Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

für Alle, die Achtung vor der gefallenen Größe, der Weg zur Versöhnung und
Ruhe. Wir entgegnen darauf, indem wir die letzten Thatsachen in Tirol, das
die Ritter vom Rosenkranz als ihre süße Heimath rühmen, etwas näher ve-
trachten. ..MZ in ^-i^-es^ '

Dr. Streiter, der Bürgermeister von Bozen, nahm von der Einführung
der Gasbeleuchtung, die dort im Spätherbst statthatte, Anlaß, ein Volksfest
zu feiern. Dasselbe sollte mit einem Freischießen beginnen, wozu er der
Schützengilde seiner Vaterstadt ein Best von 30 Vereinsthalern mit einer deut¬
schen und einer östreichischen Fahne und folgender Widmung sandte:

"Das Licht, das künftig auf unseren Straßen die Nacht nahezu in Tag
verwandelt, hat etwas sinnbildliches, man erinnert sich an das geistige Licht,
das uns eben auch in diesem Jahre aufging, an die Wiedergeburt unseres
staatlichen Lebens und die Befreiung der Gewissen von jeder unwürdigen
Schranke. Licht zumal ist die Himmelstochter, welche das edle Herz unsers
Kaisers vermochte, uns das Patent vom 8. April d. I. zu geben, es ver-
bürgt jedem Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschens. Lassen
Sie mich die Wonne, die ich darüber empfinde, mit Ihnen durch gemein¬
samen Jubel feiern, lassen Sie uns die Fahnen schwingen, die Böller lösen
und ein stürmisches Hoch ausbringen dem Spender jener Freiheit, welche die
Grundlage jeder anderen bildet!"

Es lag in diesen Worten, welche alsbald von einigen Zeitungen je nach
ihrer Färbung begrüßt oder gescholten wurden, eine stärkere Herausforderung,
als man ihnen ohne nähere Kenntniß tirolischer Zustände zuschreiben möchte.
Selbst die liberal sich nennenden Abgeordneten in der Stündesitzung vom
letzten Frühjahr meinten die Glaubenseinheit als Wunsch des ganzen Landes
bestätigen zu müssen, und wenn sie gegen den Antrag des wühlerischen Bi¬
schofs von Buxen stimmten, der die Protestanten bis auf einzelne seltene Aus¬
nahmen aus Tirol verbannen wollte, entschuldigten sie sich schon im vorhinein
mit Gründen politischen Machtgcbotes. Der Klerus that seither, wie in diesen
Blättern berichtet wurde, Alles, was in seinen Kräften stand, um das Volk
gegen das Prvtestantenpatent aufzuwiegeln, und wenn er sein Ziel nicht er-
reichte, lag dies nicht an ihm, sondern am Mangel entzündlichen Stoffes.
Nach der Abdankung des früheren Statthalters, Erzherzog Karl Ludwig, wo¬
mit ihre Stütze gefallen schien, und den Bemühungen des neuen, des Fürsten
v. Lobkowitz, den Eifer der Prediger und Wallfahrer zu zügeln, schien eine
Pause eingetreten, und manchen derselben verdroß der nutzlose Kampf. Wenn
nun Dr. Streiter eine rein materielle Errungenschaft benutzte, um an die
Morgenröthe zu erinnern, die uns im geistigen Leben aufging, lag dies sicher
weder in seiner amtlichen Aufgabe noch in der richtigen Erkenntniß des Wer¬
thes, den das Opfer der Auserwählten des Himmels hatte. Alles, was man


für Alle, die Achtung vor der gefallenen Größe, der Weg zur Versöhnung und
Ruhe. Wir entgegnen darauf, indem wir die letzten Thatsachen in Tirol, das
die Ritter vom Rosenkranz als ihre süße Heimath rühmen, etwas näher ve-
trachten. ..MZ in ^-i^-es^ '

Dr. Streiter, der Bürgermeister von Bozen, nahm von der Einführung
der Gasbeleuchtung, die dort im Spätherbst statthatte, Anlaß, ein Volksfest
zu feiern. Dasselbe sollte mit einem Freischießen beginnen, wozu er der
Schützengilde seiner Vaterstadt ein Best von 30 Vereinsthalern mit einer deut¬
schen und einer östreichischen Fahne und folgender Widmung sandte:

„Das Licht, das künftig auf unseren Straßen die Nacht nahezu in Tag
verwandelt, hat etwas sinnbildliches, man erinnert sich an das geistige Licht,
das uns eben auch in diesem Jahre aufging, an die Wiedergeburt unseres
staatlichen Lebens und die Befreiung der Gewissen von jeder unwürdigen
Schranke. Licht zumal ist die Himmelstochter, welche das edle Herz unsers
Kaisers vermochte, uns das Patent vom 8. April d. I. zu geben, es ver-
bürgt jedem Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschens. Lassen
Sie mich die Wonne, die ich darüber empfinde, mit Ihnen durch gemein¬
samen Jubel feiern, lassen Sie uns die Fahnen schwingen, die Böller lösen
und ein stürmisches Hoch ausbringen dem Spender jener Freiheit, welche die
Grundlage jeder anderen bildet!"

Es lag in diesen Worten, welche alsbald von einigen Zeitungen je nach
ihrer Färbung begrüßt oder gescholten wurden, eine stärkere Herausforderung,
als man ihnen ohne nähere Kenntniß tirolischer Zustände zuschreiben möchte.
Selbst die liberal sich nennenden Abgeordneten in der Stündesitzung vom
letzten Frühjahr meinten die Glaubenseinheit als Wunsch des ganzen Landes
bestätigen zu müssen, und wenn sie gegen den Antrag des wühlerischen Bi¬
schofs von Buxen stimmten, der die Protestanten bis auf einzelne seltene Aus¬
nahmen aus Tirol verbannen wollte, entschuldigten sie sich schon im vorhinein
mit Gründen politischen Machtgcbotes. Der Klerus that seither, wie in diesen
Blättern berichtet wurde, Alles, was in seinen Kräften stand, um das Volk
gegen das Prvtestantenpatent aufzuwiegeln, und wenn er sein Ziel nicht er-
reichte, lag dies nicht an ihm, sondern am Mangel entzündlichen Stoffes.
Nach der Abdankung des früheren Statthalters, Erzherzog Karl Ludwig, wo¬
mit ihre Stütze gefallen schien, und den Bemühungen des neuen, des Fürsten
v. Lobkowitz, den Eifer der Prediger und Wallfahrer zu zügeln, schien eine
Pause eingetreten, und manchen derselben verdroß der nutzlose Kampf. Wenn
nun Dr. Streiter eine rein materielle Errungenschaft benutzte, um an die
Morgenröthe zu erinnern, die uns im geistigen Leben aufging, lag dies sicher
weder in seiner amtlichen Aufgabe noch in der richtigen Erkenntniß des Wer¬
thes, den das Opfer der Auserwählten des Himmels hatte. Alles, was man


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113388"/>
          <p xml:id="ID_423" prev="#ID_422"> für Alle, die Achtung vor der gefallenen Größe, der Weg zur Versöhnung und<lb/>
Ruhe. Wir entgegnen darauf, indem wir die letzten Thatsachen in Tirol, das<lb/>
die Ritter vom Rosenkranz als ihre süße Heimath rühmen, etwas näher ve-<lb/>
trachten. ..MZ in ^-i^-es^ '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_424"> Dr. Streiter, der Bürgermeister von Bozen, nahm von der Einführung<lb/>
der Gasbeleuchtung, die dort im Spätherbst statthatte, Anlaß, ein Volksfest<lb/>
zu feiern. Dasselbe sollte mit einem Freischießen beginnen, wozu er der<lb/>
Schützengilde seiner Vaterstadt ein Best von 30 Vereinsthalern mit einer deut¬<lb/>
schen und einer östreichischen Fahne und folgender Widmung sandte:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_425"> &#x201E;Das Licht, das künftig auf unseren Straßen die Nacht nahezu in Tag<lb/>
verwandelt, hat etwas sinnbildliches, man erinnert sich an das geistige Licht,<lb/>
das uns eben auch in diesem Jahre aufging, an die Wiedergeburt unseres<lb/>
staatlichen Lebens und die Befreiung der Gewissen von jeder unwürdigen<lb/>
Schranke. Licht zumal ist die Himmelstochter, welche das edle Herz unsers<lb/>
Kaisers vermochte, uns das Patent vom 8. April d. I. zu geben, es ver-<lb/>
bürgt jedem Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschens. Lassen<lb/>
Sie mich die Wonne, die ich darüber empfinde, mit Ihnen durch gemein¬<lb/>
samen Jubel feiern, lassen Sie uns die Fahnen schwingen, die Böller lösen<lb/>
und ein stürmisches Hoch ausbringen dem Spender jener Freiheit, welche die<lb/>
Grundlage jeder anderen bildet!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_426" next="#ID_427"> Es lag in diesen Worten, welche alsbald von einigen Zeitungen je nach<lb/>
ihrer Färbung begrüßt oder gescholten wurden, eine stärkere Herausforderung,<lb/>
als man ihnen ohne nähere Kenntniß tirolischer Zustände zuschreiben möchte.<lb/>
Selbst die liberal sich nennenden Abgeordneten in der Stündesitzung vom<lb/>
letzten Frühjahr meinten die Glaubenseinheit als Wunsch des ganzen Landes<lb/>
bestätigen zu müssen, und wenn sie gegen den Antrag des wühlerischen Bi¬<lb/>
schofs von Buxen stimmten, der die Protestanten bis auf einzelne seltene Aus¬<lb/>
nahmen aus Tirol verbannen wollte, entschuldigten sie sich schon im vorhinein<lb/>
mit Gründen politischen Machtgcbotes. Der Klerus that seither, wie in diesen<lb/>
Blättern berichtet wurde, Alles, was in seinen Kräften stand, um das Volk<lb/>
gegen das Prvtestantenpatent aufzuwiegeln, und wenn er sein Ziel nicht er-<lb/>
reichte, lag dies nicht an ihm, sondern am Mangel entzündlichen Stoffes.<lb/>
Nach der Abdankung des früheren Statthalters, Erzherzog Karl Ludwig, wo¬<lb/>
mit ihre Stütze gefallen schien, und den Bemühungen des neuen, des Fürsten<lb/>
v. Lobkowitz, den Eifer der Prediger und Wallfahrer zu zügeln, schien eine<lb/>
Pause eingetreten, und manchen derselben verdroß der nutzlose Kampf. Wenn<lb/>
nun Dr. Streiter eine rein materielle Errungenschaft benutzte, um an die<lb/>
Morgenröthe zu erinnern, die uns im geistigen Leben aufging, lag dies sicher<lb/>
weder in seiner amtlichen Aufgabe noch in der richtigen Erkenntniß des Wer¬<lb/>
thes, den das Opfer der Auserwählten des Himmels hatte.  Alles, was man</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] für Alle, die Achtung vor der gefallenen Größe, der Weg zur Versöhnung und Ruhe. Wir entgegnen darauf, indem wir die letzten Thatsachen in Tirol, das die Ritter vom Rosenkranz als ihre süße Heimath rühmen, etwas näher ve- trachten. ..MZ in ^-i^-es^ ' Dr. Streiter, der Bürgermeister von Bozen, nahm von der Einführung der Gasbeleuchtung, die dort im Spätherbst statthatte, Anlaß, ein Volksfest zu feiern. Dasselbe sollte mit einem Freischießen beginnen, wozu er der Schützengilde seiner Vaterstadt ein Best von 30 Vereinsthalern mit einer deut¬ schen und einer östreichischen Fahne und folgender Widmung sandte: „Das Licht, das künftig auf unseren Straßen die Nacht nahezu in Tag verwandelt, hat etwas sinnbildliches, man erinnert sich an das geistige Licht, das uns eben auch in diesem Jahre aufging, an die Wiedergeburt unseres staatlichen Lebens und die Befreiung der Gewissen von jeder unwürdigen Schranke. Licht zumal ist die Himmelstochter, welche das edle Herz unsers Kaisers vermochte, uns das Patent vom 8. April d. I. zu geben, es ver- bürgt jedem Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschens. Lassen Sie mich die Wonne, die ich darüber empfinde, mit Ihnen durch gemein¬ samen Jubel feiern, lassen Sie uns die Fahnen schwingen, die Böller lösen und ein stürmisches Hoch ausbringen dem Spender jener Freiheit, welche die Grundlage jeder anderen bildet!" Es lag in diesen Worten, welche alsbald von einigen Zeitungen je nach ihrer Färbung begrüßt oder gescholten wurden, eine stärkere Herausforderung, als man ihnen ohne nähere Kenntniß tirolischer Zustände zuschreiben möchte. Selbst die liberal sich nennenden Abgeordneten in der Stündesitzung vom letzten Frühjahr meinten die Glaubenseinheit als Wunsch des ganzen Landes bestätigen zu müssen, und wenn sie gegen den Antrag des wühlerischen Bi¬ schofs von Buxen stimmten, der die Protestanten bis auf einzelne seltene Aus¬ nahmen aus Tirol verbannen wollte, entschuldigten sie sich schon im vorhinein mit Gründen politischen Machtgcbotes. Der Klerus that seither, wie in diesen Blättern berichtet wurde, Alles, was in seinen Kräften stand, um das Volk gegen das Prvtestantenpatent aufzuwiegeln, und wenn er sein Ziel nicht er- reichte, lag dies nicht an ihm, sondern am Mangel entzündlichen Stoffes. Nach der Abdankung des früheren Statthalters, Erzherzog Karl Ludwig, wo¬ mit ihre Stütze gefallen schien, und den Bemühungen des neuen, des Fürsten v. Lobkowitz, den Eifer der Prediger und Wallfahrer zu zügeln, schien eine Pause eingetreten, und manchen derselben verdroß der nutzlose Kampf. Wenn nun Dr. Streiter eine rein materielle Errungenschaft benutzte, um an die Morgenröthe zu erinnern, die uns im geistigen Leben aufging, lag dies sicher weder in seiner amtlichen Aufgabe noch in der richtigen Erkenntniß des Wer¬ thes, den das Opfer der Auserwählten des Himmels hatte. Alles, was man

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/146>, abgerufen am 13.05.2024.