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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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in den Jahren männlicher Reife zuweilen hervortrat, wurde bei mehren
großen Gelegenheiten ein besonderes Glück für die Behandlung der Ge¬
schäfte; er ergänzte glücklich die Schwächen der englischen Bildung, er ver¬
band einige der politischen Führer Englands, Robert Peel und Lord Rus¬
sell, sehr eng mit dem Prinzen. Derselbe Gegensatz mag aber auch das
Verhältniß erklären, in welches sich z. B. Lord Palmerston durch mehre Jahre
zum Prinzen und zur Königin gesetzt hat, so wie seine durchaus nicht immer
edlen Mittel, durch welche er den Schwächen des englischen Volkes schmeichelnd
und seine Stimmungen klug lenkend, dem Regenten zu trotzen wußte. Auch
dieser Kampf ist einige Mal in der großen Politik Englands hervorgebrochen.
Nicht immer blieb Palmerston Sieger.

Dem englischen Volke gegenüber hatte der Prinz vor Allem die Aufgabe,
sich als Engländer zu erweisen, das heißt, englischen Interessen überall
nützlich und förderlich zu werden, wo er mit seiner eigenen Persönlichkeit selbst¬
willig hervortreten durfte. Er hat, so scheint uns, diesen Theil seiner Auf¬
gabe als ein kluger und tüchtiger Mann gelöst. Es gab kaum eine Klasse
von gemeinnützigen Unternehmungen, bei welchen er nicht als Führer oder
thätiges Mitglied mit gutem Beispiel voranging, von seiner Musterfarm an,
bis zur ersten Industrieausstellung und seiner Kanzlerschaft der Universität
Cambridge. Bei jeder dieser Gelegenheiten lernten die Engländer einen ernsten
Geist und billigen Sinn achten, dem ihr Wohl warm am Herzen lag. der
hochsinnig ehrte, was sie Großes besaßen, und der wohl verstand, was ihnen
fehlte.

Aber sein Hauptinteresse und seine Hauptthätigkeit war für den Staat.
Eigenthümlich war hier seine Stellung. Es gab vielleicht in England wenig
Ehen, die so glücklich waren, als die des Könighauses, sicher gab es wenig
Frauen, in, denen ein klarer Verstand, Güte des Herzens und unendliche Hin¬
gabe an den geliebten Mann so vereinigt waren, als in der Person der Kö¬
nigin. Der höchste Ehrgeiz und die innigste Freude dieser seltenen Frau war,
den Mann ihrer Liebe und Wahl so hoch zu stellen, als nur möglich.' Die
Tochter des Herzogs von Kent war erzogen worden wie eine treue deutsche
Hausfrau, und als ihren Hausherrn betrachtete sie den Gatten auch bei allen
Pflichten und Rechten der Krone. Es war ihr unerträglich, etwas vor ihm
voraus zu haben, schon die äußern Ehren der Königin waren ihr unhold und
lästig, wenn der Gemahl nicht gleichen Theil daran haben durfte, es war
ihr die höchste Genugthuung, die umfassende Bildung, den durchdringenden Geist
ihres Hausherrn auch in den Regierungsgeschäften zur vollen Geltung gebracht
zu sehen. Sie war in der That Königin; denn keine Maßregel, w.eder groß
noch klein, bei welcher ihre Entscheidung nothwendig war, fertigte sie ab,
bevor sie sich ein "ignes Urtheil darüber gebildet hatte. Aber sür dieses U"


in den Jahren männlicher Reife zuweilen hervortrat, wurde bei mehren
großen Gelegenheiten ein besonderes Glück für die Behandlung der Ge¬
schäfte; er ergänzte glücklich die Schwächen der englischen Bildung, er ver¬
band einige der politischen Führer Englands, Robert Peel und Lord Rus¬
sell, sehr eng mit dem Prinzen. Derselbe Gegensatz mag aber auch das
Verhältniß erklären, in welches sich z. B. Lord Palmerston durch mehre Jahre
zum Prinzen und zur Königin gesetzt hat, so wie seine durchaus nicht immer
edlen Mittel, durch welche er den Schwächen des englischen Volkes schmeichelnd
und seine Stimmungen klug lenkend, dem Regenten zu trotzen wußte. Auch
dieser Kampf ist einige Mal in der großen Politik Englands hervorgebrochen.
Nicht immer blieb Palmerston Sieger.

Dem englischen Volke gegenüber hatte der Prinz vor Allem die Aufgabe,
sich als Engländer zu erweisen, das heißt, englischen Interessen überall
nützlich und förderlich zu werden, wo er mit seiner eigenen Persönlichkeit selbst¬
willig hervortreten durfte. Er hat, so scheint uns, diesen Theil seiner Auf¬
gabe als ein kluger und tüchtiger Mann gelöst. Es gab kaum eine Klasse
von gemeinnützigen Unternehmungen, bei welchen er nicht als Führer oder
thätiges Mitglied mit gutem Beispiel voranging, von seiner Musterfarm an,
bis zur ersten Industrieausstellung und seiner Kanzlerschaft der Universität
Cambridge. Bei jeder dieser Gelegenheiten lernten die Engländer einen ernsten
Geist und billigen Sinn achten, dem ihr Wohl warm am Herzen lag. der
hochsinnig ehrte, was sie Großes besaßen, und der wohl verstand, was ihnen
fehlte.

Aber sein Hauptinteresse und seine Hauptthätigkeit war für den Staat.
Eigenthümlich war hier seine Stellung. Es gab vielleicht in England wenig
Ehen, die so glücklich waren, als die des Könighauses, sicher gab es wenig
Frauen, in, denen ein klarer Verstand, Güte des Herzens und unendliche Hin¬
gabe an den geliebten Mann so vereinigt waren, als in der Person der Kö¬
nigin. Der höchste Ehrgeiz und die innigste Freude dieser seltenen Frau war,
den Mann ihrer Liebe und Wahl so hoch zu stellen, als nur möglich.' Die
Tochter des Herzogs von Kent war erzogen worden wie eine treue deutsche
Hausfrau, und als ihren Hausherrn betrachtete sie den Gatten auch bei allen
Pflichten und Rechten der Krone. Es war ihr unerträglich, etwas vor ihm
voraus zu haben, schon die äußern Ehren der Königin waren ihr unhold und
lästig, wenn der Gemahl nicht gleichen Theil daran haben durfte, es war
ihr die höchste Genugthuung, die umfassende Bildung, den durchdringenden Geist
ihres Hausherrn auch in den Regierungsgeschäften zur vollen Geltung gebracht
zu sehen. Sie war in der That Königin; denn keine Maßregel, w.eder groß
noch klein, bei welcher ihre Entscheidung nothwendig war, fertigte sie ab,
bevor sie sich ein «ignes Urtheil darüber gebildet hatte. Aber sür dieses U»


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[0519] in den Jahren männlicher Reife zuweilen hervortrat, wurde bei mehren großen Gelegenheiten ein besonderes Glück für die Behandlung der Ge¬ schäfte; er ergänzte glücklich die Schwächen der englischen Bildung, er ver¬ band einige der politischen Führer Englands, Robert Peel und Lord Rus¬ sell, sehr eng mit dem Prinzen. Derselbe Gegensatz mag aber auch das Verhältniß erklären, in welches sich z. B. Lord Palmerston durch mehre Jahre zum Prinzen und zur Königin gesetzt hat, so wie seine durchaus nicht immer edlen Mittel, durch welche er den Schwächen des englischen Volkes schmeichelnd und seine Stimmungen klug lenkend, dem Regenten zu trotzen wußte. Auch dieser Kampf ist einige Mal in der großen Politik Englands hervorgebrochen. Nicht immer blieb Palmerston Sieger. Dem englischen Volke gegenüber hatte der Prinz vor Allem die Aufgabe, sich als Engländer zu erweisen, das heißt, englischen Interessen überall nützlich und förderlich zu werden, wo er mit seiner eigenen Persönlichkeit selbst¬ willig hervortreten durfte. Er hat, so scheint uns, diesen Theil seiner Auf¬ gabe als ein kluger und tüchtiger Mann gelöst. Es gab kaum eine Klasse von gemeinnützigen Unternehmungen, bei welchen er nicht als Führer oder thätiges Mitglied mit gutem Beispiel voranging, von seiner Musterfarm an, bis zur ersten Industrieausstellung und seiner Kanzlerschaft der Universität Cambridge. Bei jeder dieser Gelegenheiten lernten die Engländer einen ernsten Geist und billigen Sinn achten, dem ihr Wohl warm am Herzen lag. der hochsinnig ehrte, was sie Großes besaßen, und der wohl verstand, was ihnen fehlte. Aber sein Hauptinteresse und seine Hauptthätigkeit war für den Staat. Eigenthümlich war hier seine Stellung. Es gab vielleicht in England wenig Ehen, die so glücklich waren, als die des Könighauses, sicher gab es wenig Frauen, in, denen ein klarer Verstand, Güte des Herzens und unendliche Hin¬ gabe an den geliebten Mann so vereinigt waren, als in der Person der Kö¬ nigin. Der höchste Ehrgeiz und die innigste Freude dieser seltenen Frau war, den Mann ihrer Liebe und Wahl so hoch zu stellen, als nur möglich.' Die Tochter des Herzogs von Kent war erzogen worden wie eine treue deutsche Hausfrau, und als ihren Hausherrn betrachtete sie den Gatten auch bei allen Pflichten und Rechten der Krone. Es war ihr unerträglich, etwas vor ihm voraus zu haben, schon die äußern Ehren der Königin waren ihr unhold und lästig, wenn der Gemahl nicht gleichen Theil daran haben durfte, es war ihr die höchste Genugthuung, die umfassende Bildung, den durchdringenden Geist ihres Hausherrn auch in den Regierungsgeschäften zur vollen Geltung gebracht zu sehen. Sie war in der That Königin; denn keine Maßregel, w.eder groß noch klein, bei welcher ihre Entscheidung nothwendig war, fertigte sie ab, bevor sie sich ein «ignes Urtheil darüber gebildet hatte. Aber sür dieses U»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/519>, abgerufen am 14.05.2024.