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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Was nun unser Verfasser neben diesem Vorschlage sonst noch beibringt,
betrifft zunächst noch die kitzliche Frage über die theilweise Ergänzung des
Offizierscorps aus dem Stande der Unteroffiziere. Er tritt hier entschieden der
viel verbreiteten Ansicht entgegen, daß ein solcher Vorschlag, wenn er zur Aus¬
führung käme, dem Geiste des preußischen Offizierscorps. wie er bisher gewesen,
einen Todesstreich versetzen würde, und gewiß, wenn das wahr wäre, so wäre es
ein sehr verwerflicher Vorschlag; denn auch wir halten diesen Geist gerade für einen
echt militärischen und für seinen Zweck also vortrefflichen, so unbequem und
unliebenswürdig er sich in seinen krankhaften Auswüchsen, denen leider das
Edelste und Beste in dieser mangelhaften Welt nun einmal oft am meisten
ausgesetzt ist, sich auch zuweilen zeigt. Aber wir gehören auch zu dem", welche
es durchaus nicht begreifen können, wie es schaden soll, wenn die fähigsten und
sittlichsten unter den Feldwebeln und Wachtmeistern -- denn von diesen han¬
delt es sich doch dabei allein -- im Frieden bis zum Hauptmann und Ritt-
meister mit avancircn können sollten, auch ohne das Offizier-Examen zu machen.
Wer dies Examen macht, kann ja schon heute, und wäre er der Sohn eines
Tagelöhners, unbestritten Offizier werden und im Felde -- das geben Alle- W.
selbst die adligsten Gegner --versteht es sich schon von selber: Auszeichnung
im Kriege giebt jedes Anrecht. Nun kann man zwar bei viel Tapferkeit und
natürlichen Verstandesgaben ziemlich roh von Sitten und sehr unwissend
sein, und es wäre doch wohl nur der Zwang, solche Elemente in sich auf¬
nehmen zu sollen, welche den chevaleresken Geist des preußischen Offizier-Corps
in Gefahr setzen könnten. Gegen rohe Sitten aber gibt etwas Lernen bekannt¬
lich keine Sicherheit, und in der Wahl, welche dem Offizierscorps ja bliebe,
wäre ihm immer das Mittel gegeben, sich gegen solche Elemente zu schützen.
Anfangs müßte allerdings nach dem Vorschlage des Verfassers dem Vorurtheile
dadurch begegnet werden, daß die Anzahl der Offiziere dieser Gattung bestimmt
würde, per Compagnie einer etwa. Das Vorurtheil, wir sind davon überzeugt,
würde sich bald legen. Wäre dem aber auch nicht so. erschienen die Befürch¬
tungen über den schlimmen Einfluß, welchen eine solche Einrichtung auf den
Geist des Offizierscorps haben soll, auch wirklich begründet, so müssen sie doch
zurücktreten vor dem entschieden günstigen Einfluß, welchen eben diese Einrich¬
tung auf den Geist des für die eigentlich fechtende Masse, für den gemeinen
Mann noch wichtigeren Unteroffizierstandes haben müßte und haben würde.
Für diesen Stand aber, seinen Geist zu heben, ihm seine tüchtigsten und besten
Elemente zu erhalten, ihm immer bessere Elemente der Bevölkerung heranziehen
zu helfen, dazu soll jener Vorschlag vorzugsweise dienen, in diesem Sinn ist
er stets nur gemacht worden, nicht für das Offizierscorps, von dem wir gern
annehmen, daß es keiner Verbesserung bedarf; aber wir glauben uns auch eben
deshalb zu der Annahme berechtigt, daß es ohne Nachtheil für sich in seinem


Was nun unser Verfasser neben diesem Vorschlage sonst noch beibringt,
betrifft zunächst noch die kitzliche Frage über die theilweise Ergänzung des
Offizierscorps aus dem Stande der Unteroffiziere. Er tritt hier entschieden der
viel verbreiteten Ansicht entgegen, daß ein solcher Vorschlag, wenn er zur Aus¬
führung käme, dem Geiste des preußischen Offizierscorps. wie er bisher gewesen,
einen Todesstreich versetzen würde, und gewiß, wenn das wahr wäre, so wäre es
ein sehr verwerflicher Vorschlag; denn auch wir halten diesen Geist gerade für einen
echt militärischen und für seinen Zweck also vortrefflichen, so unbequem und
unliebenswürdig er sich in seinen krankhaften Auswüchsen, denen leider das
Edelste und Beste in dieser mangelhaften Welt nun einmal oft am meisten
ausgesetzt ist, sich auch zuweilen zeigt. Aber wir gehören auch zu dem», welche
es durchaus nicht begreifen können, wie es schaden soll, wenn die fähigsten und
sittlichsten unter den Feldwebeln und Wachtmeistern — denn von diesen han¬
delt es sich doch dabei allein — im Frieden bis zum Hauptmann und Ritt-
meister mit avancircn können sollten, auch ohne das Offizier-Examen zu machen.
Wer dies Examen macht, kann ja schon heute, und wäre er der Sohn eines
Tagelöhners, unbestritten Offizier werden und im Felde — das geben Alle- W.
selbst die adligsten Gegner —versteht es sich schon von selber: Auszeichnung
im Kriege giebt jedes Anrecht. Nun kann man zwar bei viel Tapferkeit und
natürlichen Verstandesgaben ziemlich roh von Sitten und sehr unwissend
sein, und es wäre doch wohl nur der Zwang, solche Elemente in sich auf¬
nehmen zu sollen, welche den chevaleresken Geist des preußischen Offizier-Corps
in Gefahr setzen könnten. Gegen rohe Sitten aber gibt etwas Lernen bekannt¬
lich keine Sicherheit, und in der Wahl, welche dem Offizierscorps ja bliebe,
wäre ihm immer das Mittel gegeben, sich gegen solche Elemente zu schützen.
Anfangs müßte allerdings nach dem Vorschlage des Verfassers dem Vorurtheile
dadurch begegnet werden, daß die Anzahl der Offiziere dieser Gattung bestimmt
würde, per Compagnie einer etwa. Das Vorurtheil, wir sind davon überzeugt,
würde sich bald legen. Wäre dem aber auch nicht so. erschienen die Befürch¬
tungen über den schlimmen Einfluß, welchen eine solche Einrichtung auf den
Geist des Offizierscorps haben soll, auch wirklich begründet, so müssen sie doch
zurücktreten vor dem entschieden günstigen Einfluß, welchen eben diese Einrich¬
tung auf den Geist des für die eigentlich fechtende Masse, für den gemeinen
Mann noch wichtigeren Unteroffizierstandes haben müßte und haben würde.
Für diesen Stand aber, seinen Geist zu heben, ihm seine tüchtigsten und besten
Elemente zu erhalten, ihm immer bessere Elemente der Bevölkerung heranziehen
zu helfen, dazu soll jener Vorschlag vorzugsweise dienen, in diesem Sinn ist
er stets nur gemacht worden, nicht für das Offizierscorps, von dem wir gern
annehmen, daß es keiner Verbesserung bedarf; aber wir glauben uns auch eben
deshalb zu der Annahme berechtigt, daß es ohne Nachtheil für sich in seinem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/212>, abgerufen am 28.04.2024.