilden fast ganz beschützt -- Einrichtungen, weiche einen ganz veränderten
Bau des Schiffes bedingen.

Die Verbesserungen, welche die Manövrirfähigkeit und die Wirksamkeit
des Geschützes der Schiffe gesteigert haben, haben in ihren Wirkungen alle Theile
des Marinewesens ergriffen und lassen es gegenwärtig nicht mehr zu, den
Werth der Flotten europäischer Staaten von den einfachen Gesichtspunkten
aus zu beurtheilen, von denen man zu einer Zeit ausging, als es nur Se¬
gelschiffe und glatte Geschütze gab.

Als feststehend ist heute zu betrachten, daß Segelschiffe allein gegenüber
Schraubenschiffen nicht mehr verwandt werden können, und daß ihre Verwen¬
dung an der Seite von Schraubenschiffen, wegen der so wenig übereinstiM'
wenden Manövrirfähigkeit beider, mit Unzuträglichkeiten verbunden ist, welche
dieselben überhaupt in Frage stellen. Es kommt daher gegenwärtig wenig


rungen als die Bewegungsvorrichtungen erlitten. Die ältere Bewaffnung der
Schiffe bestand regelmäßig aus Vollkugeln schießenden Kanonen von verhält¬
nismäßig geringem Kaliber. Je schwerer abe/r das Gewicht der Kugel, desto
größer ist die Schußweite und die Percussioaskraft derselben. Zur Zeit der
Schlacht bei Trafalgar schoß das Geschütz der englischen Marine im Durch¬
schnitt 16'/-. gegenwärtig schießt es bis zu 38 Pfund Eisen. Neben die schwere
Vollkugel traten mit der Erfindung der Bombenkanone die Sprenggeschosse, durch
welche die Wirkung der Zerstörung an Umfang gewinnt.

Die Erfindung der gezogenen Geschütze hat dann dasjenige, was die bis¬
herigen Veränderungen erreichen sollten, vereinigt. Das gezogene Geschütz
erhöht in gleichem Maaße die Schußweite und die Percussionskraft, und gestat¬
tet zugleich das Gewicht des Geschützes zu verringern und nach Belieben
Voll- oder Sprenggeschosse zu schleudern. Es fügt noch ein neues Element,
die erhöhte Tragfähigkeit hinzu.

Die vergrößerte Zerstörungskraft, welche man den Schiffsgeschützen gege¬
ben hat, mußte dazu führen, auf der andern Seite auf einen Schutz des
hölzernen Schiffsgebäudes zu denken. Man bedeckt gegenwärtig den größeren
Theil des Schiffes, bis 8 Fuß unter der Wasserlinie, mit eisernen Platten
von 4'/, Zoll Dicke, und eine neue, indeß noch nicht zur Anwendung gebrachte,
Erfindung geht dahin, den verletzbaren Theil des Schiffskörpers dadurch voll¬
kommen schußfest zu machen, daß man denselben unter Beseitigung der Stück¬
pforten vollständig' mit Eisen belegt, die Kanonen auf die Mitte des Oberdecks
bringt und dieselben und ihre Bedienung mit eisernen, halbkugelförmigen
Schilden fast ganz beschützt — Einrichtungen, weiche einen ganz veränderten
Bau des Schiffes bedingen.

Die Verbesserungen, welche die Manövrirfähigkeit und die Wirksamkeit
des Geschützes der Schiffe gesteigert haben, haben in ihren Wirkungen alle Theile
des Marinewesens ergriffen und lassen es gegenwärtig nicht mehr zu, den
Werth der Flotten europäischer Staaten von den einfachen Gesichtspunkten
aus zu beurtheilen, von denen man zu einer Zeit ausging, als es nur Se¬
gelschiffe und glatte Geschütze gab.

Als feststehend ist heute zu betrachten, daß Segelschiffe allein gegenüber
Schraubenschiffen nicht mehr verwandt werden können, und daß ihre Verwen¬
dung an der Seite von Schraubenschiffen, wegen der so wenig übereinstiM'
wenden Manövrirfähigkeit beider, mit Unzuträglichkeiten verbunden ist, welche
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/480>, abgerufen am 17.06.2024.