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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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sich wählt, z. B. ein Stück Wald mit einer Durchsicht in die Ferne, einem
Tümpel stehenden Wassers; aber er sieht immer ein Ganzes und weiß die
Stimmung, die uns im feierlichen Dunkel des Waldes, beim ahnungsvollen
Blick in die weite Ebene anwehe, im Einklang mit dem Zauber eines tiefe",
warmen Lichttons trefflich wiederzugeben; dazu kommt eine sorgfältige Aus¬
führung, die nur selten an's Harte streift. Die besten Bilder sind aus der
Mitte der dreißiger Jahre (1'6tiMZ as ig. vitis ä'^ora^, los xlairiös et'^rMös);
eine Zeitlang versuchte sich Cabat in der classischen Landschaft, die ihm je"
doch weniger gelingen wollte, und als er dann zu seiner alten Art zurückkehrte,
wußte er auch in dieser den früheren Reiz nicht wieder zu erreichen. -- Ein
mehr oberflächliches Talent ist Paul Huck, der gern absonderliche Natur¬
effecte aufsucht oder heftige mehr subjective Stimmungen in der Landschaft
auszudrücken strebt. Es ist auf einen aparten Reiz in der Auffassung ab"
gesehen, und die geistreich heraustretende Geschicklichkeit des Künstlers will als
solche bemerkt sein. --

Indem die Landschaft sich an die gewöhnliche heimische Natur wandte
und die Malerei überhaupt immer mehr auf die Wahrheit der äußern Er¬
scheinung ausging, bildete sich neben jenen Malern eine Richtung aus., der
es nicht nur auf die Gesammtwirkung der Natur in Licht und Luft, sondern
vornehmlich auf die sorgfältige, liebevolle Nachahmung des Details ankam.
So malte Charles de la Berge eine Waldgegend im Abendlichte, in der
jedes Blättchen in feinster Ausführung modellut ist. eine fast peinliche Arbeit,
der aber doch der Reiz des harmonischen Tones und die Stimmung warmer
Abenddämmerung nicht sehlt. Indessen suchte man bald dieser bloßen Nach¬
ahmung eine eigenthümliche tiefere Bedeutung zu geben. Der Maler sollte
sich in das kleine Leben der Natur mit ganzer Hingabe einempfinden, gleichsam
den, Erdgeiste sein geheimnißvolles Spiel ablauschen; den einzelnen Strauch,
das in die Blätter einfallende Licht, das Zittern des Sonnenstrahles auf den
Stämmen, das feuchtwarme Dunkel der Schatten -- das Alles immer wieder
zu beobachten, mit unermüdlichem Fleiß bis ins Kleinste nachzubilden, erkannte
er als seine höchste Aufgabe. Das Motiv konnte das erste beste sein; auch
das gewöhnlichste wurde dieser Betrachtung werthvoll, da der Künstler in
jedem Blatt ein Unendliches sah. Das innigste Vertrautmerden mit der
Natur lag ihm am Herzen, und grade wo die Natur recht arm war, konnte
er den Reichthum seines Gemüths bewähren. Diese Richtung bezeichnete
sich denn auch als pa^sags intime, und es ist ganz treffend für das 19.
Jahrhundert, daß es auch zu der Natur ein bewußtes Gemüthsverhältniß
einzunehmen sucht. Hauptvertreter sind Jules Dupr6 und Theodore
Rousseau. Der Erstere wußte, obwol er einen stimmungsvollen Gesammtein-
druck meistens erreicht, in Folge der zu bestimmten Ausführung eine gewisse


sich wählt, z. B. ein Stück Wald mit einer Durchsicht in die Ferne, einem
Tümpel stehenden Wassers; aber er sieht immer ein Ganzes und weiß die
Stimmung, die uns im feierlichen Dunkel des Waldes, beim ahnungsvollen
Blick in die weite Ebene anwehe, im Einklang mit dem Zauber eines tiefe»,
warmen Lichttons trefflich wiederzugeben; dazu kommt eine sorgfältige Aus¬
führung, die nur selten an's Harte streift. Die besten Bilder sind aus der
Mitte der dreißiger Jahre (1'6tiMZ as ig. vitis ä'^ora^, los xlairiös et'^rMös);
eine Zeitlang versuchte sich Cabat in der classischen Landschaft, die ihm je»
doch weniger gelingen wollte, und als er dann zu seiner alten Art zurückkehrte,
wußte er auch in dieser den früheren Reiz nicht wieder zu erreichen. — Ein
mehr oberflächliches Talent ist Paul Huck, der gern absonderliche Natur¬
effecte aufsucht oder heftige mehr subjective Stimmungen in der Landschaft
auszudrücken strebt. Es ist auf einen aparten Reiz in der Auffassung ab«
gesehen, und die geistreich heraustretende Geschicklichkeit des Künstlers will als
solche bemerkt sein. —

Indem die Landschaft sich an die gewöhnliche heimische Natur wandte
und die Malerei überhaupt immer mehr auf die Wahrheit der äußern Er¬
scheinung ausging, bildete sich neben jenen Malern eine Richtung aus., der
es nicht nur auf die Gesammtwirkung der Natur in Licht und Luft, sondern
vornehmlich auf die sorgfältige, liebevolle Nachahmung des Details ankam.
So malte Charles de la Berge eine Waldgegend im Abendlichte, in der
jedes Blättchen in feinster Ausführung modellut ist. eine fast peinliche Arbeit,
der aber doch der Reiz des harmonischen Tones und die Stimmung warmer
Abenddämmerung nicht sehlt. Indessen suchte man bald dieser bloßen Nach¬
ahmung eine eigenthümliche tiefere Bedeutung zu geben. Der Maler sollte
sich in das kleine Leben der Natur mit ganzer Hingabe einempfinden, gleichsam
den, Erdgeiste sein geheimnißvolles Spiel ablauschen; den einzelnen Strauch,
das in die Blätter einfallende Licht, das Zittern des Sonnenstrahles auf den
Stämmen, das feuchtwarme Dunkel der Schatten — das Alles immer wieder
zu beobachten, mit unermüdlichem Fleiß bis ins Kleinste nachzubilden, erkannte
er als seine höchste Aufgabe. Das Motiv konnte das erste beste sein; auch
das gewöhnlichste wurde dieser Betrachtung werthvoll, da der Künstler in
jedem Blatt ein Unendliches sah. Das innigste Vertrautmerden mit der
Natur lag ihm am Herzen, und grade wo die Natur recht arm war, konnte
er den Reichthum seines Gemüths bewähren. Diese Richtung bezeichnete
sich denn auch als pa^sags intime, und es ist ganz treffend für das 19.
Jahrhundert, daß es auch zu der Natur ein bewußtes Gemüthsverhältniß
einzunehmen sucht. Hauptvertreter sind Jules Dupr6 und Theodore
Rousseau. Der Erstere wußte, obwol er einen stimmungsvollen Gesammtein-
druck meistens erreicht, in Folge der zu bestimmten Ausführung eine gewisse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/362>, abgerufen am 10.06.2024.