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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Faschinen zu binden und mit deren Hülse an dem steilen Ufer Steige, Treppen
und Rasenbänke anzulegen, die ich theilweise 1814 noch unversehrt wiederfand.
Um diese Zeit wurde auch die prachtvolle alte Eiche abgehauen, die hart auf
der Kante des Abhangs (unterhalb der jetzigen Steintreppe) stand und die
schönste Zierde der Gegend war. Fritz schimpfte auf diese Entstellung der
schönen Gegend und machte den Plan, eines Abends mit uns hinauszugehen, die
Stücke anzubohren und mit Pulver in den See zu sprengen. Wir mahnten
ihn oft daran, er hatte aber stets Ausflüchte, und es wurde nichts daraus. --
Im Winter ging's nach dem Hohlwege hinter dem neuen Kruge. Dort hing
der Schnee in großen, schönen Wolken am Rande. Es war eine Lust von
oben hinein -- auch wohl durch -- zu springen, wobei die Wolke auch wol
zuweilen abbrach und man in der weichen Schneehülle den Berg hinunter¬
kollerte. Einmal erfroren mir dabei beide Hände und thauten unter sehr
fatalen Empfindungen auf Fritzens Stube erst wieder auf. nachdem sie fast noch
une Stunde lang in einer Schüssel mit Schnee gesteckt hatten. Hier, auf
seinem Zuumer, unterwies er uns auch im Schachspielen. Mit seiner Gar-
derobe war es zu Anfang seines Neubrandenburger Aufenthaltes sehr schlecht
bestellt; die Röcke waren unter den Armen selten heil, oft sehr zerrissen.
Einige Knaben waren dreist genug, ihn darauf aufmerksam zu machen.
Scherzend erwiderte er. daß der Rock schon ein alter treuer Diener sei, und
daß es stets mehr auf deu Mann als auf das Kleid ankomme."

"Im Herbst 1804 verließ Fritz Neubrandenburg. Im März 1305 kehrte
^ uoch einmal auf einen Tag dorthin zurück. Mich, seinen Schoßjünger,
suchte er auf. ich mußte mit ihm nach Belvedere. Die Wiesen am See und
der Brodaschen Straße standen unter Wasser, die Gräben waren reißende
^ache. und einer derselben für meine kleine Figur unüberspringbar. Fritz,
Ratend und springend, setzte hinüber, brach eine hohle Weide nieder und
^este sie so lange, bis sie ab war. Er warf sie quer in den Graben und
^ldete so einen Steg, über den das Wasser freilich immer noch eine" halben
^>b hoch hinweg strömte, auf dem ich aber doch glücklich hin. und auf dem
Herwege wieder zurückgelangte. Unterwegs reticirte er mir Verse, die er aus
Veranlassung der unlängst geschehenen Verbannung Moreaus gemacht, und
schimpfte auf Napoleon."

Zu Michaelis 1304 verließ Fritz das Lefortsche Haus und wurde nun
Hauslehrer beim Glasmacher Strecker aus der Torgelower Glashütte bei
^"Um. Ueber seinen Aufenthalt daselbst habe ich zwar nichts Näheres in
^fahrung bringen können, doch muß es ihm dort wohl ergangen fern und er
lieb. trotz "der gänzlichen Abgeschiedenheit von allem gelehrten Verkehr" doch
Mimisch gefühlt haben. Als er nach Jahressr.se von dort sich nach Gott.ngen
Endete, schied er mit folgenden Worten in den Strelitzschen Unze.gen: Ab-


Faschinen zu binden und mit deren Hülse an dem steilen Ufer Steige, Treppen
und Rasenbänke anzulegen, die ich theilweise 1814 noch unversehrt wiederfand.
Um diese Zeit wurde auch die prachtvolle alte Eiche abgehauen, die hart auf
der Kante des Abhangs (unterhalb der jetzigen Steintreppe) stand und die
schönste Zierde der Gegend war. Fritz schimpfte auf diese Entstellung der
schönen Gegend und machte den Plan, eines Abends mit uns hinauszugehen, die
Stücke anzubohren und mit Pulver in den See zu sprengen. Wir mahnten
ihn oft daran, er hatte aber stets Ausflüchte, und es wurde nichts daraus. —
Im Winter ging's nach dem Hohlwege hinter dem neuen Kruge. Dort hing
der Schnee in großen, schönen Wolken am Rande. Es war eine Lust von
oben hinein — auch wohl durch — zu springen, wobei die Wolke auch wol
zuweilen abbrach und man in der weichen Schneehülle den Berg hinunter¬
kollerte. Einmal erfroren mir dabei beide Hände und thauten unter sehr
fatalen Empfindungen auf Fritzens Stube erst wieder auf. nachdem sie fast noch
une Stunde lang in einer Schüssel mit Schnee gesteckt hatten. Hier, auf
seinem Zuumer, unterwies er uns auch im Schachspielen. Mit seiner Gar-
derobe war es zu Anfang seines Neubrandenburger Aufenthaltes sehr schlecht
bestellt; die Röcke waren unter den Armen selten heil, oft sehr zerrissen.
Einige Knaben waren dreist genug, ihn darauf aufmerksam zu machen.
Scherzend erwiderte er. daß der Rock schon ein alter treuer Diener sei, und
daß es stets mehr auf deu Mann als auf das Kleid ankomme."

„Im Herbst 1804 verließ Fritz Neubrandenburg. Im März 1305 kehrte
^ uoch einmal auf einen Tag dorthin zurück. Mich, seinen Schoßjünger,
suchte er auf. ich mußte mit ihm nach Belvedere. Die Wiesen am See und
der Brodaschen Straße standen unter Wasser, die Gräben waren reißende
^ache. und einer derselben für meine kleine Figur unüberspringbar. Fritz,
Ratend und springend, setzte hinüber, brach eine hohle Weide nieder und
^este sie so lange, bis sie ab war. Er warf sie quer in den Graben und
^ldete so einen Steg, über den das Wasser freilich immer noch eine» halben
^>b hoch hinweg strömte, auf dem ich aber doch glücklich hin. und auf dem
Herwege wieder zurückgelangte. Unterwegs reticirte er mir Verse, die er aus
Veranlassung der unlängst geschehenen Verbannung Moreaus gemacht, und
schimpfte auf Napoleon."

Zu Michaelis 1304 verließ Fritz das Lefortsche Haus und wurde nun
Hauslehrer beim Glasmacher Strecker aus der Torgelower Glashütte bei
^«Um. Ueber seinen Aufenthalt daselbst habe ich zwar nichts Näheres in
^fahrung bringen können, doch muß es ihm dort wohl ergangen fern und er
lieb. trotz „der gänzlichen Abgeschiedenheit von allem gelehrten Verkehr" doch
Mimisch gefühlt haben. Als er nach Jahressr.se von dort sich nach Gott.ngen
Endete, schied er mit folgenden Worten in den Strelitzschen Unze.gen: Ab-


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[0401] Faschinen zu binden und mit deren Hülse an dem steilen Ufer Steige, Treppen und Rasenbänke anzulegen, die ich theilweise 1814 noch unversehrt wiederfand. Um diese Zeit wurde auch die prachtvolle alte Eiche abgehauen, die hart auf der Kante des Abhangs (unterhalb der jetzigen Steintreppe) stand und die schönste Zierde der Gegend war. Fritz schimpfte auf diese Entstellung der schönen Gegend und machte den Plan, eines Abends mit uns hinauszugehen, die Stücke anzubohren und mit Pulver in den See zu sprengen. Wir mahnten ihn oft daran, er hatte aber stets Ausflüchte, und es wurde nichts daraus. — Im Winter ging's nach dem Hohlwege hinter dem neuen Kruge. Dort hing der Schnee in großen, schönen Wolken am Rande. Es war eine Lust von oben hinein — auch wohl durch — zu springen, wobei die Wolke auch wol zuweilen abbrach und man in der weichen Schneehülle den Berg hinunter¬ kollerte. Einmal erfroren mir dabei beide Hände und thauten unter sehr fatalen Empfindungen auf Fritzens Stube erst wieder auf. nachdem sie fast noch une Stunde lang in einer Schüssel mit Schnee gesteckt hatten. Hier, auf seinem Zuumer, unterwies er uns auch im Schachspielen. Mit seiner Gar- derobe war es zu Anfang seines Neubrandenburger Aufenthaltes sehr schlecht bestellt; die Röcke waren unter den Armen selten heil, oft sehr zerrissen. Einige Knaben waren dreist genug, ihn darauf aufmerksam zu machen. Scherzend erwiderte er. daß der Rock schon ein alter treuer Diener sei, und daß es stets mehr auf deu Mann als auf das Kleid ankomme." „Im Herbst 1804 verließ Fritz Neubrandenburg. Im März 1305 kehrte ^ uoch einmal auf einen Tag dorthin zurück. Mich, seinen Schoßjünger, suchte er auf. ich mußte mit ihm nach Belvedere. Die Wiesen am See und der Brodaschen Straße standen unter Wasser, die Gräben waren reißende ^ache. und einer derselben für meine kleine Figur unüberspringbar. Fritz, Ratend und springend, setzte hinüber, brach eine hohle Weide nieder und ^este sie so lange, bis sie ab war. Er warf sie quer in den Graben und ^ldete so einen Steg, über den das Wasser freilich immer noch eine» halben ^>b hoch hinweg strömte, auf dem ich aber doch glücklich hin. und auf dem Herwege wieder zurückgelangte. Unterwegs reticirte er mir Verse, die er aus Veranlassung der unlängst geschehenen Verbannung Moreaus gemacht, und schimpfte auf Napoleon." Zu Michaelis 1304 verließ Fritz das Lefortsche Haus und wurde nun Hauslehrer beim Glasmacher Strecker aus der Torgelower Glashütte bei ^«Um. Ueber seinen Aufenthalt daselbst habe ich zwar nichts Näheres in ^fahrung bringen können, doch muß es ihm dort wohl ergangen fern und er lieb. trotz „der gänzlichen Abgeschiedenheit von allem gelehrten Verkehr" doch Mimisch gefühlt haben. Als er nach Jahressr.se von dort sich nach Gott.ngen Endete, schied er mit folgenden Worten in den Strelitzschen Unze.gen: Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/401>, abgerufen am 16.06.2024.