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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Flottcnsache verloren gegangen seien? Ist nickt diese Wendung der Sache
weit bedeutungsvoller als der Bau bremischer Kanonenboote hätte sein kön¬
nen? Die preußische Regierung, wie ich Grund habe anzunehmen, hat sich
keinen Augenblick besonnen, diese Frage mit Ja zu beantworten.

Aber wir haben den Bundestag vorgeschoben und unsere Mitwirkung von
einer entsprechenden Erleichterung unserer Mititärlast abhängig machen wollen?
Ich weiA nicht, aus welchen Quellen unser Anklüger diese Behauptung ge¬
schöpft hat, aber ich kann ihn versichern, daß seine Quellen ihn getäuscht ha¬
ben. Von Einschlag ung des Bundesweges ist niemals die Rede
gewesen, und ebenso wenig hat man die Absicht gehegt. Preußen gegenüber
die Bedingung einer Erleichterung unserer Bundespflichten auszustellen oder
auch nur zu erwähnen. Ich habe wol vernommen, daß im allerersten, noch
etwas chaotischen Stadium der Flottcnsrage ein Mitglied des Bremischen Se¬
nats privatim die Idee aufgestellt hatte, Preußen solle mit den Uferstaaten
eine Marine organisiren und dann hintendrein für dieselbe vom Bunde die
Anerkennung als Bundesinstitut und die schwarz-roth-goldne Flagge begehren,
allein dieser Vorschlag ist nie aus der Privatsphäre herausgetreten. Möglich
daß er Anlaß zu den irrigen Anschuldigungen, deren ich eben erwähnte, gege¬
ben hat. Aehnlich mag es sich mit dem anderen Vorwurfe verhalten, daß
wir auf dem Bau von Fregatten beständen, um nur keine Kanonenboote an¬
schaffen zu müssen. Privatmeinungen mögen für officielle Weigerungen ge¬
nommen worden sein. Natürlich sind in einer Frage, von der im Grunde
Niemand etwas versteht, die Leute ganz besonders geneigt, ihre Weisheit leuch¬
ten zu lassen, und so fehlt es auch bei uns nicht an reichlichem Vorrathe
wohlgemeinter Rathschläge. Wenn wir aber, wie bemerkt, entschlossen sind,
die Entscheidung der Frage der preußischen Regierung zu überlassen, so ist die
Sclbstfolge, daß etwaige bremische Privatsympathien für die eine oder die
andere Gattung von Kriegsfahrzcugen ganz gleichgiltig werden. Ich für mei¬
nen Theil habe unsere angebliche Begeisterung für Fregatten übrigens erst aus
den "Grenzboten" erfahren.

Jedenfalls hat aber doch die bremische Presse die uns angesonnene Last
als unerschwinglich dargestellt? Auch dies muß ich leugmn. Die "Weser-
Zeitung" hat einmal auseinander gesetzt, daß ein jährlicher Friedens-Etat
von 200.000 Thalern für Kanonenboote unsere finanziellen Kräfte übersteige.
Sie hat aber nie behauptet, daß 50,000 Thaler zu viel sein würden. Unser
Ankläger aber reducirt zuerst die 200.000 Thaler auf ein Viertel und spricht
dann, als ob unsere Presse gegen das Viertel protestiri hätte. Wenn ich eine
50 Pfund schwere Last, deren Gewicht ich aus zwei Centner schätze, auszu¬
nehmen mich weigere, weil sie 200 Pfund wiege, so ist es doch ungerecht zu
behaupten, ich hätte mich geweigert 50 Pfund zu tragen. Ob die Berend-


Flottcnsache verloren gegangen seien? Ist nickt diese Wendung der Sache
weit bedeutungsvoller als der Bau bremischer Kanonenboote hätte sein kön¬
nen? Die preußische Regierung, wie ich Grund habe anzunehmen, hat sich
keinen Augenblick besonnen, diese Frage mit Ja zu beantworten.

Aber wir haben den Bundestag vorgeschoben und unsere Mitwirkung von
einer entsprechenden Erleichterung unserer Mititärlast abhängig machen wollen?
Ich weiA nicht, aus welchen Quellen unser Anklüger diese Behauptung ge¬
schöpft hat, aber ich kann ihn versichern, daß seine Quellen ihn getäuscht ha¬
ben. Von Einschlag ung des Bundesweges ist niemals die Rede
gewesen, und ebenso wenig hat man die Absicht gehegt. Preußen gegenüber
die Bedingung einer Erleichterung unserer Bundespflichten auszustellen oder
auch nur zu erwähnen. Ich habe wol vernommen, daß im allerersten, noch
etwas chaotischen Stadium der Flottcnsrage ein Mitglied des Bremischen Se¬
nats privatim die Idee aufgestellt hatte, Preußen solle mit den Uferstaaten
eine Marine organisiren und dann hintendrein für dieselbe vom Bunde die
Anerkennung als Bundesinstitut und die schwarz-roth-goldne Flagge begehren,
allein dieser Vorschlag ist nie aus der Privatsphäre herausgetreten. Möglich
daß er Anlaß zu den irrigen Anschuldigungen, deren ich eben erwähnte, gege¬
ben hat. Aehnlich mag es sich mit dem anderen Vorwurfe verhalten, daß
wir auf dem Bau von Fregatten beständen, um nur keine Kanonenboote an¬
schaffen zu müssen. Privatmeinungen mögen für officielle Weigerungen ge¬
nommen worden sein. Natürlich sind in einer Frage, von der im Grunde
Niemand etwas versteht, die Leute ganz besonders geneigt, ihre Weisheit leuch¬
ten zu lassen, und so fehlt es auch bei uns nicht an reichlichem Vorrathe
wohlgemeinter Rathschläge. Wenn wir aber, wie bemerkt, entschlossen sind,
die Entscheidung der Frage der preußischen Regierung zu überlassen, so ist die
Sclbstfolge, daß etwaige bremische Privatsympathien für die eine oder die
andere Gattung von Kriegsfahrzcugen ganz gleichgiltig werden. Ich für mei¬
nen Theil habe unsere angebliche Begeisterung für Fregatten übrigens erst aus
den „Grenzboten" erfahren.

Jedenfalls hat aber doch die bremische Presse die uns angesonnene Last
als unerschwinglich dargestellt? Auch dies muß ich leugmn. Die „Weser-
Zeitung" hat einmal auseinander gesetzt, daß ein jährlicher Friedens-Etat
von 200.000 Thalern für Kanonenboote unsere finanziellen Kräfte übersteige.
Sie hat aber nie behauptet, daß 50,000 Thaler zu viel sein würden. Unser
Ankläger aber reducirt zuerst die 200.000 Thaler auf ein Viertel und spricht
dann, als ob unsere Presse gegen das Viertel protestiri hätte. Wenn ich eine
50 Pfund schwere Last, deren Gewicht ich aus zwei Centner schätze, auszu¬
nehmen mich weigere, weil sie 200 Pfund wiege, so ist es doch ungerecht zu
behaupten, ich hätte mich geweigert 50 Pfund zu tragen. Ob die Berend-


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[0105] Flottcnsache verloren gegangen seien? Ist nickt diese Wendung der Sache weit bedeutungsvoller als der Bau bremischer Kanonenboote hätte sein kön¬ nen? Die preußische Regierung, wie ich Grund habe anzunehmen, hat sich keinen Augenblick besonnen, diese Frage mit Ja zu beantworten. Aber wir haben den Bundestag vorgeschoben und unsere Mitwirkung von einer entsprechenden Erleichterung unserer Mititärlast abhängig machen wollen? Ich weiA nicht, aus welchen Quellen unser Anklüger diese Behauptung ge¬ schöpft hat, aber ich kann ihn versichern, daß seine Quellen ihn getäuscht ha¬ ben. Von Einschlag ung des Bundesweges ist niemals die Rede gewesen, und ebenso wenig hat man die Absicht gehegt. Preußen gegenüber die Bedingung einer Erleichterung unserer Bundespflichten auszustellen oder auch nur zu erwähnen. Ich habe wol vernommen, daß im allerersten, noch etwas chaotischen Stadium der Flottcnsrage ein Mitglied des Bremischen Se¬ nats privatim die Idee aufgestellt hatte, Preußen solle mit den Uferstaaten eine Marine organisiren und dann hintendrein für dieselbe vom Bunde die Anerkennung als Bundesinstitut und die schwarz-roth-goldne Flagge begehren, allein dieser Vorschlag ist nie aus der Privatsphäre herausgetreten. Möglich daß er Anlaß zu den irrigen Anschuldigungen, deren ich eben erwähnte, gege¬ ben hat. Aehnlich mag es sich mit dem anderen Vorwurfe verhalten, daß wir auf dem Bau von Fregatten beständen, um nur keine Kanonenboote an¬ schaffen zu müssen. Privatmeinungen mögen für officielle Weigerungen ge¬ nommen worden sein. Natürlich sind in einer Frage, von der im Grunde Niemand etwas versteht, die Leute ganz besonders geneigt, ihre Weisheit leuch¬ ten zu lassen, und so fehlt es auch bei uns nicht an reichlichem Vorrathe wohlgemeinter Rathschläge. Wenn wir aber, wie bemerkt, entschlossen sind, die Entscheidung der Frage der preußischen Regierung zu überlassen, so ist die Sclbstfolge, daß etwaige bremische Privatsympathien für die eine oder die andere Gattung von Kriegsfahrzcugen ganz gleichgiltig werden. Ich für mei¬ nen Theil habe unsere angebliche Begeisterung für Fregatten übrigens erst aus den „Grenzboten" erfahren. Jedenfalls hat aber doch die bremische Presse die uns angesonnene Last als unerschwinglich dargestellt? Auch dies muß ich leugmn. Die „Weser- Zeitung" hat einmal auseinander gesetzt, daß ein jährlicher Friedens-Etat von 200.000 Thalern für Kanonenboote unsere finanziellen Kräfte übersteige. Sie hat aber nie behauptet, daß 50,000 Thaler zu viel sein würden. Unser Ankläger aber reducirt zuerst die 200.000 Thaler auf ein Viertel und spricht dann, als ob unsere Presse gegen das Viertel protestiri hätte. Wenn ich eine 50 Pfund schwere Last, deren Gewicht ich aus zwei Centner schätze, auszu¬ nehmen mich weigere, weil sie 200 Pfund wiege, so ist es doch ungerecht zu behaupten, ich hätte mich geweigert 50 Pfund zu tragen. Ob die Berend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/105>, abgerufen am 29.05.2024.