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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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liebste Angriffswaffe, nur eine durch mein Feuer völlig mürbe gemachte Front
kann künftig zuletzt durch einen Stoß angegriffen und gesprengt werden. Ein
gelungener Frontangriff nach einem kurzen Feuer aus naher Entfernung ist
jetzt gar nicht zu denken. Alles das heißt aber so viel als die Front einer
jeden Infanterie-Stellung ist heute unendlich viel stärker als ehemals, es ist
viel schwerer an sie heranzukommen und sie durch den Stoß zu brechen. Wenn
nun aber schon sonst der sicherste Weg zum Siege niemals in dem graben
Angriff gegen die Front des Gegners lag. sondern auch schön damals nach der
Vorschrift des großen Königs und aller Kriegserfahrung gemäß, in dem Angriff
gegen Flanke und Rücken, so gilt dies jetzt in dem Grade verstärkt, als eben
die Front des Anzugreifenden durch die große Verbesserung der Schußwaffe
verstärkt worden ist. Ein Flankenangriff aber verlangt vor allen Dingen eine
längere Front als die, welche mir der Feind entgegenstellt. Bin ich der Stärkere
an Zahl, so ist die Ausgabe ziemlich einfach, es bedarf blos der Kenntniß
wie eine Uebermacht richtig zu verwenden ist, und diese Kenntniß verweist da¬
mit aus die Flanken des Gegners. Die größere Kunst aber besteht darin,
des Feindes starke Front mit einer geringeren Macht zu beschäftigen und fest¬
zuhalten und dann die so ersparten Kräfte gegen des Feindes Schwäche, d.
h. gegen seine Flanken zu verwenden. Das einzige Mittel dazu ist aber,
meinen Angriff gegen die Front zu verdünnen ohne ihn zu schwächen, und
unter den verschiedenen Mitteln dazu ist eine zweigliedrige Stellung statt einer
dreigliedrigen entschieden das beste. Der Angriff gegen jede Front ist, wissen¬
schaftlich richtig, allemal wo ich nicht durch die Umstände auf ihn allein an-l
gewiesen bin, nur ein Scheinangriff, ein Mittel die Front des Feindes fest¬
zuhalten, zu verhindern, daß er aus seiner Flanke nicht auch eine Front machen
kann. Nun aber ruht die Stärke jedes Scheinangriffs, der es eigentlich nie da¬
rauf abgesehen hat, den Gegner mit der blanken Waffe aus seiner Stellung
zu vertreiben, nur im Feuer. Ein zweigliedriges Feuer aber ist schon das
stärkste, was praktisch gedacht werden kann. Im Ernste des Krieges und der
Schlachten gibt es aber ein für allemal nur Tirailleur-Feuer, höchstens un¬
ordentliches Heckenfeuer en ing.8s<z; es war selbst um siebenjährigen Kriege nicht
anders, wie Bärenhorst bezeugt. Wir wissen aber daß eine Tirailleurlinie, welche
nur alle 5 Schritte eine Rotte von 2 Mann hat, jetzt eine so furchtbare Feuer¬
kraft entwickelt und aus solchen Entfernungen, daß keine geschlossene Truppe
dagegen aufkommen oder aushalten kann. Es bilden also 2 Glieder eine
mehr als ausreichende Kraft, dem Angriff längs der ganzen Front des Fein¬
des die nöthige Stärke zu geben. In allen Armeen haben schon lange vor
der Einführung der jetzigen vortrefflichen Waffen die leichten Truppen nur 2
Glieder formirt, und sie galten überall für die besten Truppen. Die Englän¬
der kannten schon lange keine andere Formation, in allen Armeen bricht sie


liebste Angriffswaffe, nur eine durch mein Feuer völlig mürbe gemachte Front
kann künftig zuletzt durch einen Stoß angegriffen und gesprengt werden. Ein
gelungener Frontangriff nach einem kurzen Feuer aus naher Entfernung ist
jetzt gar nicht zu denken. Alles das heißt aber so viel als die Front einer
jeden Infanterie-Stellung ist heute unendlich viel stärker als ehemals, es ist
viel schwerer an sie heranzukommen und sie durch den Stoß zu brechen. Wenn
nun aber schon sonst der sicherste Weg zum Siege niemals in dem graben
Angriff gegen die Front des Gegners lag. sondern auch schön damals nach der
Vorschrift des großen Königs und aller Kriegserfahrung gemäß, in dem Angriff
gegen Flanke und Rücken, so gilt dies jetzt in dem Grade verstärkt, als eben
die Front des Anzugreifenden durch die große Verbesserung der Schußwaffe
verstärkt worden ist. Ein Flankenangriff aber verlangt vor allen Dingen eine
längere Front als die, welche mir der Feind entgegenstellt. Bin ich der Stärkere
an Zahl, so ist die Ausgabe ziemlich einfach, es bedarf blos der Kenntniß
wie eine Uebermacht richtig zu verwenden ist, und diese Kenntniß verweist da¬
mit aus die Flanken des Gegners. Die größere Kunst aber besteht darin,
des Feindes starke Front mit einer geringeren Macht zu beschäftigen und fest¬
zuhalten und dann die so ersparten Kräfte gegen des Feindes Schwäche, d.
h. gegen seine Flanken zu verwenden. Das einzige Mittel dazu ist aber,
meinen Angriff gegen die Front zu verdünnen ohne ihn zu schwächen, und
unter den verschiedenen Mitteln dazu ist eine zweigliedrige Stellung statt einer
dreigliedrigen entschieden das beste. Der Angriff gegen jede Front ist, wissen¬
schaftlich richtig, allemal wo ich nicht durch die Umstände auf ihn allein an-l
gewiesen bin, nur ein Scheinangriff, ein Mittel die Front des Feindes fest¬
zuhalten, zu verhindern, daß er aus seiner Flanke nicht auch eine Front machen
kann. Nun aber ruht die Stärke jedes Scheinangriffs, der es eigentlich nie da¬
rauf abgesehen hat, den Gegner mit der blanken Waffe aus seiner Stellung
zu vertreiben, nur im Feuer. Ein zweigliedriges Feuer aber ist schon das
stärkste, was praktisch gedacht werden kann. Im Ernste des Krieges und der
Schlachten gibt es aber ein für allemal nur Tirailleur-Feuer, höchstens un¬
ordentliches Heckenfeuer en ing.8s<z; es war selbst um siebenjährigen Kriege nicht
anders, wie Bärenhorst bezeugt. Wir wissen aber daß eine Tirailleurlinie, welche
nur alle 5 Schritte eine Rotte von 2 Mann hat, jetzt eine so furchtbare Feuer¬
kraft entwickelt und aus solchen Entfernungen, daß keine geschlossene Truppe
dagegen aufkommen oder aushalten kann. Es bilden also 2 Glieder eine
mehr als ausreichende Kraft, dem Angriff längs der ganzen Front des Fein¬
des die nöthige Stärke zu geben. In allen Armeen haben schon lange vor
der Einführung der jetzigen vortrefflichen Waffen die leichten Truppen nur 2
Glieder formirt, und sie galten überall für die besten Truppen. Die Englän¬
der kannten schon lange keine andere Formation, in allen Armeen bricht sie


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[0214] liebste Angriffswaffe, nur eine durch mein Feuer völlig mürbe gemachte Front kann künftig zuletzt durch einen Stoß angegriffen und gesprengt werden. Ein gelungener Frontangriff nach einem kurzen Feuer aus naher Entfernung ist jetzt gar nicht zu denken. Alles das heißt aber so viel als die Front einer jeden Infanterie-Stellung ist heute unendlich viel stärker als ehemals, es ist viel schwerer an sie heranzukommen und sie durch den Stoß zu brechen. Wenn nun aber schon sonst der sicherste Weg zum Siege niemals in dem graben Angriff gegen die Front des Gegners lag. sondern auch schön damals nach der Vorschrift des großen Königs und aller Kriegserfahrung gemäß, in dem Angriff gegen Flanke und Rücken, so gilt dies jetzt in dem Grade verstärkt, als eben die Front des Anzugreifenden durch die große Verbesserung der Schußwaffe verstärkt worden ist. Ein Flankenangriff aber verlangt vor allen Dingen eine längere Front als die, welche mir der Feind entgegenstellt. Bin ich der Stärkere an Zahl, so ist die Ausgabe ziemlich einfach, es bedarf blos der Kenntniß wie eine Uebermacht richtig zu verwenden ist, und diese Kenntniß verweist da¬ mit aus die Flanken des Gegners. Die größere Kunst aber besteht darin, des Feindes starke Front mit einer geringeren Macht zu beschäftigen und fest¬ zuhalten und dann die so ersparten Kräfte gegen des Feindes Schwäche, d. h. gegen seine Flanken zu verwenden. Das einzige Mittel dazu ist aber, meinen Angriff gegen die Front zu verdünnen ohne ihn zu schwächen, und unter den verschiedenen Mitteln dazu ist eine zweigliedrige Stellung statt einer dreigliedrigen entschieden das beste. Der Angriff gegen jede Front ist, wissen¬ schaftlich richtig, allemal wo ich nicht durch die Umstände auf ihn allein an-l gewiesen bin, nur ein Scheinangriff, ein Mittel die Front des Feindes fest¬ zuhalten, zu verhindern, daß er aus seiner Flanke nicht auch eine Front machen kann. Nun aber ruht die Stärke jedes Scheinangriffs, der es eigentlich nie da¬ rauf abgesehen hat, den Gegner mit der blanken Waffe aus seiner Stellung zu vertreiben, nur im Feuer. Ein zweigliedriges Feuer aber ist schon das stärkste, was praktisch gedacht werden kann. Im Ernste des Krieges und der Schlachten gibt es aber ein für allemal nur Tirailleur-Feuer, höchstens un¬ ordentliches Heckenfeuer en ing.8s<z; es war selbst um siebenjährigen Kriege nicht anders, wie Bärenhorst bezeugt. Wir wissen aber daß eine Tirailleurlinie, welche nur alle 5 Schritte eine Rotte von 2 Mann hat, jetzt eine so furchtbare Feuer¬ kraft entwickelt und aus solchen Entfernungen, daß keine geschlossene Truppe dagegen aufkommen oder aushalten kann. Es bilden also 2 Glieder eine mehr als ausreichende Kraft, dem Angriff längs der ganzen Front des Fein¬ des die nöthige Stärke zu geben. In allen Armeen haben schon lange vor der Einführung der jetzigen vortrefflichen Waffen die leichten Truppen nur 2 Glieder formirt, und sie galten überall für die besten Truppen. Die Englän¬ der kannten schon lange keine andere Formation, in allen Armeen bricht sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/214>, abgerufen am 17.06.2024.