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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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man sich zufrieden geben. Besonderes Lob haben wir ja nie verlangt; nur
Tadel glauben wir nicht verdient zu haben. So viel ist doch gewiß, wenn
das übrige Deutschland in der nämlichen glücklichen Lage sich befände, wie
wir, würde Niemand an Flottensammlungen denken. Ein Vertrauensvo¬
tum für Preußen liegt aber in unserem Verfahren so unzweifel¬
haft, daß es kaum unbedingter gedacht werden kann.

Soll ich noch von unserem commerciellen Interesse reden? Der Vorwurf,
daß wir den Flottenschutz für unseren eigenen Geldbeutel zu gering anschlugen,
klingt etwas eigenthümlich in dem Munde eines Mannes, welcher so gering¬
schätzig von dem Commissions- und dem Speditionsgeschäfte der Hanseaten
spricht und es ihnen zum Verbrechen anrechnet, daß die Ladungen in ihren Schif¬
fen so häufig nicht ihnen, sondern Anderen gehören. Je begründeter diese Be¬
hauptung ist, desto nothwendiger folgt daraus, daß jene "Anderen", daß also na¬
mentlich das übrige Deutschland, wenn man einmal eine Jnteressenfrage aus der
Sache machen will, mehr Vortheil von der Kriegsmarine haben würden als unsere
armseligen Rheder, denen ja nur selten noch, wie in der glorreichen alten Zeit,
die Waare in ihren Schiffen gehört. Inzwischen werden wir, wie schon gezeigt, bei
der Bemessung unserer Leistungen uns nicht auf diese Konsequenz berufen. Wir
werden über unsere Durchschnittsquote hinausgehen und nicht etwa darauf
hinweisen, daß in anderen Ländern die Seeplätze nicht mehr als jedes Dorf
zu den Kosten der Staatsmänner herangezogen werden, am allerwenigsten
zwei oder drei Seeplätze unter allen übrigen. Allein so viel steht fest, daß
wir dazu nicht um unseres Geldbeutels willen uns bereit erklärt haben, son¬
dern lediglich aus politischen Gründen. Wenn wir wirklich solche Krämerseelen
wären, wie unser Ankläger sagt, wenn wir nur den kaufmännischen Nutzen im
Auge hätten, so würden wir unser Geld in der Tasche behalten. Wir geben
es gern und freudig her, weil wir nicht nach dem commerciellen Vortheil
fragen, weil wir in der Marine ein unentbehrliches Werkzeug der deutschen
Politik und eine Waffe des Rechts und der Ehre unseres großen Vaterlandes
erblicken, weil ohne Kriegschiffe, um es einfach zu sagen, unsere Sache mit
Dänemark nicht ausgefochten werden kann. Der Gcldschaden, welchen der
bevorstehende Krieg mit den Dänen uns zufügen wird, bleibt, auch wenn wir
eine Blokade abwenden, immer noch sehr bedeutend, und derjenige Betrag,
um welchen er sich durch besseren maritimen Schutz abmindern wird, würde
schwerlich eine Krämerseele bestimmen, die hohe Versicherungsprämie zu zahlen,
welche für Unterhaltung einer Marine erforderlich ist. Eine Krämerseele würde
denken, in großen Seekriegen werde Deutschland doch schwerlich viel zum
Schutze seines schwimmenden Eigenthums thun können; ein Krieg mit Däne¬
mark werde muthmaßlich in hundert Jahren kaum einmal vorkommen, und
wenn er eintrete, so werde man seine Schiffe unter neutrale Flagge bringen


Gr/nzboten IV. 1861. 13

man sich zufrieden geben. Besonderes Lob haben wir ja nie verlangt; nur
Tadel glauben wir nicht verdient zu haben. So viel ist doch gewiß, wenn
das übrige Deutschland in der nämlichen glücklichen Lage sich befände, wie
wir, würde Niemand an Flottensammlungen denken. Ein Vertrauensvo¬
tum für Preußen liegt aber in unserem Verfahren so unzweifel¬
haft, daß es kaum unbedingter gedacht werden kann.

Soll ich noch von unserem commerciellen Interesse reden? Der Vorwurf,
daß wir den Flottenschutz für unseren eigenen Geldbeutel zu gering anschlugen,
klingt etwas eigenthümlich in dem Munde eines Mannes, welcher so gering¬
schätzig von dem Commissions- und dem Speditionsgeschäfte der Hanseaten
spricht und es ihnen zum Verbrechen anrechnet, daß die Ladungen in ihren Schif¬
fen so häufig nicht ihnen, sondern Anderen gehören. Je begründeter diese Be¬
hauptung ist, desto nothwendiger folgt daraus, daß jene „Anderen", daß also na¬
mentlich das übrige Deutschland, wenn man einmal eine Jnteressenfrage aus der
Sache machen will, mehr Vortheil von der Kriegsmarine haben würden als unsere
armseligen Rheder, denen ja nur selten noch, wie in der glorreichen alten Zeit,
die Waare in ihren Schiffen gehört. Inzwischen werden wir, wie schon gezeigt, bei
der Bemessung unserer Leistungen uns nicht auf diese Konsequenz berufen. Wir
werden über unsere Durchschnittsquote hinausgehen und nicht etwa darauf
hinweisen, daß in anderen Ländern die Seeplätze nicht mehr als jedes Dorf
zu den Kosten der Staatsmänner herangezogen werden, am allerwenigsten
zwei oder drei Seeplätze unter allen übrigen. Allein so viel steht fest, daß
wir dazu nicht um unseres Geldbeutels willen uns bereit erklärt haben, son¬
dern lediglich aus politischen Gründen. Wenn wir wirklich solche Krämerseelen
wären, wie unser Ankläger sagt, wenn wir nur den kaufmännischen Nutzen im
Auge hätten, so würden wir unser Geld in der Tasche behalten. Wir geben
es gern und freudig her, weil wir nicht nach dem commerciellen Vortheil
fragen, weil wir in der Marine ein unentbehrliches Werkzeug der deutschen
Politik und eine Waffe des Rechts und der Ehre unseres großen Vaterlandes
erblicken, weil ohne Kriegschiffe, um es einfach zu sagen, unsere Sache mit
Dänemark nicht ausgefochten werden kann. Der Gcldschaden, welchen der
bevorstehende Krieg mit den Dänen uns zufügen wird, bleibt, auch wenn wir
eine Blokade abwenden, immer noch sehr bedeutend, und derjenige Betrag,
um welchen er sich durch besseren maritimen Schutz abmindern wird, würde
schwerlich eine Krämerseele bestimmen, die hohe Versicherungsprämie zu zahlen,
welche für Unterhaltung einer Marine erforderlich ist. Eine Krämerseele würde
denken, in großen Seekriegen werde Deutschland doch schwerlich viel zum
Schutze seines schwimmenden Eigenthums thun können; ein Krieg mit Däne¬
mark werde muthmaßlich in hundert Jahren kaum einmal vorkommen, und
wenn er eintrete, so werde man seine Schiffe unter neutrale Flagge bringen


Gr/nzboten IV. 1861. 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/107>, abgerufen am 29.04.2024.