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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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von dem Conflicte ernster Principien, sondern von dem persönlichen Ehrgeize
jedes Stellenjägers abhängig gemacht wurde. Die Kammer aber löste sich
mehr und mehr in Gruppen auf, je nachdem sich Männer fanden, die das
Bedürfniß hatten, eine eigene Partei um sich zu bilden. Sehr lehrreich ist
in dieser Beziehung die allerdings tendenziös gefärbte Brochüre CapefigUe's:
^-v Ministers Iniers.*)

Wir sehe", die eigentlich revolutionäre Partei war in den Kammern gar
nicht, oder doch nur sehr schwach vertreten. Mochten später auch manche
Aligeordnete durch die unvermeidlichen Consequenzen einer systematischen Oppo
sition in den Strudel der Revolution hineingezogen werden, ursprünglich waren
sie von den Bestrebungen der extremen Demokraten durch eine tiefe Kluft
getrennt. Sie befehdeten und schwachem die Regierung aus Princip und
Temperament. Die Aufregung eines erbitterten parlamentarischen Kampfes
war ihnen die Substanz der Freiheit. Ihre Opposition konnte jedoch insofern
günstig wirken, als sie die Negierung wachsam erhielt und ihr zugleich einen
Antrieb gab, neben der Wiederherstellung der äußeren Ordnung auf eine legale
Entwickelung der verfassungsmäßigen Freiheit Bedacht zu nehmen. schlechter¬
dings verderblich waren nur die Intriguen des 1'lei-s-Mrti und die, durch
ihn veranlaßten Spaltungen in der Regierung selbst.

So war der Loden beschaffen, auf dem das Cabinet vom II. Ocrober
die Revolution entwaffnen und den Grund des constitutionellen Systems be¬
festigen sollte. Fügen wir hinzu, daß nicht selten autokratische Neigungen
Ludwig Philipp's dem Gange der Regierung Hindernisse in den Weg legten,
so haben wir ein Bild von den Schwierigkeiten, die das Ministerium zu be¬
kämpfen hatte. In einem folgenden Aufsatze wollen wir einige Hauptmomente
6. des Kampfes hervorheben.





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') Der Verfasser bemüh- sich, den Bruch zwischen Guizot und Thiers, der nach dem
Sturze des Cabineis vom 11. October in dos neue Ministerium getreten war, unheilbar zu
Machen und eine Fusion zwischen den Doktrinärs und den gemäßigten Legitimisten vor¬
zubereiten. Demgemäß wird gegen Thiers die ganze Malice der Polemik entwickelt, deren nur
der französische Esprit und die französische Sprache fähig ist. Bald wird das Opfer gestreichelt,
bald sein politischer Charakter wie mit dem Secirmesser in allen seinen Schwächen, Eitelkeiten,
Nichtigkeiten vor dem PUblicum zerlegt: und das mit einer Unbefangenheit und Harmlosigkeit,
als ob es selbstverständlich so zum Metier des Publicisten gehörte.
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von dem Conflicte ernster Principien, sondern von dem persönlichen Ehrgeize
jedes Stellenjägers abhängig gemacht wurde. Die Kammer aber löste sich
mehr und mehr in Gruppen auf, je nachdem sich Männer fanden, die das
Bedürfniß hatten, eine eigene Partei um sich zu bilden. Sehr lehrreich ist
in dieser Beziehung die allerdings tendenziös gefärbte Brochüre CapefigUe's:
^-v Ministers Iniers.*)

Wir sehe», die eigentlich revolutionäre Partei war in den Kammern gar
nicht, oder doch nur sehr schwach vertreten. Mochten später auch manche
Aligeordnete durch die unvermeidlichen Consequenzen einer systematischen Oppo
sition in den Strudel der Revolution hineingezogen werden, ursprünglich waren
sie von den Bestrebungen der extremen Demokraten durch eine tiefe Kluft
getrennt. Sie befehdeten und schwachem die Regierung aus Princip und
Temperament. Die Aufregung eines erbitterten parlamentarischen Kampfes
war ihnen die Substanz der Freiheit. Ihre Opposition konnte jedoch insofern
günstig wirken, als sie die Negierung wachsam erhielt und ihr zugleich einen
Antrieb gab, neben der Wiederherstellung der äußeren Ordnung auf eine legale
Entwickelung der verfassungsmäßigen Freiheit Bedacht zu nehmen. schlechter¬
dings verderblich waren nur die Intriguen des 1'lei-s-Mrti und die, durch
ihn veranlaßten Spaltungen in der Regierung selbst.

So war der Loden beschaffen, auf dem das Cabinet vom II. Ocrober
die Revolution entwaffnen und den Grund des constitutionellen Systems be¬
festigen sollte. Fügen wir hinzu, daß nicht selten autokratische Neigungen
Ludwig Philipp's dem Gange der Regierung Hindernisse in den Weg legten,
so haben wir ein Bild von den Schwierigkeiten, die das Ministerium zu be¬
kämpfen hatte. In einem folgenden Aufsatze wollen wir einige Hauptmomente
6. des Kampfes hervorheben.





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') Der Verfasser bemüh- sich, den Bruch zwischen Guizot und Thiers, der nach dem
Sturze des Cabineis vom 11. October in dos neue Ministerium getreten war, unheilbar zu
Machen und eine Fusion zwischen den Doktrinärs und den gemäßigten Legitimisten vor¬
zubereiten. Demgemäß wird gegen Thiers die ganze Malice der Polemik entwickelt, deren nur
der französische Esprit und die französische Sprache fähig ist. Bald wird das Opfer gestreichelt,
bald sein politischer Charakter wie mit dem Secirmesser in allen seinen Schwächen, Eitelkeiten,
Nichtigkeiten vor dem PUblicum zerlegt: und das mit einer Unbefangenheit und Harmlosigkeit,
als ob es selbstverständlich so zum Metier des Publicisten gehörte.
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[0229] von dem Conflicte ernster Principien, sondern von dem persönlichen Ehrgeize jedes Stellenjägers abhängig gemacht wurde. Die Kammer aber löste sich mehr und mehr in Gruppen auf, je nachdem sich Männer fanden, die das Bedürfniß hatten, eine eigene Partei um sich zu bilden. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung die allerdings tendenziös gefärbte Brochüre CapefigUe's: ^-v Ministers Iniers.*) Wir sehe», die eigentlich revolutionäre Partei war in den Kammern gar nicht, oder doch nur sehr schwach vertreten. Mochten später auch manche Aligeordnete durch die unvermeidlichen Consequenzen einer systematischen Oppo sition in den Strudel der Revolution hineingezogen werden, ursprünglich waren sie von den Bestrebungen der extremen Demokraten durch eine tiefe Kluft getrennt. Sie befehdeten und schwachem die Regierung aus Princip und Temperament. Die Aufregung eines erbitterten parlamentarischen Kampfes war ihnen die Substanz der Freiheit. Ihre Opposition konnte jedoch insofern günstig wirken, als sie die Negierung wachsam erhielt und ihr zugleich einen Antrieb gab, neben der Wiederherstellung der äußeren Ordnung auf eine legale Entwickelung der verfassungsmäßigen Freiheit Bedacht zu nehmen. schlechter¬ dings verderblich waren nur die Intriguen des 1'lei-s-Mrti und die, durch ihn veranlaßten Spaltungen in der Regierung selbst. So war der Loden beschaffen, auf dem das Cabinet vom II. Ocrober die Revolution entwaffnen und den Grund des constitutionellen Systems be¬ festigen sollte. Fügen wir hinzu, daß nicht selten autokratische Neigungen Ludwig Philipp's dem Gange der Regierung Hindernisse in den Weg legten, so haben wir ein Bild von den Schwierigkeiten, die das Ministerium zu be¬ kämpfen hatte. In einem folgenden Aufsatze wollen wir einige Hauptmomente 6. des Kampfes hervorheben. >ni.'i'',it,letpmlUmi«I»''Ammilttun>?uz<aZ rne,e,o. ') Der Verfasser bemüh- sich, den Bruch zwischen Guizot und Thiers, der nach dem Sturze des Cabineis vom 11. October in dos neue Ministerium getreten war, unheilbar zu Machen und eine Fusion zwischen den Doktrinärs und den gemäßigten Legitimisten vor¬ zubereiten. Demgemäß wird gegen Thiers die ganze Malice der Polemik entwickelt, deren nur der französische Esprit und die französische Sprache fähig ist. Bald wird das Opfer gestreichelt, bald sein politischer Charakter wie mit dem Secirmesser in allen seinen Schwächen, Eitelkeiten, Nichtigkeiten vor dem PUblicum zerlegt: und das mit einer Unbefangenheit und Harmlosigkeit, als ob es selbstverständlich so zum Metier des Publicisten gehörte. 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/229>, abgerufen am 29.04.2024.