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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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mung der "Weser-Zeitung" oder diejenige unseres Anklägers richtiger sei, mag
unentschieden bleiben, da die Frage keine praktische Bedeutung mehr hat.
Der Ankläger fordert von uns nicht, was wir verweigern, und wir haben nie
verweigert, was er forderte Nur auf Eins möchte ich, um ferneren Mißver¬
ständnissen vorzubeugen, aufmerksam machen, daß wir, wenn wir die Grenze
unserer Leistungen und unserer Mittel in's Auge fassen, immer nur an das
Ordinarium eines Friedensbudgets denken, nicht an die außerordent¬
lichen Opfer eines Krieges, daß mithin, wenn man uns einige Kriegsabgaben
und Kriegsverwendungen der alten Hansa zur Nachahmung empfiehlt, wir
diese Beispiele nicht als zutreffend anerkennen dürfen.

Noch zwei Punkte enthält die Anklageakte, die ich berühren muß. In
Bremen hat man noch keine Privatsammlungen veranstaltet, und in Bremen
verschließt man sich gegen die Erkenntniß, daß man im Interesse des eigenen
Handels wohl daran thue, die Begründung einer deutschen Seemacht fördern
zu helfen.

Mit dem Mangel an Privatsammlungen hat es seine Richtigkeit. Aber
weshalb sind dieselben in Bremen unterblieben? Aus Mangel an Sympathie?
Der Ankläger gibt es ja selbst zu, daß unsere "Bevölkerung" von der besten
Gesinnung erfüllt, daß nur die Regierung lau und säumig sei. Oder aus
Geiz? Man kann unserem Publicum Manches vorwerfen, aber Mangel an
Freigebigkeit gewiß nicht. Der Grund, welcher die Privatsammlungen bei
uns gehindert hat. ist ein ganz anderer und ein recht erfreulicher. Der Staat
wird die Sammlung in die Hand nehmen, das steht seit dem vorigen
Juni für Jedermann unzweifelhaft fest. Der Stcüererheber wird von nun
an alljährlich in unsere Häuser kommen und unsere Flottenbeiträge eincassiren.
Die Beiträge sind darum nicht minder freiwillig. Wenn unsere 150 städtischen
Vertreter einstimmig die Flottensteuer bewilligen, wenn der Senat einstimmig
sie sanctionirt, wenn im Publicum kein einziger Mund dagegen sich öffnet,
so darf man wol behaupten, dies sei eine ächte Selbstbesteuerung, moralisch
von eben so hohem Werthe, wie irgend eine Collecte, pecuniär wahrscheinlich
von ungleich höherem. Man wird den Geldwert!) capitalifirt doch immerhin
auf eine Million anschlagen können, was eine hübsche Summe für einen so
kleinen Staat ist. Unser Ankläger meint freilich, es sei für uns eine Kleinig¬
keit. 50,000 Thlr. jährlich für eine Marine aufzubringen^ Aufbringen werden
wir sie, und ohne Murren, aber eine Kleinigkeit ist es leider keineswegs.
Wir geben ja ohnehin schon so viel aus, wird uns gesagt. Freilich, und
eben deswegen wird es uns einigermaßen schwer, noch mehr auszugeben.
Wäre es umgekehrt, so ginge es schon eher. Ich kann versichern, daß es un¬
seren Finanzmännern recht viel Kopfbrechens verursachen wird, den Bedarf
zu decken. Wie dem aber auch sein mag. es wird geschehen, und damit sollte


mung der „Weser-Zeitung" oder diejenige unseres Anklägers richtiger sei, mag
unentschieden bleiben, da die Frage keine praktische Bedeutung mehr hat.
Der Ankläger fordert von uns nicht, was wir verweigern, und wir haben nie
verweigert, was er forderte Nur auf Eins möchte ich, um ferneren Mißver¬
ständnissen vorzubeugen, aufmerksam machen, daß wir, wenn wir die Grenze
unserer Leistungen und unserer Mittel in's Auge fassen, immer nur an das
Ordinarium eines Friedensbudgets denken, nicht an die außerordent¬
lichen Opfer eines Krieges, daß mithin, wenn man uns einige Kriegsabgaben
und Kriegsverwendungen der alten Hansa zur Nachahmung empfiehlt, wir
diese Beispiele nicht als zutreffend anerkennen dürfen.

Noch zwei Punkte enthält die Anklageakte, die ich berühren muß. In
Bremen hat man noch keine Privatsammlungen veranstaltet, und in Bremen
verschließt man sich gegen die Erkenntniß, daß man im Interesse des eigenen
Handels wohl daran thue, die Begründung einer deutschen Seemacht fördern
zu helfen.

Mit dem Mangel an Privatsammlungen hat es seine Richtigkeit. Aber
weshalb sind dieselben in Bremen unterblieben? Aus Mangel an Sympathie?
Der Ankläger gibt es ja selbst zu, daß unsere „Bevölkerung" von der besten
Gesinnung erfüllt, daß nur die Regierung lau und säumig sei. Oder aus
Geiz? Man kann unserem Publicum Manches vorwerfen, aber Mangel an
Freigebigkeit gewiß nicht. Der Grund, welcher die Privatsammlungen bei
uns gehindert hat. ist ein ganz anderer und ein recht erfreulicher. Der Staat
wird die Sammlung in die Hand nehmen, das steht seit dem vorigen
Juni für Jedermann unzweifelhaft fest. Der Stcüererheber wird von nun
an alljährlich in unsere Häuser kommen und unsere Flottenbeiträge eincassiren.
Die Beiträge sind darum nicht minder freiwillig. Wenn unsere 150 städtischen
Vertreter einstimmig die Flottensteuer bewilligen, wenn der Senat einstimmig
sie sanctionirt, wenn im Publicum kein einziger Mund dagegen sich öffnet,
so darf man wol behaupten, dies sei eine ächte Selbstbesteuerung, moralisch
von eben so hohem Werthe, wie irgend eine Collecte, pecuniär wahrscheinlich
von ungleich höherem. Man wird den Geldwert!) capitalifirt doch immerhin
auf eine Million anschlagen können, was eine hübsche Summe für einen so
kleinen Staat ist. Unser Ankläger meint freilich, es sei für uns eine Kleinig¬
keit. 50,000 Thlr. jährlich für eine Marine aufzubringen^ Aufbringen werden
wir sie, und ohne Murren, aber eine Kleinigkeit ist es leider keineswegs.
Wir geben ja ohnehin schon so viel aus, wird uns gesagt. Freilich, und
eben deswegen wird es uns einigermaßen schwer, noch mehr auszugeben.
Wäre es umgekehrt, so ginge es schon eher. Ich kann versichern, daß es un¬
seren Finanzmännern recht viel Kopfbrechens verursachen wird, den Bedarf
zu decken. Wie dem aber auch sein mag. es wird geschehen, und damit sollte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/106>, abgerufen am 15.05.2024.