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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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theil war ihr der Wille des Gemahls die höchste irdische Autorität. So
wurde von beiden Gatten jeder politische Beschluß gefaßt, aber der Herr des
Hauses hatte auch hier die oberste Leitung. Und streng hielt die Königin
darauf, daß ihre Minister im Privatverkehr dieselbe Autorität des Prinzen
respectirten, welcher sie sich selbst unterwarf. Dadurch geschah es, daß der
Prinz in Wahrheit der König, und für die Willensäußerungen der Krone von
England die höchste leitende Persönlichkeit wurde.

Und es scheint uns, daß England alle Ursache gehabt hat, diese stille
und unablässige Thätigkeit eines Mannes, die nicht ohne große Selbstver¬
leugnung war. mit Dank anzuerkennen. Sicher empfand Niemand lebhafter
als der Prinz, daß die Borsicht, welche seine schwierige Stellung ihm aufer¬
legte, nicht immer für ein kräftiges Hervortreten der Krone in solchen Mo¬
menten, wo die höchste Würde Englands dasselbe wünschenswerth gemacht
hätte, nützlich war. Denn die Gegner seiner Ueberzeugungen fanden in den
Vorurtheilen des Volkes eine Waffe, welche sich nie abnutzte: das laute Ge¬
schrei über coburgische Hauspolitik. So lächerlich diese Phrase war, welche
in den Zeitungen Lord Palmerston's bei jeder Gelegenheit aufrauschte, so sehr
erregte und empörte sie das Volk, und deshalb erschwerte sie das gleichmäßige
und consequente Einwirke") auf die Geschäfte, welches einem gebornen König
von England nicht nur durch das Gesetz erlaubt, sondern auch für das Wohl
des Staates nothwendig ist.

England aber und die Welt werden einst daran denken, daß die Jahre,
in denen der König ohne Namen das größte Reich der Erde beherrschte, die
glücklichsten Jahre waren, welche das Inselreich seit Jahrhunderten durch¬
lebt hat.

Wie glücklich das Leben des Hauses in den königlichen Schlössern Eng¬
lands war, davon wissen Engländer und Fremde Wohl zu erzählen. In
seinem Hause war der Prinz ein milder Gebieter, liebevoll und fest als Gemahl,
der zärtlichste Vater. Er leitete selbst die Erziehung der Kinder, sein höchstes Glück
war, in die Herzen der Seinen alles Schöne und Wahre hineinzubilden, was
ihm selbst die Seele erhob. -- An dem Schmerz der Gemahlin und der ältesten
Tochter im Königfchlosse zu Berlin, welche mit fast schwärmerischer Zärtlich¬
keit an ihm hingen, nehmen jetzt zwei große Nationen herzlichen Antheil.

Er war eine edle Natur, allem Gemeinen abhold, er war stolz, weil er
sich selbst hoch und rein zu halten unablässig bemüht war. Er galt für einen
Aristokraten, und seine politischen und religiösen Ueberzeugungen waren liberaler,
als bei irgend einem größeren Regenten aus deutschem Stamm ; er galt für strenge
und kalt, und sein Gefühl war doch sehr weich und warm. Er war ein fei¬
ner und geistvoller Staatsmann, ein Mann von umfassender Bildung, ein
guter, redlicher, pflichtvoller Mensch. Er hat eine sehr hohe und sehr schole-


theil war ihr der Wille des Gemahls die höchste irdische Autorität. So
wurde von beiden Gatten jeder politische Beschluß gefaßt, aber der Herr des
Hauses hatte auch hier die oberste Leitung. Und streng hielt die Königin
darauf, daß ihre Minister im Privatverkehr dieselbe Autorität des Prinzen
respectirten, welcher sie sich selbst unterwarf. Dadurch geschah es, daß der
Prinz in Wahrheit der König, und für die Willensäußerungen der Krone von
England die höchste leitende Persönlichkeit wurde.

Und es scheint uns, daß England alle Ursache gehabt hat, diese stille
und unablässige Thätigkeit eines Mannes, die nicht ohne große Selbstver¬
leugnung war. mit Dank anzuerkennen. Sicher empfand Niemand lebhafter
als der Prinz, daß die Borsicht, welche seine schwierige Stellung ihm aufer¬
legte, nicht immer für ein kräftiges Hervortreten der Krone in solchen Mo¬
menten, wo die höchste Würde Englands dasselbe wünschenswerth gemacht
hätte, nützlich war. Denn die Gegner seiner Ueberzeugungen fanden in den
Vorurtheilen des Volkes eine Waffe, welche sich nie abnutzte: das laute Ge¬
schrei über coburgische Hauspolitik. So lächerlich diese Phrase war, welche
in den Zeitungen Lord Palmerston's bei jeder Gelegenheit aufrauschte, so sehr
erregte und empörte sie das Volk, und deshalb erschwerte sie das gleichmäßige
und consequente Einwirke») auf die Geschäfte, welches einem gebornen König
von England nicht nur durch das Gesetz erlaubt, sondern auch für das Wohl
des Staates nothwendig ist.

England aber und die Welt werden einst daran denken, daß die Jahre,
in denen der König ohne Namen das größte Reich der Erde beherrschte, die
glücklichsten Jahre waren, welche das Inselreich seit Jahrhunderten durch¬
lebt hat.

Wie glücklich das Leben des Hauses in den königlichen Schlössern Eng¬
lands war, davon wissen Engländer und Fremde Wohl zu erzählen. In
seinem Hause war der Prinz ein milder Gebieter, liebevoll und fest als Gemahl,
der zärtlichste Vater. Er leitete selbst die Erziehung der Kinder, sein höchstes Glück
war, in die Herzen der Seinen alles Schöne und Wahre hineinzubilden, was
ihm selbst die Seele erhob. — An dem Schmerz der Gemahlin und der ältesten
Tochter im Königfchlosse zu Berlin, welche mit fast schwärmerischer Zärtlich¬
keit an ihm hingen, nehmen jetzt zwei große Nationen herzlichen Antheil.

Er war eine edle Natur, allem Gemeinen abhold, er war stolz, weil er
sich selbst hoch und rein zu halten unablässig bemüht war. Er galt für einen
Aristokraten, und seine politischen und religiösen Ueberzeugungen waren liberaler,
als bei irgend einem größeren Regenten aus deutschem Stamm ; er galt für strenge
und kalt, und sein Gefühl war doch sehr weich und warm. Er war ein fei¬
ner und geistvoller Staatsmann, ein Mann von umfassender Bildung, ein
guter, redlicher, pflichtvoller Mensch. Er hat eine sehr hohe und sehr schole-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/520>, abgerufen am 28.04.2024.